Eugène-François Vidocq - der "erste Detektiv" - Teil 2 - Kriminalist, Privatdetektiv
Eugène-François Vidocq - der "erste Detektiv" - Teil 2
Kriminalist, Privatdetektiv
Im , Vidocq ist 33 Jahre alt, da wurde er erneut verhaftet. Vidocq schrieb einen Brief an den Pariser Polizeichef in die Rue de Jerusalem auf, einer kleinen Straße in der Ile de la Cite in Paris. Dort befand sich der Jean Henry, der Leiter der damaligen Abteilung zur Bekämpfung der Kriminalität. Er bot an, als Spitzel für die Polizei zu arbeiten, wenn man ihm die Bagno ersparen würde.
Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit kann man davon ausgehen, dass er die Tätigkeit als Spitzel für die Polizei einem Aufenthalt im Bagno vorzog. Was genau ihn dazu brachte, in diesem Moment zu beschließen, dass er sein Leben ändern will, ist nicht klar.
Für 21 Monate saß er in zwei Pariser Gefängnissen als regulärer Gefangener und ließ Informationen an die Polizei weiterleiten. In den folgenden zwei Jahren gelang es, dank Vidocqs Spitzeltätigkeit 200 Kriminalfälle aufzuklären, berichtet Vidocq in seinen Memoiren später.
wurde ihm von Henry schließlich angeboten, dass man seine Flucht aus dem Gefängnis La Force ermöglichen würde, so sollte er weiter als vorgeblich Krimineller in der Pariser Unterwelt tätig werden, und seine Erkenntnisse der Polizei mitteilen. Dies gelang tatsächlich, und Vidocqs Ruf in Verbrecherkreisen stieg immens. Innerhalb nur einen Jahres wurde er von einem bezahlten Informanten zum Leiter einer neu zu gründenden Gruppe von Ermittlern mit dem Namen Brigade de la Sûreté (dt. Sicherheitsbrigade). Das Besondere an dieser Brigade war, dass sie nicht - wie bisher üblich - in Uniform unterwegs waren und von jedermann sofort als Polizisten zu erkennen waren, sondern undercover ermittelten. Sie sahen aus wie die Verbrecher, die sie fassen wollten, hielten sich in deren Kreisen auf und da die Gruppe fast ausschließlich aus ehemaligen Kriminellen gebildet wurde, gelang es ihnen mit Leichtigkeit, sich in der Unterwelt unerkannt zu bewegen. Zu Beginn waren es außer Vidocq nur vier Mann. Nach Vidocqs Angaben fassten sie innerhalb der ersten sieben Jahre ihrer Existenz über 4000 Kriminelle, brachten umfangreiches Diebesgut zurück und schickten geflohene Verurteilte wieder ins Gefängnis.
Im wurde die Brigade Teil der Pariser Polizei mit Vidocq als ihrem Leiter. Er war zwar immer noch undercover unterwegs, es war aber schwierig geworden, denn er war als Kopf der Sûreté zu bekannt geworden.
Ab Dezember 1813 erhielt die Brigade durch eine offizielle Verordnung Napoleon Bonapartes den Namen Sûreté nationale und so zu einer staatlichen Sicherheitspolizei.
Vidocq war inzwischen in aller Öffentlichkeit als der Leiter dieser Polizeigruppe und er erhielt keine unerhebliche Aufmerksamkeit aufgrund der Erfolge seiner Truppe, jedoch trotz seiner Funktion als Chef einer Behörde der Polizei galt er als flüchtiger Krimineller, der wegen nicht abgeleisteter Strafen gesucht wurde. Erst 1817 wurde Vidocq durch König Ludwig XVIII offiziell begnadigt.
Im dankte Napoleon schließlich zugunsten Ludwigs XVIII ab, unter dem die Monarchie wieder eingeführt wurde. Während der Regentschaft der 100 Tage Napoleons hielt sich Ludwig XVIII. in Gent auf, von wo er im Juni 1815 nach Napoleons Niederlage in Waterloo nach Paris zurückkehrte.
