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Schweine, Bier, Löwen, Tiger, Grafiken und die Presse

Teestunde mit RolfMoin Rolf, es ist wieder an der Zeit bei einer Tasse Tee, Deinen Erzählungen zu lauschen. Der Abschluss zur Chattensaga ist dran. Das Buch war erschienen und wurde lokal beworben mit einem Schlachtross von Autor. Aber alles weitere, kannst Du uns nun erzählen...

Schweine, Bier, Löwen, Tiger, Grafiken und die Presse

Wie sind mit der Chatten-Saga noch nicht ganz fertig. Denn da kam noch was dazu, was den Lesern des Zauberspiegel leider entgeht.

Ich meine damit die Zeichnungen.

Der Wartberg-Verlag war nämlich der Meinung, dass einige Bilder passend zu den  Stories den Verkauf noch fördern würden. Zumal bei Kindern, die ja erst mal wissen wollen, ob da in dem Buch Bilder drin sind. Warum lange Texte lesen – ein Comic  kann auch unterhaltend sein und streng nicht so an.

 

Also Bilder. Keine Frage, das habe ich begrüßt. Aber gleich erklärt, dass man da möglichst nicht  gerade „engagierte Künstler“ dran lassen sollte. Die Bilder sollten klar erkennbar sein und nicht die Besucher vom Guggenheim-Museum zu Diskussionen über Sinn und Inhalt reizen. Ich habe zu Hause genug Jugend-Bücher, wo man viele Phantasie braucht, um festzustellen, dass die Graphik mit dem Text im Zusammenhang steht.

Es sollten klar gezeichnete Bilder sein, wo der unbedarfte Leser sofort erkennt, was sie darstellen. Und – sie sollten ruhig etwas ins Comic-hafte gehen. Das wurde von der Verlagsleitung akzeptiert. Zumal ich auch noch erklärte, dass ich Zeichner dieser Art kennen  würde.

Das stimmte nur zum Teil. Obwohl mein Freund Bernd Haban  diese Aufträge zweifellos auch hätte ausführen können. Aber nur dann, wenn es ihn gereizt hätte. Er hat nämlich  wie ich auch seinen bürgerlichen Job – und so wie ich nicht schreiben muss, muss Bernd Haban nicht zeichnen.

Aber – die Richtung stimmte schon. Denn diese Richtung war FOLLOW.

Etwas über den Fantasy-Club und die „Fellowship of Lords of a World of Wonder“ (FOLLOW) zu schreiben erübrigt sich hier wohl – zumal ich das immer schon mal in den Teestunden erwähnt habe. Ich habe dort die Anfänge der Fantasy in Deutschland im Clan der Bären mitgemacht und seit dieser Zeit  besteht die Freundschaft mit Dr. Helmut Pesch vom Lübbe-Verlag. Dann war ich eine ganze Reihe von Jahren draußen bis mich Hermann überredet hat (der verkauft notfalls den Eskimos Kühlschränke), wieder einzusteigen.

Wie das war erzähle ich vielleicht ein anderes Mal. Und ich habe ja schon oft erwähnt, dass ich jetzt beim Clan der Löwen bin – erkennbar an dem Löwen-Maskottchen in meinem Wagen.

Und Bernd Haban gehörte damals dem „Waldvolk von Korossos“ an. Und zwar dem Jäger-Clan – den „Schweinen“. So haben wir uns kennen gelernt – an jenem Fantasy-Fest, wo mir, wie schon berichtet,  bei einem Schaukampf fast der Finger amputiert worden wäre.  Mit dem „Schwein“ war sofort eine Freundschaft entstanden – zumal er als Bayer und ich als Nordhesse eben Freunde eines wohlschmeckenden Bieres sind.

Sei vielleicht noch erwähnt, dass Werner Kurt Giesa und ich beim Fest der Fantasy in Marburg zu Ehrenschweinen ernannt wurden. Ein Titel, den ich mit Stolz führe. Und – wenn einer „Schwein“ zu mir sagt, wird sofort korrigiert „Ehrenschwein“. So, das musste kurz zur Erwähnung von Bernd Haban, allgemein bekannt als „Schwein“ gesagt werden.

Und weil ihr so schön brav mit gelesen habt noch eine typische Haban-Schweine-Episode aus grauer Vorzeit.

