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Von den literarischen Misthaufen - Belletristisches und Triviales vs. Literaturkritik

Zauberwort - Der Leit(d)artikelVon den literarischen Misthaufen
Belletristisches und Triviales vs. Literaturkritik

Wie sagte Dennis Scheck so schön im Deutschlandfunk:

»Der größte literarische Misthaufen (…) ist wahrscheinlich doch der Bastei Lübbe Verlag.«

Die Literaturkritik in Deutschland hat gefühlt einen einzigen Reflex.


Hört man den Deutschlandfunk oder Deutschland Radio Kultur und die dortigen Literaturbesprechungen, bekommt als Fan des Belletristischen und Trivialen oft die Krätze. Das liegt nicht unbedingt an den besprochenen Werken (die mich auch durch nachdrücklichste Empfehlung des Rezensenten nicht zum Lesen reizen), sondern an einer Unsitte, die - bewusst oder unbewusst - von den Literaturkritikern gepflegt wird.

Denn: Gefühlt wird das besprochene Werk in jeder zweiten oder dritten Rezension gegen Triviales und Belletristisches (»Groschenroman«) abgegrenzt. Das passiert quasi nebenbei, aber sind die Werk zeitgenössischer Literatur geschrieben worden, um an den sogenannten Groschenromanen gemessen zu werden? Und damit meint man (und auch Scheck) nicht unbedingt Cotton, Lassiter, Sinclair oder Rhodan, sondern Romane von Follett, Fitzek oder Gable. 

Schlimm wird es auch, wenn Scheck & Co. mal wieder die Spiegel-Bestsellerliste durchhecheln. Da wird dann jedes einzelne mit kurzen, sehr pointierten Bemerkungen bedacht. Das sind zumeist Kurzverrisse, denn auf den Bestsellerlisten findet sich eben dann das, was Scheck mit Groschenromanen meint, und an den Bestsellern wird dann zumeist kein gutes Haar gelassen.

Ich frage mich dann immer, in welchen Elfenbeintürmen unsere Literaturkritik so ihre Zeit verbringt und warum die Welt der Unterhaltung, des Belletristischen, der Groschenromane den Herrschaften so verschlossen bleibt, dass ihre bevorzugte Lektüre reflexartig abgegrenzt werden muss oder eben ein Zweiteiler als Verriss reichen muss. Einen Gablé oder einen Fitzek fassen Scheck und seine Konsorten doch nur mit spitzen Fingern an. Warum befassen sie sich dann damit?

Was mich dann auch noch überfällt, ist der Gedanke daran, dass diese reflexartige Abgrenzung zum Belletristischen doch eigentlich gar nicht nötig ist. Da sollten doch genügend Vor- und Nachteile zu finden sein, die es - um in den Jargon der Literaturkritiker zu verfallen - zu verhandeln gilt. Da muss doch im Buch genügend Stoff zu finden sein, den es zu loben und zu tadeln gilt. Das müssen doch Loblieder zu singen sein, ohne dass Äpfel mit Birnen verglichen werden. Warum also muss die Literaturkritik sich daran abarbeiten, dass Literatur kein Groschenroman ist?

Wenn ich ´ne ›Daily Soap‹ oder ›Scripted Reality‹ oder ein Heftroman bespreche, nehme ich als Vergleich weder ´ne TV-Serie ála »Game of Thrones«, den »Faust«, den »Zauberberg« oder eine große Dokumentation. Wenn ich schon vergleichen muss, greife ich eher zu ähnlichen Formaten.

In Deutschland scheint es nicht möglich zu sein, dass ›U‹ und ›E‹ in friedlicher Koexistenz nebeneinander stehen können. In England und den USA geht das. Ob es an Shakespeare liegt, der beide Vokale nahezu selbstverständlich vereint? Seine Stücke tragen tiefe Wahrheiten in sich und zugleich unterhalten sie gnadenlos gut. Um mit dem Bodycount seiner Dramen mithalten zu können, muss der Thriller-, Action-, und Horrorfilmer unserer Tage sich schon anstrengen. Seine Komödien haben derbe Witze und Sprüche. Im Mittsommernachtstraum kam gar ein Tritt in die Eier zu Ehren.