Im heiratete Vidocq erneut, 1822 lernte er Honoré de Balzac kennen, der ihn, ebenso wie Dumas, in ihren Werken verarbeiteten. Seine Bekanntheit stieg weiter, ebenso wie die Erfolge seiner Truppe. Paris galt irgendwann als die sicherste Stadt in Frankreich.
wurde starb Ludwig XVIII ohne einen legitimen Nachfolger, folglich erhielt sein Bruder Karl X. den Thron.
Inzwischen war Vidocqs Sûreté national auf 28 Agenten angewachsen, sogar Frauen waren darunter.
Etwas an Vidocqs Erfolgen bleibt immer dubios. Jean Henry, Leiter der Prefektur Paris, erhielt immer wieder Hinweise und Anzeigen, dass Vidocq und seine Truppe nicht sauber arbeiten würde. Vor Gericht behaupteten Angeklagte, sie wären widerrechtlich von Vidocq in eine Falle gelockt worden. Die Vorwürfe häuften sich. Von Bestechlichkeit über illegale Aktionen wie inszenierte Verbrechen, um diese später (natürlich problemlos) lösen zu können und ihr Ansehen zu erhöhen, gefakte Verbrechen, um Kriminelle ohne konkreten Grund inhaftieren zu können. Inwieweit an diese Vorwürfen tatsächlich etwas dran ist, kann nicht geklärt werden, laut Vidocq war er natürlich unschuldig, man gönnte ihm seinen Erfolg nicht, Mitarbeiter betrogen ihn durch regelwidriges Verhalten und betrogen ihn so.
Für eine gewisse Zeit ignorierte man diese Anklagen, dies ging jedoch nur für eine gewisse Zeit. Nachdem er die zweite Verwarnung erhalten hatte, hatte Vidocq genug - und kündigte.
Im reichte Vidocq seinen Rücktritt von der Leitungsposition der Sûreté ein. Zunächst versuchte er sich als Unternehmer und kaufte eine Papierfabrik, die er nach seinen Vorstellungen zu leiten versuchte. Er ging einen völlig neuen Weg und stellte vor allem ehemalige (geläuterte) Gefängnisentlassene ein. Leider sprach sich sein neuer Ansatz schnell herum, und tatsächlich begann man ihn zu boykottieren.
Zwischen erschienen die Memoiren von Vidocq in vier Bänden, die sich großartig verkauften, binnen Jahresfrist auch auch in Englische übersetzt erschienen, und den Ruhm von Vidocq in unerreichte Höhen katapultierten.
, in der Juli-Revolution wurde Karl durch eine Koalition von Liberalen und Republikanern durch den Louis-Philippe, den Duc d'Orléans ersetzt.
Im Januar 1830 heiratete Vidocq erneut, dieses Mal seine Cousine Fleuride Maniez.
machte seine Papierfabrik pleite, was Vidocq, nun wieder ohne echte Aufgabe, dazu brachte, sich wieder der Polizei anzudienen.
Es gelang ihm, erneut Chef der Sûreté zu werden, nachdem er wertvolle Hinweise zur Klärung eines Verbrechens und der Verhaftung von 8 Einbrechern lieferte. Er wurde zum Chef de Brigade de Sûreté ernannt und ersetzte den bisherigen Leiter Hébert. Für Vidocq war dies natürlich eine außerordentliche Genugtuung.
Vidocq machte sich gleich an die Arbeit, bezog ein kleines Büro in der Rue Sainte-Anne und stockte die Truppe mit 28 neuen Agenten, ebenfalls ehemalige Kriminelle, auf.