Es war beim zweiten Fest der Fantasy. Fantasy-Leute sind ja Nachteulen, die nicht ins Bett finden, wenn sie unter Gleichgesinnten sitzen und schwätzen können. Und natürlich gehört auch eine Flasche Bier dazu – oder zwei – im Lauf des Abends eine ganze Menge.

Die Räumlichkeiten waren zwar rund um die Uhr geöffnet. Aber irgendwann schloss die Gastronomie die Tür zum Getränkeraum.

In der Bibel heißt das: „Sie haben keinen Wein mehr“. Hier hieß das: „Teilt euch euer Bier ein. Bis Morgen früh um 9 Uhr gibt’s nichts mehr“.

Croms blutige Hölle! Man hätte noch vorher eine Flasche holen sollen. Die Düse war halb leer und der Durst groß. Aber – es gab nichts mehr. Also ging es wie beim Kampf, wenn die Munition knapp wird. Kurze kleine Schlucke, damit das Zeug noch etwas vorhielt und man noch reden konnte.  Aber – irgendwann war Verschuss. Und zwar bei allen am Tisch – so zwischen acht bis zehn gestandenen Mannsbildern und trinkfreudigen Gesellen. Schon wollte man sich erheben, um die Matratze abzuhorchen als das „Schwein“ im Ton eines Propheten redete, der eine gottgesandte Lehre verkündet.

„Das Schwein,“ erklärte er, „ist ein sehr intelligentes Tier.“

Klar, das weiß jeder, dass die Wutzen keine dummen Schweine sind sondern sogar wirklich für Tiere hochintelligent. Aber Warum intelligent – das brachte Bernd Haban gleich hinterher.

„Was das Schwein nicht sofort frisst – das vergräbt es!“ Sprachs, griff unter die Bank und zog einen vollen Kasten Bier hervor. Womit der Abend oder besser der frühe Morgen gerettet war. Ich finde, diese Episode sollte auf diese Art vor dem Vergessen bewahrt werden. Muss ich sagen, dass wir uns in der nächsten Nacht in weiser Voraussicht besser eindeckten?  

Aber – wir sind ja noch bei den Bildern von der Chatten-Saga – und auch vom Ritterbuch.

Mir war klar, dass ich in den Kreisen von FOLLOW auf jeden Fall einen geeigneten Zeichner finden würde. Also blätterte ich das neue FOLLOW-Magazin durch, wo immer jede Menge Zeichnungen drin sind.

Ein Stil stach mir sofort ins Auge. So eine Mischung zwischen Hal Forster (Prinz Eisenherz) und Hansrudi Wäscher (Sigurd) – also genau das, wo ich schon als Kind drauf abgefahren bin. Nachgesehen, wer der Künstler war – eine Frau. Toll, eine Frau als Zeichnerin kann nie verkehrt sein – weil zwar mein Verlagsleiter ein Mann war – aber das Fußvolk eben aus Frauen bestand.  Da bringt man eben eine Frau besser unter. Und – sie hatte in dieser Zeit in den FOLLOW-Magazinen wirklich die besten Zeichnungen.

Es kam noch besser. Diese Helen Keller, so der Name der Zeichnerin, war im Clan der Löwen. Also gab es gar kein Problem der Kontaktaufnahme. Löwen untereinander – das ist wie früher an der Tafelrunde von Helleb – man hilft sich gegenseitig.

Mit Helen Keller war sofort ein toller Draht da. Sie hatte schon einmal professionell gearbeitet und war interessiert. Ich schickte ihr dann aus meinen Büchern Fotokopien der Germanen-Darstellungen von der Marc-Aurel-Säule in Rom und sonstig Graphiken aus Sachbüchern. Ansonsten habe ich ihr empfohlen, sich so etwas nach dem Aussehen der  „Sachsen“ bei Prinz Eisenherz zu orientieren.

Was sie dann auch weidlich getan hat. Die Kleidung der abgebildeten Personen entspricht nicht so ganz den Erkenntnissen der Wissenschaft und die Schwerter hatten damals keine Parierstange. Aber als ich da sah, war das Buch schon fertig gedruckt und ich habe im Verlag brav den Schnabel gehalten. Sonst ist es auch keinem aufgefallen.

