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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit William Henry Jackson?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit William Henry Jackson?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 4. April 1843 wurde einer der bedeutendsten amerikanischen Künstler und Fotografen des 19. Jahrhunderts geboren: WILLIAM HENRY JACKSON.

Ich habe in einem Artikel über frühe Fotografen einmal geschrieben, dass sie „die Augen der Welt“ waren, weil sie in einem Zeitalter ohne TV, ohne Internet, den Menschen die Wunder und Schrecken, die Größe des Lebens und die überwältigende Vielfalt unseres Planeten visuell zugänglich machten. Das traf auf WILLIAM HENRY JACKSON zu.

Er kam als erstes von 7 Kindern einer New Yorker Familie zur Welt. Seine Mutter war eine talentierte Malerin, und auch William begann schon als Kind zu malen und zu zeichnen. Als 19jähriger hatte er bereits einen gewissen Ruf als Künstler in New York.

Im Oktober 1862 meldete er sich freiwillig in die 12. Vermont Infanterie und diente im amerikanischen Bürgerkrieg. Er nahm an der Schlacht von Gettysburg teil. Am 14. Juli 1863 wurde sein Regiment ausgemustert. Von da an arbeitete Jackson als Künstler.

Nach einer unglücklichen Liebe bestieg er einen Zug nach Westen und reiste 1866 nach Omaha (Nebraska). Hier schloss er sich einem Frachtwagenzug nach Salt Lake City an und arbeitete als Ochsentreiber – eine schwere, anspruchsvolle Aufgabe. Nebenbei malte er. Es entstanden eindrucksvolle Bilder von Planwagen auf dem Oregon Trail, von frühen Siedlerstellen und anderen Szenen der Eroberung des Westens.

Fasziniert von den neuen Möglichkeiten der Fotografie, die während der Bürgerkriegszeit ihren endgültigen Durchbruch erlebt hatte, schaffte er sich eine Plattenkamera an und eröffnete 1867 in Omaha ein Studio. Von hier aus bereiste er regelmäßig die Umgebung und besuchte Indianerdörfer. Es entstanden eindrucksvolle Fotos von Osagen, Ottoes, Pawnees, Winnebagos und Omaha-Indianern.

Die Direktoren der Union-Pacific-Eisenbahn – die ihr Hauptquartier in Omaha hatte – wurden auf Jacksons Fotos aufmerksam und engagierten ihn, um den Eisenbahnbau und die Landschaften am Schienenstrang zu fotografieren. Mit diesen Bildern warben sie um Reisende, aber auch um Siedler, die das Land beiderseits der Gleise pachteten. Diese Arbeiten wiederum beeindruckten den jungen Wissenschaftler Ferdinand Hayden, der den Auftrag hatte, eine Expedition von Geologen und Landvermessern zur Erkundung der Yellowstone-Region zu organisieren. Das Ergebnis dieser Erforschung war die Schaffung des ersten Nationalparks der Welt. Hayden heuerte Jackson als offiziellen Fotografen dieser Expedition an.

1871 begleitete Jackson die wissenschaftliche Erforschung des heutigen Parkgebiets und fertigte die allerersten Fotografien des Yellowstone-Gebiets an. Es entstanden Bilder der berühmtesten Szenerien des Nationalparks, die bis heute faszinieren – die Wasserfälle, die Bergformationen, die vulkanischen Phänomene. Jacksons Fotos spielten eine bedeutende Rolle, als die Politiker in Washington sich für die Einrichtung des Yellowstone Nationalparks entschieden.

In jener Zeit war die Technik des Fotografierens extrem aufwändig und verlangte den Fotografen auch körperliche Höchstleistungen ab. Jackson arbeitete mit 3 verschiedenen Plattenkameras. Er benötigte mehrere Maultiere, die seine tonnenschwere Ausrüstung transportierten, sowie 5 Männer, die ihm assistierten. Das Nassplatten-Verfahren erforderte größte Genauigkeit und ein sicheres künstlerisches Auge. Für jedes Motiv hatte Jackson in der Regel nur einen „Schuss“. Er kletterte mit den präparierten Platten auf Berge und stieg in tiefe Canyons hinab, machte die Aufnahmen, deren Belichtung jeweils zwischen 5 Sekunden und 20 Minuten dauerte, und musste dann umgehend zurück zu seiner tragbaren Dunkelkammer, um die Bilder auf den Glasplatten zu fixieren, bevor die chemische Beschichtung eintrocknete. Jackson erinnerte sich später, das eines seiner Maultiere ausrutschte, stürzte, und die Platten zerbrachen. Damit war ein ganzer Monat Arbeit verloren.

