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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Quanah Parker?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Quanah Parker?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 23. Februar 1911 – vor genau 110 Jahren – starb einer der bedeutendsten indianischen Häuptlinge Nordamerikas, der Comanchenführer QUANAH PARKER. Er war der Kriegsführer der Quahadis (Antelope Band), obwohl er in der Nokoni Band geboren worden war. Sein Vater war der angesehene Häuptling Peta Nocona (Der Wanderer), seine Mutter war Cynthia Ann Parker, eine Amerikanerin, die als Kind von Comanchen geraubt worden war. Anfang der 1870er Jahre stieg Quanah, der als „Idealtyp“ des Indianers beschrieben wurde, zur führenden Gestalt in den Kämpfen im nördlichen Texas und südlichen Oklahoma auf, dem sogenannten „Red River Krieg“. Die Auseinandersetzungen begannen, als professionelle Häutejäger unter Bruch der Verträge von Medicine Lodge in die Jagdgründe der Kiowa und Comanchen eindrangen und die großen Bisonherden abschlachteten, auf denen die Existenz der Völker der südlichen Plains basierte.

Quanah war wohl Ende der 1840er Jahre in der Comancheria in Texas geboren worden. Seine Mutter trug bei den Comanchen den Namen „Naduah“ (Die Frau, die sich bei uns wohl fühlt).

Sie war am 19. Mai 1836 bei einem Überfall auf „Fort Parker“, an dem Comanchen, Arapaho, Kiowa, Wichita und Caddo beteiligt waren, geraubt worden. Cynthia war 9 Jahre alt. Sie wurde von Kwahadi-Comanchen adoptiert und als 15jährige von Nocona geheiratet. Nocona nahm keine weiteren Frauen, wozu er nach Comanchen-Brauch berechtigt gewesen wäre; das deutet auf eine echte Liebesheirat hin. Das Paar hatte außer Quanah noch 2 Töchter.

Noconas Lager wurde im Dezember 1860 von Texas Rangers unter Captain Lawrence S. Ross angegriffen. Die Dorfbewohner wurden gefangen oder getötet. Die meisten Krieger befanden sich an diesem Tag auf der Jagd.

Captain Ross fielen bei diesem Angriff auch eine weiße Frau und deren Tochter in die Hände – das waren Cynthia Parker und Topsana. Cynthia wurde zurück zu Mitgliedern der Parker-Familie gebracht, wo sie todunglücklich war; sie wollte nicht mehr in die Welt der Weißen. Topsana erkrankte drei Jahre später und starb. Cynthia hungerte sich Anfang der 1870er Jahre zu Tode, nachdem sie immer wieder vergeblich darum gebeten hatte, zu den Comanchen zurückkehren zu dürfen. Häuptling Nocona und der zweite Sohn, Pekan, kamen Jahre später bei einem Jagdunfall ums Leben.

Quanah galt als der geborene Führer. Er hatte wohl die besten Eigenschaften seines Vaters und seiner Mutter geerbt. In der Gesellschaft der Krieger wuchs er zu einem geschickten, kühnen und dominanten jungen Mann heran, der mehrfach erfolgreich Kriegsparties führte, nachdem er schon seit seinem 14. Lebensjahr an Stammeskämpfen mit den Apachen teilgenommen hatte. Es gelang ihm, den Häuptling „Swift Like The Wind“ zu töten und dessen Skalp zu nehmen. Seither trug er als zweiten Namen „Cheetah“ (Kriegsadler). Er zog jedoch seinen Namen „Quanah“ vor.