Das Geschäftliche mit dem Verlag hat Helen übrigens selbst gemacht, da habe ich mich nicht rein gehängt. Meine Lektorin maulte nur beim nächsten Buch, Helen hätte ihre Preise hoch gesetzt. Ja, es lebe die freie Marktwirtschaft.

Bei beiden Büchern hatte ich Helen ein grobes Rahmen-Expo gegeben, wonach die gearbeitet hat. In der Saga hat sie sehr schön drauf geachtet, dass die chattischen Jünglinge lange, bis aufs Gesäß herab fallende Haare hatten. Und in einem Bild, dass den alten Priester mit seinem Ziehsohn unter einem Baum zeigt, hat sie in die Borke die Rune „Othila“ eingefügt – diese Ruhe bedeutet Besitz und Heimat.

Beim Ritterbuch hat sie nach meinen Vorgaben Bilder gemacht – aber weil nicht alle Stories ins Buch kamen, damit es nicht zu lang wurde, sind einige der Zeichnungen nicht ganz passend.  Aber zu dem Ritterbuch sage ich später noch was.

Für die Chatten-Saga wurde im Rathaus Borken eine Pressekonferenz anberaumt. Pünktlich zum Termin hatte ich fast 40 Fieber. Rosi, mit der ich damals zusammen war,  wollte mich unbedingt zu Hause halten. Aber welches Schlachtross kannst du halten, wenn die Kriegstrompete dröhnt.

Die Krankheit war auch in dem Moment verflogen, wo ich das Rathaus betrat. Sie kam erst genau in dem Moment wieder, wo ich zu Hause durch die Tür ging. Aber das ist was anderes.

Jedenfalls war ich bei dieser Pressekonferenz so richtig in meinem Element. Es waren alle möglichen nordhessischen Blätter da und an den Fragen war zu erkennen, dass sie wirklich interessiert gestellt wurden. Frühere Kontakte mit der Presse, da haben die Reporter immer versucht,  mich runter zu machen, weil ich ja „nur Hefte schrieb“.  Allerdings – sie haben es eben nur versucht. Weil ich dann sofort auf die Schiene „Zeitreise“ gegangen bin und die Leute da mit Fachwissen über Historie und Weltgeschichte zuschwallen konnte.

Der „Heftroman“ und die  Taschenbücher wurden da zwar zur Kenntnis genommen, aber die Chatten-Saga – das war ja was Seriöses. Zumal diese Reporter ja die Ecken, in denen die Handlung spielt, aus eigener Anschauung kennen.

Die Rezensionen in der Presse waren durchgehend positiv. Nur das Bild, was da von mir gemacht wurde – das ist Horror. Und zwar liegt das an der Krankheit, die guckte mir da förmlich aus den Augen. Dann noch einen kurzen Empfang beim Bürgermeister von Gudensberg – das Stadtgebiet, wo früher  „Arpos Herrenhof“ lag, dann war ich  wieder draußen und  Mister Nobody.  Mehr Reklame gab es nicht um die Saga und bei einem Signiertermin während der Weihnachtszeit in einem Einkaufszentrum habe ich mir auch nicht gerade die Finger blutig geschrieben.

Von einigen nordhessischen Geschichtsvereinen wurde ich eingeladen, eine Lesung zu halten. Lesung – ja, aber aus den unveröffentlichten Novellen – das Buch konnten die Leute damals ja kaufen. Diese Vorträge habe ich sehr gern gemacht – und das Angebot wurde von den Vereinen, weil kostenlos, auch gern wahr genommen.

Die „Chatten-Saga“ habe ich dann in Kassel im Circus „Rene und Patrizia Althoff“ offiziell im Tigerkäfig vorgestellt. Da war das erste Mal, das ich drin war – ein Kindertraum. Ich wollte auf jeden Fall man rein, wenn ein Tiger drin war.  Die meisten Tierlehrer sagen da „Nein“. Dominik Fischer, mit dem ich heute gut befreundet bin, sah das etwas lockerer.

Seinen Kater „James“ würde er schon unter Kontrolle halten.  Und Aktionen dieser Art ziehen ja Publikum, wenn es vorher angekündigt wird.

Drei Tage vorher las ich in unserem Anzeigenblättchen, dass der Autor des Katzen-Krimis „Felidae“ auch in den Käfig wollte. Aber als Kater James dann im Raubtiertunnel anfing, Probleme zu machen, ging dann der Mut doch auf Null – und die Presse konnte ihn außerhalb des Käfigs knipsen.