Immerhin musste Shakespeare ein Theater füllen und verdiente Geld, viel Geld mit den Aufführungen seiner Werke. Kunst und Kommerz in einem. Im Deutschlandfunk hörte ich ein Feature über ihn und der deutsche Kommentar fand durch de­s­pek­tier­liche Worte für den trivialen Teil Shakespeares. Da ließe er, so der der Tenor, doch die nötige Kunst vermissen. Ich sage mal ganz drastisch: Quatsch (engl.: Bullshit). Da ist er wieder der Blick des deutschen Bildungsbürgers, der abschätzig aud das universelle Bedürfnis sich zu unterhalten herabblickt.

Woran liegt diese Unterhaltungsfeindlichkeit in Deutschland? Woran liegt es, dass man Literatur nicht an ihresgleichen misst? Wie ist dieser ewige Schundkampf in Deutschland zu erklären (lest dazu ruhig auch mal Die andere Bücherverbrennung)? Warum muss man Unterhaltung runtermachen, um die Literatur zu erheben?

Ich jedenfalls werde mich eher näher am Misthaufen aufhalten, weil Mist ja ein guter Dünger ist. Da finde ich die Literatur, die mir gefällt. Ich will unterhalten werden, mich gelegentlich aus der tristen Alltagswelt für ein paar Augenblicke verabschieden. Nicht dauerhaft fliehen, sondern mir ein paar Momente Urlaub gönnen.

Ich werde das nie verstehen, aber vielleicht können es mir ja Herr Scheck oder seine Konsorten beim Deutschlandfunk erklären?

 Aber auf jeden Fall wünsche ich allen ein gutes Jahr 2015 in unserem belletristischem Internetblättchen ...

Kommentare  

#1 joe p. 2015-01-01 15:25
Zitat:
Schlimm wird es auch, wenn Scheck & Co. mal wieder die Spiegel-Bestsellerliste durchhecheln. Da wird dann jedes einzelne mit kurzen, sehr pointierten Bemerkungen bedacht. Das sind zumeist Kurzverrisse, denn auf den Bestsellerlisten finden sich eben dann das was Scheck mit Groschenromanen meint und an den Bestsellern wird dann zumeist kein gutes Haar gelassen.
Da ist so ein klassisches, wenngleich eigentlich längst überflüssiges Bildungsbürgertum am Werk, welches von Neurosen und Komplexen heimgesucht seine eigene Bedeutung schwinden sieht.
Wenn die trivialere Literatur aus den Bestsellerlisten Einzug in den Diskurs hielte (so wie sie längst Einzug in die Lehrpläne der Oberstufe gehalten hat!), hätten auf einmal ziemlich viele Leute Ahnung. :-) Ein untragbarer Zustand.
#2 Kerstin 2015-01-01 17:31
Das Elend liegt wohl daran, dass hierzulande immer noch so eine strikte Trennung zwischen der erhabenen Kaste der Gebildeten und dem einfachen Volk herrscht und die ach so schlaue Oberschicht diese Trennung unbedingt erhalten will. Die müssen sich einfach in jeder Hinsicht von denen abgrenzen, die sie mehr oder weniger offen für minderwertig halten. Ob die das hochgeschraubte Zeugs wirklich mögen, das ist dabei gar nicht die Frage.

Lesen, um sich abzugrenzen, also, das ist schon eine verdrehte Idee, die eigentlich dem Grundgedanken des Lesens, nämlich Erweiterung des persönlichen Horizonts, kräftig widerspricht.
#3 Helmut.A 2015-01-01 18:11
Auch der Spiegel bringt immer wieder Kritiken l
Wer alte Berichte/Artikel über Schundliteratur /Heftromane lesen will gibt bei SPIEGEL Online in die Such Maske „Schundliteratur, Groschenromane, Grusel, Heftroman, Dämonenkiller etc.“ ein. Hier findet man Artikel die vor Jahrzehnten im Spiegel erschienen sind. über: Jerry Cotton, DK, Sinclair, Western, Perry Rhodan, Jugendschutz. Z.B über Gruselhefte vom 10.10.1977. Links findet man PDF, hier sind die Original Seiten mit schwarz/weißen Bildern zum herunterladen
Bei FOCUS Online findet man den Artikel“ Wie lässt sich mit Groschenromane noch Geld verdienen“. (Aus Focus Money 24/2014) Anscheinend lohnen sich Heftromane doch noch.
#4 Markus Gersting 2015-01-02 14:47
Wobei Denis Scheck da eher eine löbliche Ausnahme darstellt. Hier ist jemand der z.B. auch mal Dinge wie »Entenhausen – die ganze Wahrheit« empfiehlt, oder »Der Circle«.

