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Goodbye 2014: Bleibt alles wie es ist

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneGoodbye 2014
Bleibt alles wie es ist

Über Bestseller und Nichtverkäufer, über Schließungen und Kämpfe gegen Amazon - darüber mögen gerne andere schreiben. Zumal das Thema Buchbranche gegen Amazon ja allmählich eine ermüdende Wiederholungs-Schleife hat, bei der alle Beteiligten langweilig-korrekt immer genau dasselbe Programm abspulen. Darüber lohnt sich echt kein Rückblick in das Jahr 2014. Und ehrlich gestanden:


Außer dem immer währenden Gezänk wegen Amazon und der These, dass der Online-Handel die Innenstädte leerfegt war ja auch ehrlich gestanden nichts, was 2014 irgendwie besonders gemacht hätte.

Na schön, Jaron Lanier erhielt den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Aber hat das irgendwelche weiteren Auswirkungen gehabt als ein paar Wochen eine hitzige Diskussion über Internet und Algorithmen? Hat Sobooks etwa dafür gesorgt, dass darüber nachgedacht wurde wie neuartige Leseportale und Modelle entstehen könnten? Jetzt hat Lobo ja indirekt nachgelegt, weil bei Sobooks die Kommentarfunktion ja neben den Passagen des Textes steht und nicht wie bei Zeitungen oder Online-Portalen untendrunter - ob sich dadurch das Troll-Problem wirklich vermindern lässt wie Lobo meint ist die Frage. Libreka wurde eingestellt und ist mit Buchhandel.de verschmolzen. Ja. War absehbar, so kompliziert wie das Herunterladen von dem einstigen Portal, als Waffe gegen Amazons eBook-Vertrieb gedacht, war ja selten etwas. Buchhandel.de ist zwar eine Spur freundlicher, aber die Branche hat ja auch immer noch darüber gemeckert, dass das Portal nach dem Launch nicht gerade wirklich fertig ist.

Hat sich aber wirklich Wesentliches getan? Sind wir in der Frage was die Buchbranche vorantreibt und was sie im Zeitalter der Digitalisierung an Chancen nutzen könnte, sind wir bei der Frage nach der Verbindung von Offline und Online wirklich weiter, ja, sind grundsätzliche Fragen geklärt worden in diesem Jahr? Also eigentlich nicht. Das ist schade, denn je länger man über die Grundfragen nicht redet, desto schwieriger wird es später sein sie zu beantworten weil andernorts längst Fakten geschaffen werden. So wie Amazon das Kindle-Unlimited-Modell eingeführt hat - eine Faltrate fürs Bücherlesen ist nichts Neues, es nennt sich Bibliotheksausweis und bekanntlich ist das Modell der Onleihe auch nicht gerade neu. Zudem ist Amazon nicht der erste Anbieter, der so etwas macht, aber Amazon hat das meiste Material für so etwas und ist natürlich viel bekannter als Scribd etwa. Wie aber gehen wir damit um als Leser und als Autoren? Und welche Auswirkungen hat das für Selbstverleger, wenn die Einnahmen wegen des Models momentan sinken - wobei sich annehmen lässt, dass Amazon nicht unbedingt daran gelegen ist seine Autoren zu vergraulen weil sie sonst nichts hätten was den Kauf der Hardware stimulieren würde. Fragen jenseits des Hickhacks und jenseits der Gut-und-Böse-Schemata, die beim Thema Amazon unweigerlich immer aufkommen, sind aber: Warum steckt das Format eBook eigentlich immer noch in mehreren Softwareformaten fest und warum entwickelt sich daraus momentan nichts Kreatives? Haben wir nicht irgendwann mal vom Hypertext geträumt, bei dem mit Verlinkungen alles mit allem verbunden sein sollte? Wenn immer mehr Menschen auf ihrem Smartphone Bücher lesen - statt auf eBook-Readern - heißt dass, die Texte müssen extrem kurz sein? Bleibt die Langform dem Gedruckten vorbehalten und dominieren künftig nur Kurzgeschichten und eingedämpfte Texte in Kurzform den Markt? Und was heißt das für die Entwicklung der Lesekultur, wenn Kinder und Jugendliche heute sowohl mit dem eBook als auch mit dem gedruckten Buch in Kontakt kommen? Müssen sich Autoren also auf eine komplett andere Art des Lesens einrichten wenn sie ihre Texte schreiben?

