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Das Lager, die Externsteine, die Politik und die Schlacht

Teestunde mit RolfMoin Rolf, und nun zum großen Finale um die Varus-Schlacht, dem Kampf der Germanen gegen die Römer, die zu Kaisers Zeiten hochstilisiert wurde zu einem nationalen Heiligtum. Wie war denn das nun? Lass hören! Der Tee ist bereitet und das Gebäck bereit...

Das Lager, die Externsteine, die Politik und die Schlacht

Die Externsteine sind sicher ein überregionales Kultzentrum gewesen und den meisten Stämmen bekannt.  Jedenfalls wurde ein gemeinsamer Termin vereinbart.

Wie Armin es fertig brachte, die Römer bis dahin auf diesem Platz zu halten, war seine Sache. Auch wenn sich die Germanen in den Wäldern auskannten und ihnen körperliche Strapazen wenig ausmachten – wir müssen damit rechnen, dass viele Stämme eine Anreise von zwei und mehr Wochen hatten.

 

Wie viele Germanen es gewesen sind, die Armins Aufruf zum Befreiungskrieg“ folgten, das kann nur geschätzt werden. Zehntausend werden es wohl mindestens gewesen sein, die da von überall her an den Externsteinen ankamen.

Alleine die Verpflegung vor Ort dürfte schon eine logistische Meisterleistung gewesen sein. Aber lange durfte es keine Wartestellung geben. Viele Vorräte hatten die Krieger auf dem Marsch bestimmt nicht mitgebracht. Nur die römischen Vorratslager und das Vieh stellte einigermaßen die Ernährung der Germanenkrieger sicher. „Der Krieg ernährt den Krieg“ ist eine Weisheit Wallensteins.    

In der Chatten-Saga habe ich schon angedeutet, dass der Einsatz von drei Legionen in einem „befreundeten Land“ mehr als übertrieben war. Offiziell waren die Cherusker seit fünf Jahren Bundesgenossen der Römer.

Drei Legionen können nur bedeuten, dass ein präventiver Kriegszug gegen die Semnonen und Langobarden geplant war und Varus den Auftrag hatte, auf jeden Fall sie Elbe zu überschreiten. Wenn man nicht sogar bis zur Oder vorrücken konnten, der als nächster Grenzfluss geeignet war. Wobei ich sicher bin, dass spätestens Kaiser Trajan diese Grenze weiter nach Osten vorgeschoben hätte.

Ich habe in den vorangegangenen Teestunden schon berichtet und durch Textstellen belegt, dass die Germanen immer neue Rechtshändel erfanden, die sie vor Varus brachten.

Damit war Varus in einer echten Zwickmühle. Einerseits hatte er den Befehl zum Präventivkrieg im Osten und Festigung der dortigen Grenze. Andererseits sah Varus aber durch seine Rechtsprechung die  Möglichkeit, die Germanen zu zivilisieren. Und zwar auf eine Art zu zivilisieren,  dass vielleicht die Stämme von jenseits der Elbe von ganz alleine zu den Römern kämen, um das System der römischen Verwaltung und Rechtsprechung zu übernehmen.

Es sollte mich auch gar nicht wundern, wenn es in dieser Art fingierte Gesandtschaften der Völker aus dem heutigen Sachsen-Anhalt und Brandenburg gegeben hätte. Diese Gesandtschaften hätten dann erklärt, dass sie  „von Varus und den Römern lernen wollten“ um dann ihre Völker zu überzeugen, dass der „Roman way of Life“ der beste sei.  

Gesandte der Semnonen, der Langobarden oder der Hermunduren, dass würde ins Bild dieses tückischen Plans passen, den Arminius geschmiedet hatte. Und wenn es sie gegeben hat, ist Varus voll auf sie herein gefallen.

In diesem Augenblick sah sich Varus vor Augustus als ein großer Politiker, dem er gelungen war, in einer Mischung zwischen Drohung durch die Legion und das gute Beispiel der Belehrung aus den Wilden des Nordens brave Untertanen Roms zu machen. So ähnlich dürfte Varus gedacht haben. Und wir wollen ihm damit nicht zu viel „Gutmenschentum“ unterstellen, das den Sinn vor der Realität verliert.