Wohl nach 1865 wollte Quanah die Häuptlingstochter Wec-Keah“ heiraten. Der von ihm gebotene Brautpreis war allerdings nicht ausreichend, also flohen Quanah und Wec-Keah mit etwa 20 weiteren Kriegern und bildeten eine eigene Gruppe, die konstant Raubzüge zwischen dem Canadian und Pecos durchführte. Der Erfolg als Kriegsführer sicherte Quanah weiteren Zulauf von jungen Kriegern, nicht nur von anderen Comanchen, vorwiegend Kwahadis, sondern auch von Gruppen der südlichen Cheyenne und Kiowa. Als er mit mehreren Hundert Kriegern und Hunderten von erbeuteten Pferden zur Gruppe seines Vaters zurückkehrte, konnte er Wec-Keah offiziell zur Frau nehmen. Als Führer so vieler Krieger hatte er faktisch einen Häuptlingsrang erreicht, obwohl er nie in diese Position gewählt worden war. 1867 war er einer der Comanchenvertreter bei den Friedensverhandlungen von Medicine Lodge. Danach zog sich der einflussreiche Comanchenhäuptling Bull Bear zurück. Einigen Quellen zufolge, wurde daraufhin Quanah zum neuen Häuptling gewählt. Nach anderen Quellen wurde Quanah Parker erst nach der Kapitulation vor Ranald Mackenzie und dem Einzug in die Fort Sill Reservation in Oklahoma von der Reservationsverwaltung zum Oberhäuptling der Comanchen bestimmt.

Quanah hatte der US-Armee einen harten und ausdauernden Kampf geliefert, vor allem nachdem weiße Häutejäger die Bisonherden auf den südwestlichen Ebenen, die Lebensgrundlage der hier lebenden Stämme, abgeschachtet hatten. Dank Quanah kam es zu Stammesallianzen mit Cheyenne, Arapaho, Kiowa und Kiowa-Apachen. Die texanischen Postkutschenlinien wurden langfristig unterbrochen. Kutscher, Fahrgäste und Soldaten wurden getötet, Pferdewechselstationen niedergebrannt. Ein Höhepunkt war der Kampf von Adobe Walls gegen eine Gruppe von Büffeljägern.

In diesen Kämpfen war Quanah der unumstrittene und dominante Führer gewesen. Das gab ihm nach der Kapitulation am 2. Juni 1875 eine bedeutende Rolle in den Verhandlungen mit der Regierung. Quanah gelang danach auch fast problemlos der Spagat der Anpassung an die Kultur der Weißen. Seine Führerschaft bei den Comanchen war unumstritten, weshalb sowohl die Armee als auch die zivilen Behörden ihn als legitimen Ansprechpartner ansahen und hoffierten.

Die texanischen Rancher, die regelmäßig Rinderherden über das Reservationsland trieben, benötigten Quanahs Genehmigung und errichteten ihm in der Nähe der Gemeinde Cache ein großes, geräumiges Haus, in dem er hochrangige Besucher empfing, von Indianeragenten und hohen Beamten der Indianerbehörde über hohe Offiziere, bis hin zu wichtigen Politikern, u. a. den ehemaligen Präsidenten Theodore Roosevelt.

Quanah unterstützte die Christianisierung seines Volkes, allerdings gehörte er auch zu den Gründern der „Native American Church“, die Elemente aus dem Christentum und alten indianischen Glaubensregeln enthielt und unter anderem den Gebrauch der Droge „Peyote“ in die religiösen Praktiken einbezog. Er war selbst ein erfolgreicher Rancher, der Viehzucht in den Ausläufern der Wichita Mountains betrieb und schließlich über 200 Pferde und mehr als 1.000 Rinder besaß.

1886 übernahm Quanah Parker die Leitung der Reservationsgerichte in Fort Sill. 1902 wurde er zum Sheriff von Lawton gewählt und leitete damit die Reservationspolizei. Ab 1908 wurde er Vorsitzender des Rates der Schulen in seinem Distrikt. Er ermutigte sein Volk, die Lebensweise des weißen Mannes anzunehmen. Quanah war offiziell der „letzte Häuptling der Comanchen“. Als er im Februar 1911 starb, wurde kein "Häuptling" mehr bestimmt, sondern ein „Vorsitzender“ des Stammesrates eingesetzt.

Als die Todesnachricht Washington erreichte, erhoben sich die Abgeordneten von Kongress und Senat zu einer Schweigeminute. Quanahs Leichnam wurde auf dem sogenannten „Chiefs Knoll“ von Fort Sill beigesetzt, unweit von ihm befinden sich die Gräber seiner Mutter und seiner Schwester.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die aktuelle Ausgabe

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