Beides Dinge, die jemand aus dem Elfenbeinturm wahrscheinlich nicht mal mit der spitzen Kneifzange anfassen würde. Ich denke, man solle Herrn Scheck hoch anrechnen, dass hier jemand ist, der auch mal gerne über den Tellerrand hinausschaut.

Da gibt es ganz andere Herrschaften, die da ihren literarisch gebildeten elaborierten Sprachcode heraushängen lassen.

Und warum er DInge liest die ihm nicht gefallen? Das ist dann wohl Berufsrisiko. Schließlich ist er Kritiker, d.h. es ist sein Job zu lesen und zu bewerten was ihm da so geboten wird, auch wenn es mal "unterkomplex" ist.

Wo wir dann gleich bei Ken Follet wären. Jetzt mal ehrlich, es gibt Perrys die bedeutent besser als so manches Werk von Mr. Schema F sind. Trivial ist da lange her ...
#5 Zorro01 2015-01-03 12:40
Jede Form der Literatur hat seine Daseinsberechtigung. Nicht alles was in gebundener Form auf den Markt kommt ist hoher Literatur und ist sehr häufig nun mal auf Heftchen Niveau. ….Aber ist gibt sicherlich auch Heftchen, die es verdient hätten mehr Beachtung zu finden. Grundsätzlich sind auch die Literaturkritiker untereinander bei Besprechungen nicht immer einig. Sie wiedergeben ein Meinung und geben lediglich eine Orientierungshilfe. Und das macht Dennis Scheck aus meiner Sicht sehr gut, wenn er „die Spiegel-Bestsellerliste durchhechelt“.
Im Übrigen empfehle ich hier mal auf youtube den Beitag von Dennis Scheck beim Perry Rhodan Weltcon anzuschauen:
www.youtube.com/watch?v=wG2U-dNB_no
Mit dem Suchbegriff „Dennis Scheck beim Perry Rhodan Weltcon“ kommt man auch da hin.
Er ist nach meiner Meinung eine – um die Worte Markus Garsting zu gebrauchen - „löbliche Ausnahme“ und sicherlich nicht so abgehoben, wie hier dargestellt wird.
Und sollte Herr Scheck diese Zeilen lesen, so spreche ich mal die Einladung aus, einen Beitrag für den Zauberspiegel zu schreiben….
#6 Postman 2015-01-05 10:20
zitiere Kerstin:
Das Elend liegt wohl daran, dass hierzulande immer noch so eine strikte Trennung zwischen der erhabenen Kaste der Gebildeten und dem einfachen Volk herrscht und die ach so schlaue Oberschicht diese Trennung unbedingt erhalten will. Die müssen sich einfach in jeder Hinsicht von denen abgrenzen, die sie mehr oder weniger offen für minderwertig halten.


Deine Anschauung gefällt mir, denn sie deckelt sich mit meinen Erfahrungswerten. Der Deutsche hat sich gefälligst nur an naturwissenschaftlich Fassbarem und intellektuell Gehaltvollem zu orientieren ;-) Ohne diese Einstellung und auch noch einem Studium zählt man in diesem Land nichts mehr.

Ergo ist für mich alles sinnvoll was Spaß macht.

Aber Hauptsache der Deutsche hat seinen Fußball und seinen sonntäglichen Tatort, dann ist diese Mehrheit schon zufriedengestellt :o
#7 Ganthet 2015-01-05 17:39
Warum die Aufregung ? Trivialliteratur ist zur Unterhaltung da. Anderes (Poltik, Geschichte, etc.) zur Bildung. Ich finde es nicht schlimm, diese Unterscheidung vorzunehmen. Ich lese beides

zitiere Postman:

Ergo ist für mich alles sinnvoll was Spaß macht.

Aber Hauptsache der Deutsche hat seinen Fußball und seinen sonntäglichen Tatort, dann ist diese Mehrheit schon zufriedengestellt :o


