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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Nino Cochise?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Nino Cochise?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Heute nur eine kurze, eher traurig-skurile Erinnerung, die aber zweifellos zur Wild-West-Legende gehört.

Der Mythos: Am 20. Februar 1874 – vor 147 Jahren – wurde in Arizona ein Mann geboren, der als Chief NINO COCHISE Schlagzeilen machte – der Enkelsohn des großen Apachenhäuptlings Cochise, der Sohn von dessem Sohn TAZA.

Taza, der von ca. 1843 bis 1876 lebte, war der ältere Bruder von Naiche. Er folgte seinem Vater, dem legendären Cochise, nach dessen Tod als Häuptling der Chokonen-Gruppe der Chiricahua. Er führte seine Gruppe 1876 in die San Carlos Reservation und war im selben Jahr Mitglied einer Apachen-Delegation, die zu Verhandlungen nach Washington reiste. Hier erkrankte er an einer Lungenentzündung und starb nach nur zwei Jahren als Häuptling. Er wurde auf dem Kongress-Friedhof der Hauptstadt beigesetzt. (Ein authentisches Bildnis von ihm ist nicht bekannt; das gelegentlich in Büchern gezeigte Foto zeigt NICHT Taza, sondern einen Indianer namens Noche und wurde erst 1886 aufgenommen.)

Kommen wir zu „Häuptling“ NINO COCHISE, dem vorgeblichen Sohn von Taza. Alle Geschichten, die um ihn – teilweise bis heute – verbreitet wurden, hatte er selbst erzählt. Sie waren offenbar so gut, dass sie ihm geglaubt wurden. Nino Cochise wurde Schauspieler, ging nach Hollywood und spielte in dem Film „Taza, der Sohn des Cochise“ mit Rock Hudson seinen eigenen Vater. Er spielte auch andere Apachen-Rollen in Filmen und Shows wie „Natas“ und „You Bet Your Life“. Er schrieb – mit Hilfe von geschickten Journalisten – sogar mehrere Bücher, in denen seine Lebensgeschichte weithin ausgeschmückt wurde. Mindestens eines davon erschien in deutscher Sprache.

Am 23. Dezember 1984 starb er – vor nicht einmal 37 Jahren. Im Alter von 102 Jahren. (Es gab sogar Behauptungen, dass er 110 Jahre alt war.)

Die Wahrheit: Nino Cochise war NICHT der Sohn von Taza; denn Taza war niemals verheiratet und hinterließ, soweit bekannt, keine Kinder. Somit war Nino auch nicht der Enkelsohn von Cochise.

Er war nicht einmal ein Apache oder überhaupt Indianer, obwohl er sich sein Leben lang so kleidete. Und 102 Jahre alt – geschweige denn 110 – war er auch nicht, als er starb. Alles frei erfunden, um Rollen in der Filmindustrie zu bekommen. Das gelang ihm. Er muss sehr überzeugend gewesen sein – oder die Menschen, die ihm begegneten, wollten einfach glauben, was er erzählte und hinterfragten seine Angaben nicht. Dabei gab er in TV-Shows manchmal so fantastische Geschichten zum Besten, die jeden Zuhörer hätten mißtrauisch machen müssen.

Tatsächlich erlebt man noch heute, dass die absurdesten Behauptungen eher geglaubt werden als eher „langweilige“ Tatsachen. Ninos Legende lebte sogar nach seinem Tod weiter.

Der angesehene Lokalhistoriker von Tombstone, Ben Traywick, fand nach intensiven Recherchen heraus, dass „Nino Cochise“ tatsächlich Robert Lee Majors hieß, ein weißer Mann und vermutlich nicht älter als 75 Jahre war, als er starb – lediglich sein genaues Todesdatum ist belegbar und authentisch. Ansonsten ist so gut wie nichts über sein wahres Leben bekannt.

Nino Cochise liegt unter seinem falschen Namen auf dem Friedhof der alten Silberminenstadt Tombstone (Arizona) begraben.

Er war nicht der einzige Mensch, der sich eine indianische Identität zulegte, um diese als Teil seines Egos oder zum eigenen Vorteil zu nutzen.

Über „Grey Owl“, den Engländer, der als Prophet für eine saubere Umwelt und den Schutz der Wildtiere um die Welt zog, habe ich an dieser Stelle schon einmal berichtet. Dessen Mission war aller Ehren wert. Nino Cochise jedoch war einfach nur ein Hochstapler und Schwindler – aber letztlich hat er niemandem geschadet.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die aktuelle Ausgabe

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