Aus dieser Zeit gibt es eine Beschreibung von L.M. Moreau-Christophe, einem Gefängnisinspektors, über Vidocq: "... von gewöhnlicher Sprache, vulgärem Aussehen, war von feinem Geist und "distingué de sentiment". Seine Stimme war heiser. Seine Augen waren rund, klein, grün und sprühend. Er war großzügig, bis zum Punkt der Verschwendung. Er hatte kleine Füße, kurze Arme mit haarigen Händen, geblähte Nasenflügel, rundem Bauch, zerquetschte Nase, große Schultern; seine einstmals festen Backen waren zu Hängebacken geworden".
Dies dauerte allerdings nicht lange, denn es gab schon im Folgejahr wieder Vorwürfe gegen ihn.
Als im
eine Cholera-Empidemie in Paris grassierte, kam es zu Unruhen, Gerüchte kamen auf, die Polizei habe die öffentlichen Trinkbrunnen sowie Obst und Gemüse vergiftet, um die Cholera zu verbreiten. Allein in Paris sollen rund 20.000 Menschen an der Cholera gestorben sein, Heinrich Heine nahm 35.000 Tote an. Eines der Opfer war der französische General Jean Maximilien Lamarque. Bei seiner Beerdigung kam es zu Unruhen, während derer die Aufständigen die Entmachtung von König Louis-Philippe. Vidocqs Truppe wurde vorgeworfen, sich während ihrer Beteiligung an der Niederschlagung der Unruhen mit unnötiger Härte gegen die Aufständischen vorgegangen zu sein, was Vidocq natürlich bestreitet. Er schickte Nachrichten über die Entwicklung von dem Büro der Sûreté und dem Rathaus hin und her, Vidocq selbst war in Verkleidung auf den Straßen unterwegs.
Auch nach der Niederschlagung der Unruhen blieb Vidocq ein Problem für seine Vorgesetzten. Die gleichen Anklagen, die zu seiner ersten Kündigung geführt hatten, kamen wieder auf.
Im begann die Gerichtsverhandlung über den vereitelten Raub in Fontainebleau, dessen erfolgreiche Verhinderung zu Vidocqs Wiedereinstellung geführt hatte. Und die Verteidigung führte an, dass einer der Mitarbeiter Vidocqs den Tätern überhaupt erst die entscheidenden Hinweise gegeben hätte, folglich also den Einbruch herausgefordert, und Vidocq hätte das Ganze geplant.
Vidocqs Verhalten in dieser Sache war zumindest dubios. Er meldete an die Polizeipräfektur, dass der gesuchte Agent von Vidocqs Truppe auf der Flucht sei und Paris verlassen habe, es stellte sich jedoch heraus, dass das Gegenteil der Fall war: Vidocq hatte ihn einfach unter einem anderen Namen weiter bei seiner Truppe beschäftigt.
Die Gerichtsverhandlung sorgte für großes Aufsehen und war in den Zeitungen regelmäßig präsent. Vor allem für Vidocq interessierten sich alle.
Letzten Endes erkannten die Richter darauf, dass der Agent Vidoqs schuldig der Anstiftung war und erhielt zwei Jahre Gefängnis. Vidocq selbst stand nicht unter Anklage, es war jedoch klar, dass er für die Polizei nicht mehr lange haltbar sein würde.
Am bat Vidocq selbst um seine Entlassung aus dem Dienst, da er sich um seine kranke Frau kümmern müsse. So kam er seiner Entlassung zuvor.
Auch jetzt dauerte es nicht lange, bis Vidocq sich neu "erfunden" hatte.
gründete Vidocq das bureau des renseignements (dt. Nachrichtenbüro), als erstes Unternehmen dieser Art war dieses Büro eine Mischung aus Auskunftsbüro, Detektei und einer Art von Privatpolizei, die neben den öffentlichen Organen agierten.
Das Paris der 1830er Jahre war mehr als bereit für die Gründung einer Detektivagentur. Nach seinem Weggang von der Sûréte stellte sich für Vidocq die Frage, wie er den Lebensunterhalt seiner Familie sicherstellen konnte. Er kam auf die revolutionäre Idee, das Wissen und die Erkenntnisse, die ihm zuerst sein Leben als Krimineller und später als deren Jäger unabhängig von den offiziellen Polizeiämtern auszuüben.