Ich hatte die Vorstellung schon zwei mal gesehen und wusste inzwischen, dass James grundsätzlich Probleme im Tunnel macht. Brüllen, Fauchen und um sich Schlagen – ist er drin, ist der Kater die Ruhe selbst. Aber woher sollte das der Autoren-Kollege wissen.

Und – es ist gut, dass er nicht drin war. Denn – er muss da wohl im Grunde seines Herzens Angst gehabt haben. Und das genau kann tödlich sein. Denn das merken sie und wollen zeigen, wer stärker ist. Bei mir war das anders. Wenn auch nicht mit Raubtieren so hatte ich in meinem Leben doch sehr oft direkten Kontakt mit Tieren aller Art. Da verliert sich die Scheu – was nicht bedeutet, dass ich keinen Respekt vor den Tieren hätte.  Angst darfst du nicht haben – Respekt musst du haben.

Natürlich hatte ich auch die Presse angerufen. Aber es kam nur der Fotograf vom Anzeigenblättchen und hatte eigentlich gar keine Zeit. Wir hatten dann vereinbart, dass ich einige Worte zum Publikum reden sollte, und mich dann neben dem Tiger abknien. Auf der anderen Seite war Dominik, um den Kater unter Kontrolle zu halten. Pause beendet – Musik – die Vorstellung geht weiter.

James zog im Lauftunnel wieder seine Schau ab. Hinten im Sattelgang wetteten die Requisiteure, ob ich reingehen würde oder nicht. Na, würde ich mir jetzt noch meinen Kindertraum nehmen lassen? Und wenn Schir Khan aus dem Dschungelbuch oder der Tiger von Eschnapur persönlich drin gewesen wären – ich musste in den Käfig.

Spot an – Tür auf – rein. Der Kater guckte sehr interessiert, was da für ein Kerl in seinem Bereich kam – aber die Distanz stimmte. Also, kein Grund für James aufzustehen und zu zeigen, wer hier der Chef im Fing ist. Zumal ja Dominik neben ihm stand und leise auf ihn einredete.

Ich redete mit dem Publikum, zeigte mein Buch, erklärte was für tolle Kerle die Chatten gewesen wären – wie man so sieht, denn ich bin ja ein Nachfahre dieser Chatten. Beifall – und jetzt zum Foto.

Kater James wurde misstrauisch, als ich immer näher kam. Heute weiß ich, dass ich die Distanz zu ihm um ein vielfaches unterschritten habe. Drei Meter Abstand, die ich bei Saschas Tigern habe, ist das Minimum. Hier war es höchstens ein Meter.

Und der Fotograf von draußen winkte noch – näher ran. Da drehte der Kater den Kopf zu mir, angelegte Ohren, aufgerissener Rachen und ein tiefes kehliges Grollen. Diese Aufforderung, diese Örtlichkeit ohne jede dreckige Bemerkung zu verlassen weil es sonst was hinter die Ohren gibt konnte ich aus der „Tigersprache“ sehr gut übersetzen.

Dennoch – schön langsam aufstehen. „Down, James. Down“. Und dann langsam aber stetig den Abstand vergrößern. Sofort war der Kater wieder friedlich und guckte nach vorn. Da hatte der Fotograf sein Zeug schon zusammen gepackt.

Das Anzeigenblättchen brachte nichts  und ich war mächtig frustriert. Gut dass eine Arbeitskollegin mit ihrem Sohn in der Vorstellung war und alles bestätigen konnte.

Das wäre kein Bild gewesen, wo der Tiger zu mir rüber gesehen hätte, erklärte der Fotograf. Ich hätte dem Kater ja den Kopf nach vorn drehen können. No Risk – no fun – hat er wörtlich gesagt.

Klar, hätte ich machen können. Ich hätte dann die erste Seite gehabt und würde jetzt entweder in Walhall Met schlürfen oder beim Asmodis Kohlen schaufeln. Und so bin ich erst später an Bilder mit Tigern gekommen.

Ja, die Chatten-Saga lief nicht so erfolgreich wie Harry Potter, aber der Wartberg-Verlag wollte es noch mal wissen. Diesmal sollte das Mittelalter dran sind.

Doch davon in der nächsten Woche. Bis dannemann...

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