Verstehe ich das richtig: Du beschwerst dich über Intellektuelle, die sich nur an naturwissenschaftlich Fassbarem und intellektuell Gehaltvollem orientieren und das durch Fußball und Tatort gucken ausdrücken ?
#8 matthias kaether 2015-01-05 23:43
Ihr dürft euch darüber aufregen - denn der Zauberspiegel gehört zu den wenigen deutschsprachigen Foren, in denen Unterhaltungsliteratur wirklich substanziell diskutiert wird, mit echten Fakten . nicht nur mit Gelaber.
Mich stört gar nicht so sehr das Gelärm der Elite-Kritiker. Das sind Rückzugsgefechte. Im Grunde muß sich die U-Literatur nicht fürchten. Heute verschwindet "bessere" Literatur unter 99% von Romanen, die lustigerweise fast alle in den 20ern unter "Schund und Schmutz" subsummiert worden wären - heute dürfen wir ohne schlechtes Gewissen Unterhaltendes, Grusliges, Sensationelles bis zum Abwinken lesen, ohne uns dafür verteidigen zu müssen. Gott sei Dank!!! - Das ist doch ein Sieg.
Aber es gibt zwei "Leider"... leider verwechseln inzwischen viele Leser (und auch Verleger!) Erfolg mit Substanz - der May-Verlags-Chef Schmid sagte doch tatsächlich mal in einem Interview zu mir ohne einen Funken Ironie: "May ist viel bedeutender als Kafka! Wer liest denn heute noch Kafka?" Mich bestürzt es mitunter, wenn ich junge Leute sehe, die Harry Potter für den Gipfel der abendländischen Kultur halten. Zum andern: leider ist die sogenannte "Höhere Literatur", wengistens die im 21. Jahrhundert grade derart blutarm, weltfremd und verschwurbelt, dass sich selbst frühere Fans gleichgültig von ihr abwenden und ich nur sagen kann - schade um die Entwicklung insgesamt - nicht schade um die einzelnen Bücher, die da angepriesen werden.(Ausnahmen bestätigen die Regel, Leitholds wunderbarer Debüt-roman "Herrliche Zeiten" etwa.) Vielleicht machen wir jetzt eine Entwicklung durch wie vor 150 Jahren die Musik - U und E entfernen sich so weit voneinander, dass nur noch eine kleine hochgebildete Schicht sich E antut. Allerdings - auch in der U-sparte entstehen ja verwirrenderweise längst schon Spezial-Ecken. Vermutlich gibt es nicht viel mehr Shocker- als Kleist-experten ...;-) Spannendes Thema... Ein guter Freund von mir sammelt moderne Lyrik, ich alte Trash-Literatur vor 1950. Wir ziehen uns gegenseitig auf. Eigentlich sind wir uns sehr ähnlich und beide Nerds ...;-)
#9 Kerstin 2015-01-06 09:30
Beim Thema Kunst und Kultur geht es oft zu wie im Märchen über des Kaisers neue Kleider: Unter denen, die das Zeug in den Himmel loben, sind verdächtig viele, die nur Bahnhof verstehen, sich aber nicht als Banausen outen wollen. Da wird dann ein Bild, das nur aus zufällig zusammengeklecksten Farbtupfern besteht, als ausdrucksstark bezeichnet (Das einzige Ausgedrückte, was ich da erkenne, sind die Farbtuben.), die Opernaufführung in den Himmel gehoben, wo nur ein Haufen Leute halbnackt auf der Bühne zwischen Sperrmüll herumsteht und schreit (Der Komponist würde sich im Grabe wälzen.) oder eben sie finden 1000 tolle Sachen an Texten, die der Rest der Welt nicht mal andeutungsweise versteht. Und komischerweise liest da jeder was ganz anderes raus als der andere.

Wenn ein Künstler, gleich welcher Sparte, etwas ausdrücken will, warum bemächtigt er sich dann nicht einer Ausdrucksweise, die auch verständlich ist? Wenn mir einer was mitteilen will und dabei Kisuaheli spricht, braucht er sich nicht wundern, wenn ich nix verstehe. Da ich nicht nach Afrika auswandern will, brauche ich auch nicht wirklich Kisuaheli lernen. Deswegen fühle ich mich nicht dumm oder ungebildet.
#10 Captain Elch 2015-01-09 15:34
zitiere Postman:

Aber Hauptsache der Deutsche hat seinen Fußball und seinen sonntäglichen Tatort, dann ist diese Mehrheit schon zufriedengestellt :o


Pfeif auf den Tatort.
Aber den Fußball lass ich mir nicht nehmen
#11 Reader 2015-03-26 04:56
Hat bisschen was von:
Keiner liest die BILD-Zeitung, aber alle wissen was drin steht.
Und dann kommen die vorsorglichen Entschuldigungen, weshalb man sich dann beim Wissen des Inhalts hat erwischen lassen.
Im übrigen finde ich, jede(r) soll lesen was subjektiv lesenswert ist.

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