Also gründete er das Bureau des Reseignements unter der Adresse 12 Rue Cloche-Perche. Für nur fünf Franc per Termin oder aber in einem jährlichen Abonnement von 20 Francs konnte man die Dienste Vidocqs und seiner Leute buchen.
Vidocqs Mitarbeiter unterlagen klaren Büroregeln: Vom 1. April bis zum 1. Oktober hatten alle Mitarbeiter des Bureaus um 8 Uhr morgens an ihrem Platz zu sein, bis 22 Uhr, unterbrochen von zwei Pausen für Mittag- und Abendessen. Im Winter begann und endete die Arbeit 30 Minuten später. Man war auch übers Wochenende für die Kunden da, Sonntags jedoch nur bis 15 Uhr. Wer über die gewöhnlichen Arbeitszeiten hinaus Überstunden machen musste, bekam diese vergütet.
Die Agenten, die für die Arbeit draußen zuständig waren, hatten keine festen Arbeitszeiten. Der Auftrag dauerte solange er eben dauerte, für die Stunden vor 9 Uhr morgens und nach Mitternacht erhielten sie jedoch zusätzlich Stunden vergütet.
Zu Hochzeiten hatte Vidocq etwa 40 Agenten beschäftigt, darunter welche mit so illusteren Spitznamen wie "Cyklop" (der Agent hatte nur noch ein Auge) oder "Satyr", ein Dandy.
Ein später bekannter Journalist namens Léo Lespès beschrieb den damaligen Vidocq so:
"Ich sah einen kleinen, dicklichen Mann mit blauen Augen und dickem grau werdendem Haar."
Viele Aufträge beschäftigten sich mit dem Eintreiben von Schulden, und es ist ein handgeschriebener Brief aus der Agentur erhalten, in der der "Ex-Chef der Sonderpolizei Sûreté, die dieser über 20 Jahre mit unvergleichlichem Erfolg geleitet hat" sich an den Adressaten wendet.
Als sich zeigte, dass Vidocq mit seiner Idee gute Geschäfte machte, gründeten sich überall in Paris andere Agenturen, die jedoch überwiegend wenig anderes taten als mit der Androhung von Gewalt ausstehende Gelder einzutreiben.
Einige Probleme der Agentur entstanden zweifellos aus einem Mangel an direkter Überwachung. Auf dem Höhepunkt seiner Popularität hatte Vidocq pro Tag Termine mit über 40 Klienten, einige seiner Agenten jedoch benahmen sich nicht so, wie man es von ihnen erwarten mochte - Satyr gehörte dazu.
Es kam zu Skandalen, die am Namen Vidocqs kratzten.
Im war einer seiner Agenten namens Maurice damit beauftragt, das Geschäft eines Weinhändlers namens Sauvelet zu überwachen. Ob absichtlich oder durch Zufall, Sauvelet entdeckte Maurice und ging diesen an.
Maurice bot im Namen seines Arbeitgebers an, die Überwachung nach der Zahlung von 100 Francs fallen zu lassen. Sauvelet ging direkt zur Polizei, erhob Anklage und Vidocq musste nicht zum ersten Mal vor Gericht erscheinen.
In den kommenden zwei Jahren kam es immer wieder zu ähnliche Vorkommnissen. Andererseits gelang es ihm in der Zeit aber auch immer wieder, haarsträubende Fälle zu knacken.
Im geriet Vidocq in ernste Probleme, als die Polizei vier Mitarbeiter des Kriegsministeriums festnahm und feststellte, dass diese über lange Zeit offizielle Dokumente unterschlagen hatten. Vier Tage später wurde auch Vidocqs Büro durchsucht. Tatsächlich fand man in den über 3000 Unterlagen, die beschlagnahmt wurden, in rund der Hälfte Hinweise auf Zusammenhänge mit den festgenommenen Mitarbeitern des Kriegsministeriums. Während die einen Zeitungen schrieben, Vidocq sei inzwischen festgenommen, berichteten andere darüber, dass er in aller Gemütsruhe im Palais de Justice gesehen worden sei.
