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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit William Floyd Claiborne?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit der William Floyd Claiborne?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 14. November 1882 verblutete in Tombstone, Arizona, der Gesetzlose Billy Claiborne nach einem Revolverduell mit dem Saloonkeeper „Buckskin“ Frank Leslie, den er zuvor großmäulig provoziert hatte. Damit starb einer der bekanntesten Outlaws von Tombstone, der allerdings zuvor mehr durch provokantes Auftreten, unkontrollierten Jähzorn und Trunksucht als durch Taten von sich reden gemacht hatte.

William Floyd Claiborne – so sein voller Name – war am 21. Oktober 1860 in Mississippi geboren worden. Schon als sehr junger Mann ging er nach Texas und heuerte als Pferdepfleger auf der Ranch von John Slaughter an, einem der größten Rancher der Pionierzeit, der später sogar zum Sheriff in Arizona gewählt wurde. Claiborne gehörte zu den Cowboys, die Slaughters Rinderherde 1879 von Texas nach Arizona trieben. Hier fand er einen Job in einer Silbermine, wo mehr zu verdienen war als mit Cowboy-Arbeit.

Claiborne liebte es, andere Menschen zu bedrohen. Wenn diese ihm aus dem Weg gingen, fühlte er sich stark und forderte andere auf, ihn „Billy the Kid“ zu nennen. Willliam Bonney, der durch seine Taten und seinen Tod im amerikanischen Südwesten für Schlagzeilen gesorgt hatte, war sein Idol.

Am 1. Oktober 1881 erschoss er den betrunkenen Outlaw James Hickey in einem Saloon. Der Eigentümer, Harry Queens, beschrieb, was er beobachtet hatte:

„Ich war anwesend, als James Hickey getötet wurde. Hickey stand in meinem Saloon nahe einem Tisch, wo gerade ein Kartenspiel stattfand. Er drehte sich um und ging im selben Moment zur Tür, als dieser junge Mann, der „Kid“ genannt wurde, hereinkam. Als er Hickey sah, drehte er sich um und ging wieder hinaus. Vorher hatte er zu ihm gesagt: ‚Folge mir nicht. Du bist mir lange genug hinterhergelaufen, und ich lasse mir das nicht länger gefallen. Wenn Du mir weiter folgst, bringe ich dich um.‘ Der Kid zog seinen Revolver, hob ihn und schoss, als Hickey weiterging. Hickey drehte sich halb und stürzte aufs Gesicht.“

Claiborne hatte Hickey unterhalb des linken Auges in die Wange geschossen und tötete ihn damit auf der Stelle. Er wurde verhaftet und angeklagt. Aber nach über einem Monat tauchten nur 4 Geschworene zum Gerichtstermin auf. Am nächsten Gerichtstag kamen drei davon nicht wieder. Das war generell eines der Probleme der Rechtspflege in der amerikanischen Pionierzeit. Die Gerichte konnten nur tagen, wenn die vorher gewählten Geschworenen anwesend waren, und die hatten manchmal keine Lust, meilenweit zum nächsten Gericht zu reiten und mussten gelegentlich sogar vom Sheriff mit Gewalt dazu gezwungen werden, ihren Pflichten nachzukommen. Als endlich die ganze Geschworenenbank gefüllt war, fragten die Männer den Richter, ob sie Claiborne wegen Totschlags schuldig sprechen könnten. Der Richter verneinte. Es gab keine Einigung, und der Richter hob die Sitzung auf. Am 11. Mai 1882 wurde ein neuer Prozess angesetzt. Jetzt ließen sich die Anwälte nicht blicken. Der nächste Termin war der 15. Mai; jetzt erschienen die Geschworenen wieder nicht. Das Problem war, das keiner Hickey hatte leiden können und um ihn trauerte. Also wurde Claiborn schließlich freigesprochen und laufengelassen.