Der schon einige Male hier zitierte Vallejus Paterculus erzählt beispielsweise, dass sich ein alter Germanenfürst über die Elbe rudern ließ, um Tiberius, damals Feldherr und später Kaiser, zu sehen.

...dann, als der Kahn ans Ufer aufgelaufen war und er lange schweigend den Caesar betrachtet hatte, sagte er: „Unsere Jugend ist doch verrückt. Wenn sie eure Gottheit (also Tiberius), wenn ihr fern seid, verehrt, fürchten sie vielmehr eure Waffen, wenn ihr da seid, statt dass sie euren Vertrag annähmen.  Ich aber, dank deiner gütigen Erlaubnis, Caesar, habe heute den Gott gesehen, von dem ich vorher nur hörte und ich habe mir keinen glücklicheren Tag gewünscht noch einen glücklicheren erlebt.“ Und nachdem er erreicht hatte, dass er die Hand (des Caesar) berührte, kehrte er in sein Schiffchen zurück und landete, unverwandt nach dem Caesar zurück schauend, am Ufer der Seinen.

So weit die Lobhudeleien des Paerculus an seinen alten Vorgesetzten und jetzigen Kaiser Tiberius Claudius Nero. Aber so ungefähr muss es sich wohl abgespielt haben, denn Paterculus ist in seinen sonstigen Ausführungen militärisch genau.

Ich vermute, Varus, der diese Episode auf jeden Fall kannte, träumt davon, dass sich die Germanen durch seine kluge und gerechte Verwaltung „bekehrten“ und er die Unterwerfungen der Stämme jenseits der Elbe bekam, ohne dass er überhaupt ausrücken musste. Augustus konnte rechnen und ihm waren für eine reine Prestigesache gefallene Römer nicht gerade eine Freude.

Wenn Varus Dokumente der Unterwerfung der Semnonen, Hermunduren und Langobarden nach Rom schicken konnte, dann konnte Augustus im Senat mit „Flurbereinigung“ und „Grenzbegradigung“ angeben, die ihn kein Geld und die römische Legion kein Blut gekostet hatte. Ein Prokurator, der so was fertig brachte, war für die höchsen Ämter bestens emfohlen.

Wichtig ist, dass erst einmal eine formelle Urkunde der Unterwerfung da war. Kam es dann in den nächsten Jahren dort zu Aufständen, konnte man noch mal einrücken. Das war dann aber keine Eroberung mehr sondern eine Strafexpedition wie seinerzeit in Jerusalem, wo Varus zweitausend Juden rund um die Stadt gekreuzigt hatte.   

Jedenfalls blieben die drei Legionen im Jahr 9 n. Chr. im Standlager. In dem halben Jahr dürfte es bei aller Disziplin der römischen Armee mehr ein „Gammeldienst“ mit etwas Exerzieren und viel „Leerlauf“ gewesen sein.  Bei so was wird die Kondition sehr schnell abgebaut. Alles das gehörte sicher zum Plan des schlauen Cheruskers.

Das Lager des Varus verlegt die normale Wissenschaft an die Weser. In der Chatten-Saga habe ich das auch getan und die Gegend von Höxter angenommen. . Der Grund ist einleuchtend. Die Weser ist gut schiffbar und die Verpflegung für ein so großes Truppenkontingent damit besser gewährleistet.

Soldaten wollen Essen – damals wie heute - und das nicht zu knapp – und auch nicht schlecht. Ohne Mampf kein Kampf – war unsere Devise beim Bund, als uns der „Feind“ mal den Spieß samt der Feldküche geklaut hatte.

Natürlich konnten Vorräte auch auf der Lippe getreidelt werden. Und weil die römischen Fluss-Schiffe, die man jetzt gefunden hat, einen sehr geringen Tiefgang haben, geht das auf der Lippe sogar bis zum Kastell Also, das man zwischen Lippstadt und Paderborn vermuten kann. Dass ist allerdings recht weit ab von den Extern-Steinen.

Zur meiner Theorie, dass sich das Römer-Lager nahe der Extern-Steine befand  passt, dass man man die Weser bis Bad Oeynhausen treidelt und dann über die Else durch die Einmündung die Werre in südlicher Richtung vermutlich bis Detmold hinunter fährt. Detmold aber ist so eine Art „markanter Punkt“ für einen Ausflug zu den Externsteinen. Von dort aus konnte der weitere Transport mit Saumtieren oder im trockenen Sommer mit Pferdewagen und Ochsen-Gespannen erfolgen.