Die Besorgnisse der Behörden waren zweierlei. Zum einen war es Vidocq gelungen, sich mit seiner Agentur einen Namen zu machen und eine nicht zu vernachlässigende Machtposition zu erlangen, und zweitens hatte man Probleme im Hinblick auf seine Aktivitäten als Geldverleiher. Ein nicht kleiner Teil der Geschäfte machte er mit Angestellten des Behördenapparates, und es kam die Furcht auf, diese könnten außer Zinsen auf das geliehene Geld ihre Schulden auch mit geheimen Informationen abzahlen.
Hinzu kamen andere Fehleinschätzungen auf Vidocqs Seite, zum Beispiel im Dezember des Jahre 1837, als er von Tugot, einem Pariser Hof-Juwelenhändler, angeheuert wurde, um die Stücke eines Diebstahls wieder zu beschaffen. Vidocq forderte eine Summe von 15% des Wertes der Schmuckstücke als Vorauszahlung. Dies brachte ihm eine Betrugsanzeige ein, der er nicht einfach entkommen konnte. Er geriet an einen jungen und streitbaren Anwalt namens Charles Ledru, der bereits in einigen anderen Fällen, in denen Vidocq und seine Polizeimitarbeiter verwickelt waren, die Verteidigung übernommen hatte.
Ledru war ein begeisterter Republikaner und ein gläubiger Katholik, und er hasste Vidocq und alles, wofür dieser stand. Als Vidocq sich Ende 1837 an ihn wandte und ihn bat seinen Fall zu übernehmen, wollte Ledru eigentlich ablehnen. Jahre später offenbarte er, dass er nur unter einer ganz bestimmten Voraussetzung bereit war, die Verteidigung Vidocqs zu übernehmen: Dieser solle den Schwestern von St. Vincent de Paul die Summe von 1.000 Francs sprenden.
Er habe, so schrieb Vidocq in einem Brief an Ledru, nichts zu verlieren. Und die Tatsache, dass dieser ihn während seiner Zeit in der Sûreté immer wieder so hart angegangen war, sei für ihn genug Grund dafür, jetzt Ledru als Anwalt zu nehmen. Tatsächlich erschien Vidocq wenig später zu einem anberaumten Besprechungstermin zwischen den beiden mit einer schriftlichen Bestätigung der Mutter Oberin, dass der geforderte Betrag gespendet worden sei.
Dies war der Beginn einer lebenslangen Freundschaft zwischen den beiden, die erst mit Vidocqs Tod endete.
Vidocq wurde von Jenneson, dem Commissaire de Police am 13. Dezember festgenommen und in das Gefängnis Sainte-Pélagie gebracht, wo er Weihnachten und Neujahr verbrachte und auf den Beginn der Untersuchung wartete. Es gab zu diesem Zeitpunkt drei Anklagepunkte gegen ihn: Geld unter der Vortäuschung falscher Tatsachen erlangt zu haben, Mitarbeiter des Service Civil bestochen zu haben, und schließlich sich öffentliche Ämter aneignen zu wollen.
Es war ganz klar ein Schlag gegen Vidocqs Agentur.
Vidocq antwortete schriflich zu seiner Verteidigung, dass die ganze Angelegenheit vor allem darauf beruhe, dass er es geschafft hatte, 20.000 Kriminelle vor Gericht zu bringen. Die Polizei sei eifersüchtig auf seine Erfolge. Er habe sich außerdem auf jene Schwindler konzentriert, die jetzt Paris heimsuchen würden. Er habe falsche Adelige entlarvt, Betrüger, die sich selbst mit Ehrentiteln ausgestattet hatten. Im Gegenzug hätten diese Männer falsche Geschichten über ihn in den Zeitungen berichtet.
