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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Frank M. Canton?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Frank M. Canton?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Nachdem ich vorige Woche über einen Mann berichtet habe, der vom Gesetzeshüter zum Gesetzlosen wurde, will ich heute an einen Mann erinnern, der eine ganz ähnliche Laufbahn hatte und noch weitaus spektakulärer war: FRANK M. CANTON. Er wurde am 15. September 1849 – vor 172 Jahren – geboren. Bei seiner Geburt hieß er noch „Josiah Horner“. Er stammte aus dem Staat Indiana und gelangte als junger Mann nach Texas, wo er zunächst als Cowboy auf verschiedenen Ranches arbeitete, aber ab 1871 Banken beraubte und Rinder stahl. Am 10. Oktober 1874 geriet er in Streit mit einigen schwarzen Soldaten, mit „Buffalo Soldiers“. Es kam zu einer Schießerei, bei der er einen Mann tötete und einen zweiten verwundete. Offensichtlich entkam er, aber 1877 wurde er bei dem Versuch, die Bank des Ortes Comanche zu berauben, verhaftet. Er konnte den Texas Rangers entfliehen und tauchte schließlich in Ogallala (Nebraska) auf, der am nördlichsten gelegenen Verladestation für Texas-Rinder, wo er seinen Namen zu „Frank M. Canton“ veränderte und versuchte, eine kleine Ranch aufzubauen.

Das war nicht sonderlich erfolgreich. Aber Canton fand Arbeit als „Weidedetektiv“ bei der Viehzüchtervereinigung von Wyoming. Hier eskalierte im Norden des Territoriums nach und nach eine Auseinandersetzung zwischen den großen Ranchern einerseits und Heimstättensiedlern und Schafzüchtern andererseits.

Die Rinderzüchter hatten Wyoming bislang beherrscht, aber die schnell wachsende Zahl von kleinen Farmern wendete das politische Machtgefüge. Canton streifte im Auftrag der Rancher durch das Weideland. Die kleinen Farmer standen generell unter Verdacht, Viehdiebe zu sein. Canton sollte Beweise dafür bringen. Es spielte keine Rolle, ob diese Beweise gefälscht waren. Offenbar arbeitete er zur Zufriedenheit seiner Auftraggeber, jedenfalls halfen sie ihm, 1885 für das Amt des Sheriffs im Johnson County zu kandidieren. Er wurde gewählt. Er war zweifellos ein Mann der „Rinderbarone“. Es gibt Äußerungen des berüchtigten Tom Horn aus jener Zeit, der für die Pinkerton-Agentur tätig war, dass Canton als Sheriff vorwiegend gegen Heimstättensiedler vorging.

Nach 4 Jahren bewarb er sich nicht noch einmal um das Amt, weil ein krimineller Ranch-Vormann unter seltsamen Umständen aus Cantons Gefängnis fliehen konnte. Canton trug aber zeitweise auch den Stern eines Deputy US-Marshals, und es verbreiteten sich Gerüchte, dass er kleine Farmer gewaltsam gezwungen habe, das Ranchland zu verlassen. Es gab auch mindestens einen ungeklärten Mord, der Canton angelastet wurde. Die großen Rancher halfen ihm, sich den gesetzlichen Ermittlungen zu entziehen und Wyoming zu verlassen. Alle Spuren des Mordes führten zu Canton, aber er war nach Illinois entkommen, und die Rancher Wyomings sorgten dafür, dass das Verfahren gegen ihn eingestellt wurde.

Als die Auseinandersetzung zwischen den Viehzüchtern und den Heimstättern zum offenen Weidekrieg wurde, dem „Johnson County War“, kehrte Canton als Revolvermann zurück und war einer der Anführer der „Privatarmee“ der Rancher ins Johnson County, um die Sprecher der kleinen Farmer auszulöschen.

Besonders tragisch war der Tod von Nat Champion, einst sogar ein Freund Cantons. Er verteidigte sich zäh gegen die Revolvermänner und tötete 4 von ihnen. Canton ließ die Farmhütte anzünden, so dass Champion ins Freie flüchten musste. Hier wurde er mit 28 Kugeln zusammengeschossen.

Ähnlich verlief die Ermordung von Ella Watson, auch bekannt als „Cattle Kate“, die unter Cantons Führung als Viehdiebin gelyncht wurde – später stellte sich heraus, dass Sie niemals Rinder gestohlen hatte.

Die Gunmen töteten mehrere Heimstätter. Die Farmer setzten sich energisch zur Wehr und trieben Cantons „Regulatoren“ auf der TA-Ranch in die Enge. Canton und seine Bande wurden vom County Sheriff und von US-Kavallerie gerettet. Zwar wurden diese Männer angeklagt, aber sie konnten Wyoming unbehelligt verlassen. Canton kehrte nie wieder zurück.

Er tauchte danach in Oklahoma auf und bewarb sich erfolgreich als Deputy US Marshal beim Bundesgericht in Fort Smith unter dem bekannten Richter Isaac C. Parker. Hier nahm er an mehreren spektakulären Verfolgungen von Gesetzlosen teil und war in zahlreiche Schusswechsel verwickelt. Er tötete am 6. November 1896 den Outlaw Bill Dunn in einem Duell, dass an Western-Filme erinnerte. Als Canton Bill Dunn verhaften wollte, griff dieser zum Revolver. Er blieb mit seiner Waffe in seinen Hosenträgern hängen, und Canton schoss ihm eine Kugel in den Kopf.

1897 lockte der Goldrausch Canton nach Alaska, wo er als Deputy US Marshal verpflichtet wurde. Nur wenig später verlor er wegen Unterschlagung von öffentlichen Geldern den Stern. Damalige Journalisten schrieben, er habe „die Stadt Dawson gezähmt“. Der extrem harte Winter von 1898 setzte Cantons Gesundheit zu. Er erholte sich körperlich nie völlig.

1907 war er wieder in Oklahoma, wo er zum stellvertretenden Kommandanten der Nationalgarde des Territoriums ernannt wurde. In dieser Position gestand Canton, dass sein echter Name “Horner“ war; der Gouverneur von Texas begnadigte ihn für seine frühen Straftaten.

1925 war Canton fast taub und blind. Er war nicht mehr imstande, seinen Aufgaben als Weidedetektiv und Deputy US Marshal nachzukommen. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich rapide. Er lebte mit seiner Frau Annie im Haus seiner Tochter unter ärmlichsten Bedingungen. Am 1. September 1927 stellte ein Arzt bei ihm Krebs fest und diagnostizierte seinen baldigen Tod. Dieser trat am 27. September 1927 – vor 97 Jahren – ein.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die aktuelle Ausgabe

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