Die ersten Fotos vom Old Faithful Geysir und der Grand Teton Bergkette waren für die Öffentlichkeit eine Sensation.

Jackson war auch der erste Fotograf, der Bilder von den Klippenbauten der prähistorischen Anasazi-Indianer in der Mesa Verde aufnahm.

Jedes Jahr zog er monatelang durch die unberührte Wildnis des amerikanischen Westens und dokumentierte die Wunder der Natur, das Vorrücken der Pioniere, die Reste der indianischen Kulturen – das ganze geschichtliche Kaleidoskop der Besiedelung der Prärien und Plains.

Von 1890 bis 1892 arbeitete er wieder für Eisenbahngesellschaften und fotografierte für deren Werbeprospekte. Ab 1894 bereiste er Afrika, den Nahen Osten, Indien und Australien, sowie Asien, Russland, Europa, und schließlich auch Süd-Amerika. Es entstanden Tausende Fotografien, die heute in der Kongressbibliothek in Washington archiviert sind.

1897 übertrug Jackson die Rechte an seinen Bildern der „Detroit Publishing Company“ und wurde im Jahr darauf Direktor dieser Firma. Das Geschäft mit Postkarten und Kalendern boomte in jener Zeit, und Jackson brachte mehr als.10.000 Bilder in das Unternehmen ein. 1903 übernahm Jackson auch die Leitung der Druckerei. Nach 1910 waren die technischen Möglichkeiten des Fotodrucks so weit entwickelt, dass Abzüge in guter Qualität nicht nur auf Postkarten, sondern in großen Formaten hergestellt und gerahmt in hohen Stückzahlen verkauft werden konnten. Auf dem Höhepunkt des Erfolgs verkaufte Jacksons Firma fast 7 Millionen Fotodrucke in verschiedenen Formaten jährlich. Es wurden Kataloge gedruckt, mit denen die Vertreter der „Detroit Publishing Company“ durchs Land reisten. Die Firma stellte Künstler ein, die die schwarz-weiß-Fotos von Hand kolorierten. Läden wurden in New York, Los Angeles, aber auch in London und Zürich eröffnet.

Nach Ende des 1. Weltkriegs brach dieses Geschäft mehr oder weniger zusammen. Die Drucktechnik für Fotos veränderte sich abermals und wurde nicht nur besser, sondern immer billiger. 1932 wurde die Firma aufgelöst.

Schon 1924 war William Jackson in die Hauptstadt Washington D.C. gezogen. Er hatte den Auftrag erhalten, im neuen Gebäude des Innenministeriums Wandmalereien mit Motiven der Pionierzeit anzufertigen. Ferner wurde er als Berater bei der Produktion des Monumentalfilms „VOM WINDE VERWEHT“ angeheuert.

1936 kauften Henry Ford und sein Sohn Edsel – Gründer und Inhaber der Autofabrik Ford – 40.000 der Originalfotos aus William Jacksons Bestand. Sie gehören heute der Henry-Ford-Stiftung und liegen teilweise in der Library of Congress und in der Colorado-Historical-Society.

Seine Gemälde gehören dem Scottsbluff Nationalmonument, einer der bedeutenden Landmarken am Oregon Trail, der großen Planwagenroute nach Westen.

1942 starb William Jackson in New York City. Er wurde 99 Jahre alt. Insgesamt hatte er in seinem langen Leben um die 80.000 Fotografien – Glasplatten und Papierfotos – angefertigt. Er hatte die große Wanderung nach Westen erlebt, den Höhepunkt der amerikanischen Pionierzeit mitgemacht und bis ins Atomzeitalter gelebt. Er war auf Prärieschonern und zu Pferde durch die unberührte Wildnis gezogen und war im Automobil durch die großen Städte des amerikanischen Ostens gefahren.

Als Veteran des Bürgerkrieges wurde ihm ein militärisches Begräbnis auf dem Arlington Nationalfriedhof zuteil. Im Yellowstone Nationalpark ist der 2.509 m hohe „Mount Jackson“ nach ihm benannt.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2019Die aktuelle Ausgabe

 

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