Die Anhörung vor Gericht war oft von hitzigen Wortgefechten zwischen Ledru und Vidocq gekennzeichnet, und 350 Zeugen wurden gehört. Im Februar des kommenden Jahres wurde das Urteil gefällt, dass Vidocq in keinem der Anklagepunkt als schuldig zu sehen sei, und Vidocq wurde freigelassen.
Vidocq war inzwischen in den 60ern, aber seine Energie schien endlos zu sein. Im November 1839 zog die Agentur zum zweiten Mal um, diese Mal in die 13 Galerie Vivienne, ein noch besseres Umfeld mit mehr Platz für die Mitarbeiter. Die Agentur florierte, aber Vidocq war ziemlich unvorsichtig dabei, sich Gegner zu machen.
Im Fall um Champaix, einem Trickbetrüger, bekamen die Autoritäten Vidocq dann doch zu fassen. Um eine nicht unerhebliche Geldsumme geprellt, boten die von Champaix betrogenen Geschäftsleute Vidocq 45% allen Geldes, das gefunden wurde, wenn es Vidocq gelingen sollte, Champaix zu fassen. Vidocq nahm an und beging Im August 1842 beging den Fehler, einen Helfershelfer von Champaix zu empfangen, sich mit diesem einzulassen und ihm 25% von seinem eigenen Anteil zu versprechen, wenn es ihm gelang Champaix zu finden. Warum Vidocq so unvorsichtig war, ist unklar.
Tatsächlich gelang dies Landier, dem Helfershelfer. Er teilte Vidocq mit, wo Champaix zu finden sei, Vidocq und einer seiner Männer tauchten an dem angegebenen Ort auf und es gelang ihnen Champaix nicht nur dazu zu bringen, seine Geldschulden bei den betrogenen Händlern schriftlich anzuerkennen, sondern die Summe von über 2.000 Francs von diesem als eine erste Rate zu erhalten. Ein gutes Geschäft für alle, sollte man meinen.
Am , nur fünf Tage später, 75 Gendarme bei Vidocq auf und nahmen Vidocq und seinen Mitarbeiter Gouffé unter dem Vorwurf der Vorspiegelung falscher Tatsachen, unrechtmäßiger Festnahme und der Beschlagnahmung von Eigentum.
Die Polizei nahm Dokumente mit, das Firmenschild wurde entfernt, und Vidocq wanderte wieder ins Gefängnis, dieses Mal in die Conciergerie, die damals als das schlimmste der Pariser Gefängnisse galt.
Im Oktober beklagte sich Vidocq, dass die Feuchtigkeit überall in den Wänden seiner Gesundheit schade, er litt inzwischen an chronischem Durchfall und Rheuma, immerhin war er zu diesem Zeitpunkt bereits 67 Jahre alt. Der Polizeiarzt kam zu dem Urteil, dass es keine Notwendigkeit gäbe, ihn zu verlegen.
Die Anhörungen zu der Untersuchungsbehörde dauerten den ganzen Winter über. Ledru schlug vor, Vidocq solle sich von einem anderen Anwalt verteidigen lassen.
Vidocq habe, so der Vorwurf, Champaix "im Namen des Gesetztes" festgenommen und ihn sogar am Mantel festgehalten. Champaix habe daraufhin verlangt, zum königlichen Procurator gebracht zu werden, was ihm verwehrt wurde. Er sei in die Galerie Vivienne gebracht worden, wo er von Kopf bis Fuß durchsucht worden sei, um daraufhin den ganzen Tag faktisch als Gefangener zu verbringen, bis er schließlich abends um 18 Uhr schließlich die Papiere unterzeichnet habe - falsche Festnahme, falsches Festhalten und Beschlagnahme.
Champaix war zwei Tage nach dem Vorfall Anfang August gefangen genommen worden und hatte die Geschichte mit Wonne erzählt. Inzwischen war es keine Sache mehr zwischen Champaix und Vidocq, inzwischen hatte er sich mit Frankreich selbst angelegt.