Die Versorgung von drei Legionen auf dem Wasserweg ist also bis zu einem gewissen Grade gewährleistet, auch wenn das Lager im „Inland“ liegt. Ob Varus dieses Lager auch schon in den vorigen Jahren genutzt hat oder ob er es erst einmal nur als eine Art „Durchgangs-Lager“ anlegen ließ, wissen wir nicht.

Gehen wir mal davon aus, dass das feste Standlager des Prokurators von ganz Germanien tatsächlich an der Weser lag. Selbst wenn die Germanen über Winter einige Palisaden weggeschleppt hatten, weil sie Bauholz oder Feuerholz brauchten konnte ein solches Lager im Frühjahr doch schnell wieder instand gesetzt werden. Die Hauptarbeit war ja der Aushub des Grabens und das gleichzeitige Aufschütten des Walls. Es ist kaum anzunehmen, dass die Germanen so eine Festung dann im Winter  zerstörten. Das wäre nämlich „Arbeit“ gewesen – und zwar für sie unnütze Arbeit. Die Römer bauten ja doch wieder alles auf, wenn Winterstürme dem Wonnemond wichen...  

Meiner Theorie nach gab es zwar ein Lager an der Weser, das jedoch zu  weit nördlich lag.  Also wurde hier ein Lager geschaffen, dass jedoch nicht so ein stabile Befestigung aufwies wie ein Standlager, das man in jedem Sommer aufsuchen wollte. Auch das dürfte ein Teil in der Planung des Arminius gewesen sei. Immerhin kannte er nicht nur die Bräuche im Heer und die Militärgesetze Roms sondern auch Publius Quinctilius Varus sehr genau.

Varus eigentlich vor hatte, jeden Tag aufzubrechen. Aber immer wieder wurde er von den Germanen mit ihren fiktiven Rechthändeln gehindert. Deshalb kann man davon ausgehen, dass dieses Lager nicht den festen Wall und Graben hatte, den man für ein Standlager eigentlich voraus setzen müsste. Auch sind keine Palisaden erwähnt, die eine starke Befestigung vermuten lassen.

Aber wofür auch. Man war bei den Cheruskern ja unter Freunden. Und der Herzog der Cherusker trug als Römer den Namen Arminius und hatte von Augustus selbst den Rang eines römischen Ritters erhalten. Zwar von der Herkunft ein Germane, war Arminius in den Augen des Varus doch ein Römer durch und durch.

Und so müssen wir die auch betrachten, wenn am sogenannten „letzten Abend“ Segestes den Armin des Verrats beschuldigt und Varus beschwört, wie beide in Ketten zu legen. In einigen Tagen werde man alles wissen.  

Auch wenn Segestes römerfreundlich war, in den Augen des Varus war er ein Barbar – und Arminius eben ein Mensch mit Zivilisation, der vermutlich einige spöttische Worte für diese Anschuldigung hatte.

Wie kommt es überhaupt, dass Segest an diesem Abend anwesend ist. Seine „Burg“ vermutet man viel weiter im Westen. Es muss einen Grund gegeben haben, dass der Herr eines Gaus der Cherusker den weiten Weg gemacht hat. Zumal er Varus auf dem Weg zum Rhein viel einfacher seine Aufwartung hätte machen können.

Und damit sind wir bei meiner „Verschwörungstheorie“ zur Schlacht im Teutoburger Wald. Gleich werden die Wissenschaftler aufschreien – aber das macht nichts. Ich mache ihnen ja keine Konkurrenz – und ihnen wird man ja glauben, wen sie sagen, dass alles, was ein unstudierter Laie da so theoretisiert, einfach unhaltbarer Blödsinn ist.

Sie haben das Studium der Univesität und ich nur das Studium meiner Bücher. Und ich bin an diese Sache genau so rangegangen wie Heinrich Schliemann auf der Suche nach Troja. Ich habe mir die antiken Texte rausgesucht und etwas anderes daraus gelesen als die offizielle Lehrmeinung ist.  Allerdings muss ich gestehen, dass ich auch hier das Wissen von allgemein zugänglichen Sachbüchern zugrunde lege und manches nur weiter interpretiere.

Und los geht’s...

