Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Pater Pierre Jean DeSmet?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Pater Pierre Jean DeSmet?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 30. Januar 1801, vor 220 Jahren, wurde in Belgien Pater Pierre Jean DeSmet geboren. (Er nannte sich selbst meist „Pieter Jan DeSmet“.)

Er wird in erster Linie als Missionar gesehen, aber man kann ihn mit Fug und Recht auch als großen Entdeckungsreisenden in Nordamerika bezeichnen. Zwar ging es ihm natürlich in erster Linie darum, die Indianervölker vom Christentum zu überzeugen, aber er war auch zutiefst an ihrer Kultur und Lebensart interessiert, behandelte sie mit Respekt und Menschlichkeit und war kein Fanatiker. Sonst hätte er wohl die unzähligen Begegnungen selbst mit äußerst kriegerischen Stämmen nicht überstanden. In seinem Leben zog er zu Fuß und auf dem Pferderücken 290.000 km kreuz und quer durch den amerikanischen Westen, ohne dass ihm ein Leid geschah.

Seine Tätigkeit in der Neuen Welt hatte 1821 - vor 200 Jahren - begonnen, als er mit 11 anderen Jesuiten in die White Marsh Mission bei Baltimore (Maryland) geschickt wurde. Von hier zog er nach St. Louis, um an der dortigen Jesuiten-Universität seine theologischen Studien zu vollenden. Hier lernte er auch die ersten indianischen Sprachen und wurde vertraut mit indianischem Brauchtum. Am 23. September 1827 wurde er zum Priester ordiniert. Gesundheitliche Probleme zwangen ihn, 1833 zurück nach Belgien zu gehen, aber er kam 1837 wieder nach Amerika und war an der Einrichtung der St. Josephs Mission bei den Potawatomie im heutigen Council Bluffs (Iowa) beteiligt.

In dieser Zeit assistierte DeSmet dem bekannten Landkartenmacher Joseph Nicolett und eignete sich selbst ausreichend Kenntnisse im Landvermessen und in der Anfertigung von Karten an, so daß er später seine Reisen dokumentieren konnte. Es war DeSmet, der die erste detaillierte Landkarte des Tals des Oberen Missouri vom Platte-Fluß bis zum Big Sioux River anfertigte. Auf dieser Karte war vor allem die exakte Lage der Indianerdörfer dieser Region vermerkt.

Ebenfalls in dieser Zeit begann die aktive Missionstätigkeit DeSmets. Irokesen aus dem Osten der USA kamen nach St. Louis, um ihre Kinder taufen zu lassen. Ebenso Angehörige der Salish aus dem Fernen Westen. Diese Völker, die unter der Ausbreitung für sie unbekannter Krankheiten litten, hatten in der Vergangenheit bereits Kontakt mit dem Katholizismus gehabt und hofften, dass die Religion der „Schwarzröcke“ (Black Robes) ihnen helfen konnte. Der Wunsch nach spiritueller Heilung war so groß, dass die Salish es sogar riskierten, durch das Gebiet feindlicher Sioux-Indianer zu ziehen, die die Delegationen angriffen und teilweise niedermachten.

Der junge DeSmet erhielt den Auftrag, die Salish zurück nach Westen zu begleiten, um eine Mission in ihrem Gebiet einzurichten. Er zog mit ihnen teilweise auf dem später als Oregon Trail bekannten Weg durch die Rocky Mountains. Am 5. Juli 1840 hielt er in der Nähe der heutigen Stadt Daniel in Wyoming auf dem letzten großen Rendezvous der Trapper, Pelzhändler und Indianer die erste katholische Messe.

DeSmet gründete im Salish-Gebiet die St. Mary’s Mission im heutigen Montana. Seine Missionstätigkeit war ungemein erfolgreich. Er beließ es nicht bei geistigen Belehrungen. Von seiner Kirche forderte er finanzielle Mittel, um die Salish im Landbau zu unterweisen und mit Farmgeräten auszustatten, so dass sie ihre nomadische Lebensweise aufgeben und sich mit Viehzucht und dem Anbau von Getreide versorgen konnten, anstatt sich jährlich bei der Verfolgung von Bisonherden auf kriegerische Auseinandersetzungen mit benachbarten, weitaus stärkeren Stämmen einlassen zu müssen.

Ab August 1845 durchstreifte DeSmet das Oregon-Territorium bis hinauf nach British Columbia. Er zog durch das heutige Idaho und erreichte den Columbia Lake. Von hier aus drang er ins Kootenay River Tal vor. Ein Fluss, an dem er entlang zog, trägt seither den Namen Cross River, weil er ein gewaltiges Holzkreuz an einem Pass oberhalb des Stroms aufrichtete.

DeSmet erreichte Rupert’s Land, zog weiter ostwärts und erforschte die Regionen des heutigen Alberta. Er folgte dem Saskatchewan River. Im Oktober, als der eisige Kanada-Winter bereits begonnen hatte, erreichte er eine der Handelsstationen der Hudson’s Bay Company.

Auf dieser Reise hatte DeSmet Kontakt mit den Blackfoot, den Cree und den Chippewa aufgenommen. Im November brach er erneut in Indianergebiete der Region auf und verbrachte den Winter schließlich in Fort Edmonton.

Nach Missionen unter den Flathead und Kootenay Indianern, errichtete er im Frühjahr 1846 die „Sacred Heart Mission“ bei den Coeur d’Alene im heutigen Idaho.

Bei seiner Rückkehr zur St. Mary’s Mission folgte er den Niederlassungen der Hudson’s Bay Company über York Factory und Jasper House bis Fort Vancouver.

Die großen indianischen Führer, die er bei seinen Reisen traf, sind namentlich kaum alle aufzulisten. Besonders bemerkenswert war für ihn selbst seine Begegnung mit Sitting Bull, den er – vergeblich – versuchte, vom Katholizismus zu überzeugen, der DeSmet aber mit großer Freundlichkeit und mit Interesse empfing und lange religiöse Gespräche mit ihm führte.

1854 war DeSmet bei der Einrichtung der Flathead Mission von St. Ignatius (Montana) beteiligt.

DeSmet bereiste den amerikanischen Westen lange bevor die große Besiedelung begann. Er drang intensiver in die Indianergebiete ein, als mancher Forschungsreisende, und er besuchte weitaus mehr Völker als alle Missionare vor und nach ihm. Zwischen diesen Missionsreisen kehrte er achtmal nach Europa zurück, um Spenden für den Aufbau weiterer Indianermissionen zu sammeln.

Gesundheitliche Probleme zwangen ihn schließlich dazu, sich 1873 nach St. Louis in das jesuitische Mutterhaus zurückzuziehen, wo er am 23. Mai im Alter von 72 Jahren starb. Er liegt heute auf dem Calvary Cemetery der Stadt begraben.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die aktuelle Ausgabe

 

 

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.