Es gab Untersuchungen zum allgemeinen Vorgehen und des Verhaltens der Agebtur, Vidocq wurde vorgeworfen, junge Frauen im Auftrag der Eltern entführt und in Klöster verbracht zu haben, er hätte Wucherpreise verlangt, etc.
Seine gesamtes Verhalten im Anschluss an seinen Ausstieg bei der Sûreté wurde aufgerollt. Am Ende wurde Vidocq zu 5 Jahren Haft und einer Strafe von 3.000 Francs verurteilt. Vidocq beschritt den weiteren Rechtsweg und focht das Urteil an - dieses Mal wurde in seinem Sinn geurteilt. Er verließ das Gericht als freier Mann.
Aber unzweifelhaft hatte dieser Gerichtsprozess Vidocq jede Menge Ansehen gekostet, ganz abgesehen von den Kosten für die Anwälte. Seine Frau hatte während seiner Haft die Agentur zwar weitergeführt, jedoch war es etwas ganz anderes, ob Vidocq da saß oder "nur" seine Frau. Außerdem schadete das ganze Verfahren und die Anschuldigungen seinem Ruf - und dem der Agentur. Finanziell wurde die Situation schwieriger. Die Zahl seiner Kunden nahm ständig weiter ab.
Hinzu kam, dass es immer wieder Auseinandersetzungen vor Gericht gab, in die Vidocq verwickelt war.
spielte Vidocq erstmals mit dem Gedanken, die Agentur zu verkaufen, es gab jedoch keine möglichen Käufer, die Vidocq für geeignet hielt.
schloß Vidocq die Agentur endgültig. Er war zu dem Zeitpunkt schon über 70.
danke Louis-Philippe, der "Bürgerkönig", der sich als schwacher Herrscher erwiesen hatte ab. In Folge wurde die Zweite Republik als eine Übergangsregierung ausgerufen. Vidocq machte sich erneut auf den Weg und bot seine Dienste der aktuellen Führung der Polizei an, die jedoch nicht an einer festen Zusammenarbeit interessiert waren.
Dennoch: Vidocq setzte sich nicht zur Ruhe, er änderte sein Geschäftsfeld. Er begann Bücher zu schreiben und zu veröffentlichen, teilweise mit großem Erfolg. Obwohl in einem Alter, in dem sich viele zur Ruhe setzen, arbeitete Vidocq weiter. Hin und wieder erhielt er kleine Aufträge als Privatdetektiv und unterstützte die Polizei gelegentlich.
Am
starb Eugene-Francois Vidocq im Alter von 82 Jahren im Beisein seines Arztes. Wo Vidocq begraben ist, ist nicht bekannt.
Was an der Biographie von Eugène-Francois Vidocq echt und was Fiktion ist, hat die begeisterten Leser seiner Bücher eher wenig interessiert, und es dauerte bis in die 1950er Jahre, in denen ein Historiker namens Jean Savant der Geschichten annahm. Bis dahin hatte man lediglich die Erinnerungen aus Vidocqs eigener Feder zur Beurteilung. Jean Savant versuchte zu verifizieren, was an Vidocqs Geschichten nachweisbar war. Tatsächlich gelang es ihm in einer Werkausgabe mit Anmerkungen von Vidocqs Biographie vor allem die Ereignisse und Abenteuer im späteren Leben dieses außergewöhnlichen Mannes nachzuweisen.
Davon unabhängig hat Vidocq Neuerungen in der Arbeit der Ermittlungsbehörden geschaffen, welche die diese revolutionierten. Viele seiner Entwicklungen sind noch heute in Gebrauch.