Germanien im Herbst 9 n. Chr.  – wahrscheinlich Ende September.

Varus hat auf Anraten des Arminius Boten zu allen Stämmen geschickt. Alle sollen ihre Bannerherrn mit ihren Gefolgschaften schicken. Vor ihnen will Varus dann vor dem Rückmarsch zum Rhein nicht nur einen Gerichtstag abhalten sondern am Tag darauf auch die Macht von drei Legionen zur Schau stellen.

Dann werden sich sicher die Gaufürsten der Stämme im Osten freiwillig unterwerfen. Es werden Urkunden unterschrieben, in denen sich die Germanenstämme wie schon die Cherusker und einige andere Stämme zu Bündnispartnern der Römer erklären. Und der Kaiser Augustus wird zufrieden sein.

Über die „Gefolgschaften“ der Bannerherrn habe ich schon genug geschrieben – oder es ist in der „Saga“ nachzulesen. Die „Brüder Tius“ waren richtige Krieger, die keine Felder bestellten sondern sich an jedem Vormittag im Waffenkampf übten. Diese Leute in Waffe in ein Lager einzulassen war so gefährlich, wie die Wohnung mit Vipern zu teilen.

Wenn ich mal vorsichtig rechne, dass ungefähr hundert Bannerherrn der verschiedenen Stämme und ihrer Untergruppierungen ankamen und jeder von ihnen zwanzig bis dreißig Gefolgsleute bei sich hatte, dann ist das schon eine ganze Menge. Aber eigentlich recht tief gegriffen, denn an der Zahl der Gefolgschaft konnte man auch den Rang und die vornehme Stellung des Bannerherrn erkennen.

Eine solche Menge von Männern, deren Handwerk der Krieg war, das stellt schon eine echte Gefahr dar. Zumal mal eben diese Gaufürsten nicht draußen vor dem Lager biwakieren lassen konnte. Man musste sie nach drinnen bitten.

Und – wer den Herrn einlässt, darf den Knecht nicht vor der Tür lassen. Dass jeder der Männer den den „Gefolgschaften“ die Waffen dabei hatte, versteht sich. Schon Tacitus schreibt, dass die Germanen immer  und überall in Waffen gingen.

Varus musste diese „Sitte“ unbedingt akzeptieren, wenn er nicht sein ganzes angedachtes diplomatisches Gebäude schon vorher zum Einsturz bringen wollte. Die Friedensbeteuerungen der Germanen waren wie ein unsichtbares trojanisches Pferde, in dem die Feine in die Festung einzogen.

Sicher hat Varus nicht nur von Segest Warnungen erhalten. Auch die Tribune und Zenturionen dürften Bedenken geäußert haben. Aber – Varus vertraute Arminius, der die Lage seiner Meinung nach voll im Griff hatte.

Man war ja im Land der Cherusker, also bei Freunden und Bundesgenossen. Und alleine die cheruskischen Hilfstruppen im Lager würden wohl Manns genug sein, die Gefolgschaften der Bannerherrn nieder zu halten.

Am Gerichtstag hatte Varus einem großen Teil der Legionäre frei gegeben. Heute bei den Rechtshändeln wurden sie nicht gebraucht. Aber die Legionäre  sollten ja morgen eine glänzende Parade vorführen und das bedeutete die bei Soldaten ach so beliebte „Putz-und Flickstunde“.

Einige von ihnen wurden auch auf die Jagd in die umliegenden Wälder beordert, damit man noch etwas frisches Fleisch für den Rückmarsch zum Rhein hatte. Vermutlich war auch die Reiterei draußen vor dem Lagerwall dabei, ihre Pferde zu bewegen. Zumal das  eine Flucht der Reiterei umso sinnvoller erscheinen lässt – aber dann auch die Worte des Paterculus verständlich macht, der hier von Fahnenflucht spricht.

Auf den Wällen und den vielleicht vorhandenen Türmen aus Holz  standen Wachen. Aber sonst  ist da nur Varus auf dem Richtersessel umgeben von Liktoren und einer Leibwache. Drum herum aber, sehr interessiert, die Gauführer aller Stämme. Natürlich in Waffen. Und hinter ihnen die Männer ihrer Gefolgschaft. So richtige Schlagetote. Und natürlich auch in Waffen.
 