Diese Fragen hat 2014 nicht beantwortet. Ebenso wenig lässt sich momentan erkennen wohin die Reise mit den eBooks geht. Offenbar befinden wir uns momentan in einer Zeit, die mit der Frühphase des Buchdrucks vergleichbar ist. Die ersten mit beweglichen Lettern gedruckten Bücher haben sich ja bemüht den Eindruck zu erwecken als wären sie von Hand geschrieben - etliche haben auch noch wunderschöne Initialen und Zeichnungen. Sie ahmen das nach, was bisher bekannt gewesen war und sind gleichzeitig aber doch etwas Neues. Bis zur Erfindung des Taschenbuches dauert es noch einigen Jahrhunderte - Quarto und Folio als Formate sind ja auch nicht über Nacht entstanden und bis Rowohlts Rotations Romane die Bücherschränke eroberten und mit dem Offsetdruck ein Standard gefunden war, der heute noch in Gebrauch ist - bis dahin hats doch etliche Jahrhunderte gedauert. Die Rotations-Romane sind sogar erst im letzten Jahrhundert erfunden worden, kurz nach dem zweiten Weltkrieg. Vielleicht ist es daher zu früh um zu fordern, dass sich das eBook als Format gestalterisch in kürzerer Zeit entwickeln soll. Ja, mag sein. Mag sein, dass PDF und PDB und das Kindle-Format sich noch einige Jahrzehnte halten - vorausgesetzt man kann die Formate später noch lesen, über die Archivierbarkeit von eBooks und Apps mit Buchinhalten macht man sich momentan allerdings ja auch kaum Gedanken. Mag sein. Dass die Welt der Verlag ein Wandel ist wird auch kaum einer bestreiten. Aber: Wenn die Branche sich nicht allmählich wirklich Gedanken darüber macht wie sie sich weiterentwickelt werden das Andere für sie tun. Siehe Amazon. Siehe Apple.

Was uns mit Sicherheit 2015 weiter beschäftigen wird ist das Thema Amazon und der stationäre Buchhandel. Drohnenlieferung? Hier in Deutschland? Von Amazon? Nicht vor 2020, wenn überhaupt - wir haben hier immerhin andere Gesetze. Amazon wird aber sicherlich noch weitere Schritte hin in Richtung Verlagshaus machen. Also mit gedruckten Büchern. Und abzusehen ist jetzt schon: Es wird definitiv Ladenlokale geben. Vielleicht nicht schon nächstes Jahr, aber sie werden kommen. Wenn Amazon Ladengeschäfte aufmachen sollte wird das sicherlich noch mehr die Filial-Landschaft durcheinander bringen als die Pleite von Weltbild das im letzten Jahr getan hat. Thalia und Co. scheinen das Ende der Expansion erreicht zu haben. Selbst wenn die Pleite von Ozelot bewies, dass man vielleicht intensiv darüber nachdenken sollte was man zuerst anpackt und was danach - bekanntermaßen verzögerte sich der Online-Shop so sehr, dass Geldeinbußen die Folge waren - werden kleinere Buchhandlungen immer noch präsent sein. Auch wenn sie sich vielleicht eher fokussieren. Mit der Vielfalt von Amazon, BOLs oder Buch.de-s Webshops können kleine Buchhandlungen eh nicht konkurrieren, sie werden daher andere Wege finden müssen um Leser an sich zu binden. Hoffentlich nicht wieder irgendwelche merkwürdigen Sticker wie neulich Proust in Essen. Was im letzten Jahr zwar großartig angedacht war, was aber dann wieder nicht so ganz groß rauskam sind Plattformen für neue Autoren - da haben die Verlage zwar einige ins Netz gestellt, ob diese ein Erfolg waren oder nicht ist aber bisher wohl noch nicht raus. Hier sind sicherlich noch einige Dinge zu erwarten. Ebenso bleibt Sobooks im Auge und die ein oder anderen neue Plattform oder neue Software für Autoren und Leser wird sicherlich auch noch auf den Markt kommen. Und hoffentlich können wir uns 2015 den grundlegenderen Fragen widmen statt uns wieder nur darum zu knebbeln ob Amazon nun gut oder böse ist. Wäre schön. Echt.

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