Claiborne schloss sich den Outlaws rings um die Clantons und McLaurys an und randalierte regelmäßig in Tombstone.

Die Auseinandersetzungen zwischen dem bürgerlichen Tombstone, vertreten durch die Brüder Earp, und den Outlaws kulminierten am 26. Oktober 1881, als Virgil Earp Ike Clanton wegen illegalen Waffentragens verhaftete und vor Gericht brachte. Vor dem Gerichtsgebäude schlug Wyatt Earp Tom McLaury nieder, weil er glaubte, dass dieser bewaffnet sei.

Mehrere Bürger trugen Virgil Earp wenig später die Information zu, dass die Clantons und McLaurys sich voller Wut am OK Corral-Mietstall zusammengeschart hatten. Sie waren bewaffnet und stießen Drohungen gegen die Earps aus. Virgil vereidigte seine Brüder Wyatt und Morgan und Doc Hollidays als Deputy Marshals. Die vier Männer machten sich auf zum OK Corral, um die Cowboys zu entwaffnen.

Als sie gegen 14 Uhr am OK Corral ankamen, befanden sich hier nicht nur Ike und Billy Clanton und Tom und Frank McLaury, sondern auch Billy Claiborne. Angesichts der entschlossen anrückenden Marshals sank Claibornes Mut. Ike Clanton rannte ebenfalls davon. Wyatt Earp versetzte ihm noch einen Schlag auf den Rücken und schrie ihn an: „Kämpfe oder verschwinde!“ Clanton stürzte durch die Tür von Flys Boardinghouse und brachte sich in Sicherheit. Billy Claiborne rief, dass er unbewaffnet sei und stürmte aus dem OK Corral. Dann begann die Schießerei, die kaum 30 Sekunden dauerte und drei Männern das Leben kostete.

Claibornes Reputation als neuer „Billy the Kid“ war nach seiner Flucht aus dem OK Corral erledigt. Seine Versuche, andere Männer zu bedrohen, wurden nicht mehr ernst genommen. Er verließ Tombstone zeitweise, arbeitete in den Silberminen von Globe und schwor hier, nach Tombstone zurückzugehen und einen der engsten Freunde der Earps, „Buckskin“ Frank Leslie, zu töten, der als Barkeeper im „Oriental Saloon“ arbeitete, an dem Wyatt Earp Anteile besaß. Leslie war als gewalttätig bekannt.

Claiborne behauptete öffentlich, dass Leslie seinen Freund Johnny Ringo getötet habe. (Das stimmte nicht.) Am 14. November 1882 kehrte Claiborne nach Tombstone zurück. Er betrat bereits schwer angetrunken den „Oriental Saloon“ und begann sofort, Leslie zu beleidigen und zu bedrohen. Leslie stand kaltblütig hinter der Bar und ging seiner Arbeit nach, ohne Claiborne zu beachten. Als der junge Mann zu laut wurde und andere Gäste belästigte, forderte Leslie ihn auf, den Saloon zu verlassen. Draußen verkündete Claiborne lauthals, dass er Leslie umbringen werde. Als Leslie das Randalieren auf dem Vorbau des Saloons zu viel wurde, ging er mit umgeschnalltem Revolvergurt hinaus. Claiborne stand dort mit einem Gewehr. Leslie rief: „Sei vernünftig Billy, hau ab. Ich will Dich nicht erschießen.“

Der betrunkene Claiborne riss sein Gewehr hoch und feuerte. Er verfehlte Leslie. Der zog seinen Revolver und traf Claiborne mit dem ersten Schuss in die Brust. Claiborne stürzte, wurde zu einem Arzt geschafft und starb sechs Stunden später. Frank Leslie wurde angeklagt und freigesprochen, da er eindeutig in Notwehr gehandelt hatte. Er landete 1890 im Zuchthaus Yuma,, nachdem er in einem Eifersuchtsanfall seine Frau ermordet hatte.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die kommende Ausgabe

 

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