Würde ich jetzt einen Roman schreiben, gäbe das eine dramatische Gerichtsszene im shakepear'schen Stil mit einem: „Dann, Hände, sprecht für mich!“ eines Germanen. Und den Speerstoß, der dann gegen Varus geführt wird, fängt ein treuer Liktor mit seinem eigenen Körper auf.

Ja, es ist kein Roman – aber so  war es vielleicht. Es war ja alles so geplant und abgesprochen. Ein Attentat auf Varus. Der musste zuerst sterben um die Befehlskompetenzen erst einmal undurchsichtig zu machen. Doch es ist unzweifelhaft, das Varus bis zum bitteren Ende überlebt hat.

Die Männer der Gefolgschaften und auch die Bannerherrn stürzen sich auf die völlig überraschten Römer und töten, was in die Nähe der Waffe kommt. Einer hat einen der Wälle erklommen und  schwenkt ein Tuch. Das ist für die Männer, die sich bisher in den Wäldern verboren haben,  das Zeichen. Schreiend und brüllend brechen sie hervor und stürmen gegen den Wall.  

Die Legionäre, die im Wald auf die Jagd geschickt wurden, sind schon tot. Und der Präfekt der Reiterei erkennt, dass das Lager von allen Seiten berannt wird. Es ist den Legionären gelungen, die Tore zu schließen, bevor die Masse der Angreifer da ist. Die Reiter sind ohne Waffen und Rüstungen. Für das Bewegen der Pferde war es nicht nötig, sie anzulegen  Das Lager ist verschlossen und die Wilden sind schon an den Wällen. Ein  Durchbruch ist unmöglich. Kommen diese Wilden aber in die Nähe der Pferde, werden sie die Tiere mit ihren Riesenkräften umwerfen oder die Reiter auf andere Art aus dem Sattel holen. Es gibt noch keine richtigen Sättel und auf jeden Fall noch keine Steigbügel, durch die man auf dem Pferderücken festen Sitz hat und nicht so leicht herunter gerissen werden kann.

Feigheit oder nicht. Es bleibt für die Reiterei nur die Flucht, wenn man nicht hingeschlachtet werde will. Schon fliegen römische Framen in Richtung der Pferde. Eine der Tiere  brechen zusammen und werden Nahrung für die  Germanen. Wem es von den Männern der gefallenen Tiere nicht gelingt, bei einem Kameraden mit aufs Pferd zu kommen, dessen Lebensfaden zerschneiden die Parzen. Und so entkommt die römische Reiterei.

Im Lager selbst wüten Kampf und Tod.  Man hat nicht nur den Feind vor den Wällen sondern auch im Inneren. Und die Barbaren setzen alles daran, die Tore zu öffnen und ihre wilden Verwandten einzulassen.

Varus sieht seine Männer fallen. Er erkennt schnell, dass das großzügig angelegte Lager nicht zu halten ist. In den vergangenen Tagen hatte die Germanen im Römerlager genug Zeit sich umzusehen und Ortskenntnis zu gewinnen.

Zwischen den Lederzelten der Mannschaften warten die schlauen  Germanen, bis sich Römer in ihre Nähe wagen. Der Rest ist Messerarbeit.

So laut er kann, schreit Varus, das  sich die Männer sammeln und innerhalb des Lagers zurück ziehen.  Der ganze vordere Bereich an der Porta Pratoria, der große Platz zum Exerzieren und auch die Zelte der Offiziere sowie seine eigene Unterkunft werden preis gegeben. Nur die Legionsadler und die anderen Feldzeichen werden rasch aus den Heiligtum geholt.

Varus brüllt, als einer der Legionäre eine Fackel in das Feldherrnzelt wirft. Andere folgen dem Beispiel und zünden die bereits gepackten Wagen mit dem Gepäck an.  Diese Narren. Hier hätte man sich die Beutegier der Germanen austoben lassen. Und wenn sie dann im Streit um irgendwelche besondere Beute waren, konnte man sie in einem  kühnen Handstreich überfallen und nieder machen.

Andere Narren rennen hinter fliehenden Germanenen her – und erkennen zu spät, dass ihnen zwischen den Zelten eine tückische Falle gestellt wurde. Varus brüllt und droht mit schlimmen Strafen bei eigenmächtigem Vordringen ohne Befehl. Strafen, die man wohl kaum auszuführen braucht. Denn das übernehmen schon die Germanen.

