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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Robert Todd Lincoln?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Robert Todd Lincoln?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 1. August 1843, wurde ein Mann geboren, der vermutlich sein Leben lang von seinem Namen und von den Erwartungen, die damit verbunden waren, fast erdrückt wurde: Robert Todd Lincoln. Er war der Sohn des im kollektiven Gedächtnis der Amerikaner geradezu monumental verankerten US-Präsidenten Abraham Lincoln. Er war der einzige Sohn, der ein angemessenes Alter erreichte. Seine drei Brüder – Edward, William und Tadd – waren schon als Kinder oder Teenager gestorben.

Robert Todd Lincoln stand in der Nacht des tödlichen Attentats am Sterbebett seines Vaters. Als erwachsener Mann befand er sich im Bahnhofsgebäude in der Hauptstadt Washington, neben Präsident James Garfield, als dieser ermordet wurde, und er war auf der Pan-American Exposition, als Präsident William McKinley erschossen wurde.

Das machte ihn abergläubisch. Als die Republikanische Partei ihn zum Präsidentschaftskandidaten machen wollte, lehnte Robert Lincoln ab, weil er glaubte, dass er von einem Fluch verfolgt würde und eine solche Kandidatur nicht überleben würde.

Aber Abraham Lincolns Sohn führte letztlich ein Leben in eigener Verantwortung, wobei sein großer Name ihm sicherlich nicht im Wege stand.

Robert Lincoln studierte ab 1861 an der University of Harvard Rechtswissenschaften. Die Aufnahmeprüfung schaffte er nur „mit Ach und Krach“. Zum Entsetzen seiner Mutter, unterbrach er seine Studien und schloss sich der Unionsarmee an. Mary Lincoln insistierte bei ihrem Mann, die Aufnahme in die Armee zu untersagen. Abraham Lincoln erwiderte: „Andere Mütter lieben ihre Söhne genauso wie wir unseren. Der Dienst unseres Sohnes löst nicht mehr Tränen aus als die Meldungen anderer Söhne und anderer Mütter. “

Allerdings schrieb er schließlich einen Brief an General Grant mit der Bitte, Robert nicht in den Fronteinsatz zu schicken. Robert wurde daher Captain im persönlichen Stab U. S. Grants. Er war auch bei der Kapitulation Lees in Appomattox Courthouse anwesend.

Entweder 1863 oder 1864 befand er sich auf der Fahrt nach Washington, als er in Jersey City beinahe unter die Räder eines anfahrenden Zugs geriet. Ein Mann auf dem Bahnsteig rettete ihm beherzt das Leben – es war, wie sich später herausstellte, der prominente Schauspieler Edwin Booth, der Bruder von John Wilkes Booth, der 1865 seinen Vater ermordete.

Das Attentat im Ford-Theater erlebte er nicht mit, weil er sich zum Dienst in der Wachmannschaft des Weißen Hauses gemeldet hatte. Telegrafisch benachrichtigt, eilte er zum Sterbebett seines Vaters.

Nach dem Krieg setzte Robert sein Jura-Studium in Chicago fort. 1867 erfolgte seine Zulassung als Rechtsanwalt. 1868 heiratete er die Tochter des Senators James Harlan. Aus der Ehe gingen zwei Töchter und ein Sohn hervor.

Robert Lincoln schloss sich der Republikanischen Partei seines Vaters an und unterstützte den radikalen Flügel, den Abraham Lincoln abgelehnt hatte. Er trat später als Wahlhelfer für U. S. Grant auf.

Robert Todd Lincoln wurde ein erfolgreicher Anwalt. In einem aufsehenerregenden Prozess klagte er 1875 seine eigene Mutter an, die seiner Ansicht nach das Familienvermögen verspielte; in der Tat litt Mary Lincoln spätestens seit der Ermordung ihres Mannes an schweren Depressionen. Sie wurde schließlich in eine psychatrische Einrichtung in Illinois eingewiesen. Nach ihrer Entlassung aus dieser Klinik war das Verhältnis von Mutter und Sohn bis zum Ende von Mary Lincolns Leben zerrüttet. 1876 wurde er für ein Jahr zum Vorsitzenden des Stadtrats von Chicago gewählt; das war das einzige Wahlamt, dass er je inne hatte.

1877 bot Präsident Rutherford B. Hayes ihm das Amt des Secretary of State an, das Außenministerium der USA. Robert Lincoln lehnte ab; er fühlte sich – wohl mit Recht – von diesem hohen Amt überfordert. Aber 1881 ernannte Präsident James Garfield ihn zum Kriegsminister. Er behielt diesen Posten bis 1885. 1889 ging Robert Lincoln als Botschafter der USA nach London. Bei einem Besuch in Paris (Frankreich) verunglückte sein einziger Sohn, Abraham Lincoln II., tödlich.

1893 schied Robert Lincoln endgültig aus der Politik aus, arbeitete wieder als Anwalt und wurde 1897 Chef der großen Eisenbahnwaggon-Fabrik PULLMAN. Auf diesem Posten blieb er bis 1911 und wechselte dann in den Aufsichtsrat der Firma, dem er bis 1922 vorstand.

1902 hatte Robert Lincoln einen riesigen Landsitz in Vermont gekauft. Öffentliche Auftritte wurden selten. Robert Lincoln unterstützte die Republikanischen Präsidentschaftskandidaten – nur nicht Theodore Roosevelt, den er als zu liberal ablehnte.

Zum letztenmal sah die Öffentlichkeit Robert Lincoln bei der Einweihung des gewaltigen LINCOLN-Memorials zu Ehren seines Vaters in Washington. Hier stand er neben dem ehemaligen Präsidenten William H. Taft und dem amtierenden Präsidenten Warren G. Harding.

Obwohl er zweifellos das komfortable Leben eines wohlhabenden Mannes führte, haderte Robert Todd immer mit seinem Schicksal. Von ihm ist überliefert: „Kein Mensch wollte mich als Kriegsminister, als Botschafter in England, als Präsident der Pullman Company – sie wollten alle nur Abraham Lincoln Sohn.“ Diesbezüglich war Robert vermutlich für viele eine Enttäuschung. Er hatte weder den scharfen Verstand, noch den politischen Instinkt und die Raffinesse und schon gar nicht den sprichwörtlichen leutseligen Humor seines Vaters. Er galt im Gegenteil als eiskalt, engherzig und unnahbar. Er hatte wenig Verständnis für die sozialen Umwälzungen seiner Zeit.

Robert Lincoln starb am 26. Juli 1926 in Manchester. Er liegt seit 1928 auf dem Nationalfriedhof Arlington in Washington D.C. begraben.

Der letzte direkte Nachfahre von Präsident Abraham Lincoln war Roberts Enkel, Robert Todd Lincoln Beckwith, der 1985 starb. Es gibt bis heute einige Menschen, die eine entfernte Verwandtschaft mit der Lincoln-Familie aufweisen, wie etwa der weltberühmte Schauspieler George Clooney, dessen Familienlinie zu Abraham Lincolns Mutter zurückgeht.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2021Die aktuelle Ausgabe

 

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