Es klingt evtl banal, aber erst Vidocq begann damit, systematisch die Merkmale von Verbrechern und ihrer Vorgehensweise zu sammeln, von ihrem Aussehen, besonderen Merkmalen, persönliche "Vorlieben" beim Begehen ihrer Verbrechen. Dies war bisher nicht gemacht worden, für die damalige Zeit eine Revolution. Im Laufe seiner Zeit entstand so durch ihn ein System von Karteikarten mit Angaben über knapp 30.000 Verbrechern. Diese Angaben konnten in einem Art Rundsendesystem, das eingerichtet wurde, an die Polizei in anderen Orten verschickt werden. So konnte man der Tatsache begegnen, dass Verbrecher, wenn ihnen der Boden in der einen Stadt zu heiß wurde, einfach in einer anderen Stadt ihr Tun fortsetzten.
Fußabdrücke konservierte er mit Stuckgips, der angerührt und in den zu bewahrenden Abdruck eingegossen wurde. Für die meisten seiner Zeitgenossen schien die Akribie, mit der er arbeitete, unverständlich, nicht zuletzt die Bedeutung des Fingerabdrucks, den er bereits als wichtiges Merkmal der verschiedenen Menschen entdeckte.
Im Laufe seiner Entwicklung wurde Vidoc zu einem starken Befürworter von Gefängnisreformen, was er nicht zuletzt 1835 in London vor dem House of Lords unter Beweis stellte, als er dort unter anderem die Probleme von ehemaligen Gefängnisinsassen schilderte, die diese dabei hatten, wieder Fuß im normalen Leben zu fassen.
Was war Eugen-Francois Vidocq nun? War er ein Opportunist, dem es gelang, sich in den unruhigen, instabilen Zeiten der französischen Revolution, Napoleons und der nachnapoleonischen Phase durchzuschlagen und rechtzeitig erkannte, wann er eine andere Strategie anwenden musste, um über die Runden zu kommen? Was man in jedem Fall über ihn sagen kann ist, dass er sich in seiner "politischen Treue" immer gerade der tonangebenden Richtung anpasste. Oder war er ein Idealist, ein Reformer der polizeilichen Arbeit der damaligen Zeit, der die Gefängniszustände seiner Zeit kritisierte, Erfinder der ersten modernen Polizeiwerkzeuge und damit Vorläufer der Forensik?
Vidocq beschrieb sich selbst und seine Art sich vor seinen Einsätzen zu verkleiden so:
Mein Haarschnitt, à la mode des bagnes, wurde schwarz gefärbt. Ebenso mein Bart, nachdem er für acht Tage gewachsen war; um mein Angesicht brauner erscheinen zu lassen, wusch ich es mit Walnusslikör; und um die Fälschung zu perfektionieren, garnierte ich meine Oberlippe mit einer Art gemahlenem Kaffee, den ich mit Gummi Arabicum anklebte, und in meinem Zungenschlag so nasal wurde wie Germain selbst. Meine Füße wurden mit gleicher Sorgfalt verarztet. Ich fügte ihnen Blasen zu, indem ich sie mir einer ganz bestimmten Mischung einrieb, deren Rezeptur ich in Brest erhalten hatte. Ich machte auch Zeichen von Fesselungen, und als meine Toilette beendet war, zog ich mir eine geeignete Kleidung an.
https://publicdomainreview.org/essay/eugene-francois-vidocq-and-the-birth-of-the-detective
https://archive.org/details/firstdetectiveli0000mort_g1h2
https://de.wikipedia.org/
https://www.google.de/books/edition/Memoirs_of_Vidocq_written_by_himself_Tr/l3ADAAAAQAAJ
https://commons.wikimedia.org
https://www.zeit.de/2023/43/eugene-vidocq-krimineller-polizist-erfahrungen-frankreich
https://www.google.de/books/edition/Ich_rede_von_der_Cholera/EqfiDwAAQBAJ
https://www.zauberspiegel-online.de/index.php/phantastisches1/2224-vidocq
Crescendo of the Virtuoso, Spectacle, Skill, and Self-Promotion in Paris During the Age of Revolution, Paul Metzner, 2018