Während sich Legionäre formieren, die sich in der Eile kaum rüsten konnten, heben im hinteren Bereich des  Lagers andere Kameraden einen Graben aus und der Aushub wird zum Wall. So lange dieser Wall nicht steht, müssen ihre Leiber der Wall gegen die Wilden aus dem Wald sein.

Auch hier mag es einzelne Männer oder Gruppen von Legionären gegeben haben, die sich durchschlagen wollten. Das hat Paterculus dann als in seinen Schriften verurteilt, dass man  den Legionären „nicht einmal ungehindert Gelegenheit geben wollte zu kämpfen oder so weit sie es wollten vorzurücken“ und das einzelne „schwer bestraft wurden, weil sie „römische Waffen gebraucht und römischen Mut gezeigt hätten“.

Wenn man eine zweite, verkürzte Hauptkampflinie aufbauen will, dann  muss diese stehen. Und ob echtes Heldentum oder  der Versuch eines verzweifelten Durchbruchs – hier geht es um Disziplin, die ein Feldherr unter allen Umständen fordern muss. Wie ich schon in einer Teestunde früher geschrieben habe – der einfache Soldat, egal ob Legionär oder Landser, muss sich einfügen und an seine Befehle handeln.

Bei den Germanen sind viele Schlachten oft durch zu viel Heldentum und zu wenig Koordination vom „Feldherrnhügel“ herab verloren worden. Und genau aus diesem Grund waren Roms disziplinierte Legionen immer siegreich.

Sicher mag Varus hinter den Männer, die aus den Reihen sprangen um die Germanen anzugehen das berühmte: „Ich bringe Sie vor ein Kriegsgericht“ gebrüllt haben. Aber das war garantiert nicht nötig, die Germanen werden schon den zu erwartenden Urteilsspruch vollstreckt haben.

So gut es geht werden die Überlebenden hinter den neu aufgerichteten  Wall zurückgezogen. Und vor diesem Wall ist noch der Graben. Der Abschnitt ist stark verkleinert. An zwei Seiten sind die eigentlichen Umwallungen, die sich gut verteidigen lassen aber auch der andere Lagerwall muss erst einmal erstürmt werden.

Man ist also vorerst in Sicherheit.  Doch in den Zelten ist wenig zu Essen und noch weniger Wasser. Auch wenn es jetzt zu regnen beginnt, dieses Wasser reicht nicht für den Durst. Zumal es gefährlich ist, jetzt den Helm abzunehmen.Denn die Germanen mit ihren Handschleudern überschütten die Legionäre mit einem Steinhagel.

Alles weitere kann sich jeder für sich selbst ausmalen – denn es ist ja kein Roman, den ich hier schreibe, sondern nur eine kurze Abhandlung einer etwas ungewöhnlichen Theorie.

Ob sich im Schutz der Nacht einzelne Gruppen absetzen oder ob Varus ihnen den Befehl zum Durchschlagen nach Aliso gibt, um Hilfe zu holen – niemand wird den Beweis dafür finden. Ob den kleinere Wall am Tag darauf erstürmt wird oder ob Varus und den Römern noch eine weitere Nacht gegeben wurde – keiner weiß es. Es sei denn, in der aufgefundenen Bibliothek von Herkulaneum wurde  sich eine passende  Schriftrolle finden.

Es muss jedoch eine ganze Reihe von Überlebenden gegeben haben.

Das wissen wir schon vom Bericht des Tacitus als Germanicus das Schlachtfeld betrat. Aber selbst bei einem Feldzug zur Zeit des Kaisers Claudius in das Gebiet der südlichen Chatten wurden noch Männer gefunden und befreit, die erklärten, dass sie bei der Varus-Schlacht dabei waren.

Quinctilus Varus selbst hat, wie allgemein bekannt ist, Selbstmord begangen. Seinen Kopf hat Armin, wie schon erwähnt, an den Markomannenkönig Marbod geschickt.     

Doch das gehört schon nicht mehr hierher und meine Theorie von der Varus-Schlacht kennt ihr nun.  Womit wir bei der nächsten Teestunde dann zu dem Buch „Ritter, Bürger, Bauersleut“ übergehen, das gerade im Zauberspiegel zu lesen war.

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