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Faszinierende Nummern - 50 Jahre Science Fiction im Heyne Verlag

50 Jahre Heyne SFFaszinierende Nummern
50 Jahre Science Fiction im Heyne Verlag
Die ersten 25 Bände

Als vor zehn Jahren das 40-jährige Bestehen der Taschenbuchreihe „Heyne Science Fiction & Fantasy“ gefeiert wurde, gab der Münchener Verlag eine aufwändig gestaltete zwölfbändige Jubiläums-Edition mit den wichtigsten Werken und eine umfangreiche Jubiläumsanthologie mit den schönsten SF-Stories der vergangenen vier Jahrzehnte heraus. Die Fach-und Fanwelt würdigte zudem ausgiebig die Leistungen des Heyne Verlags auf dem Gebiet der Science Fiction in Deutschland.

 

Lancelot Biggs WeltraumfahrtenSo blieb Hardy Kettlitz im Berliner Magazin „Alien Contact“ nur noch übrig, „Heyne für die vielen wunderbaren, spannenden und großartigen Bücher (die langweiligen und uninteressanten übersehen wir aus diesem Anlass einmal) zu danken und uns allen zu wünschen, dass auch in Zukunft noch viele weitere Highlights erscheinen“.I

Dieser Wunsch sollte wohl in Erfüllung gehen, dennoch blieb nicht alles so, wie es war. Denn damals stand der Traditionsverlag Heyne, der sich 1958 als Taschenbuchproduzent auf dem bundesdeutschen Nachkriegsbuchmarkt etablieren konnte, vor tiefgreifenden Veränderungen. Verleger Rolf Heyne hatte kurz vor seinem plötzlichen Tod Ende 2000 den Verlag an die Springer-Gruppe verkauft. Niemand konnte zu dem Zeitpunkt ahnen, dass knappe drei Jahre später Springer den Verlag Heyne weiterreichte: an Randomhouse bzw. BertelsmannII.  Seitdem ist Heyne ein so genannter Imprint von Randomhouse, und „Heyne SF“ ist nach jetzt 50 Jahren zum Leidwesen der an eine einheitliche Nummerierung und auch Gestaltung gewohnten Sammler als eigenständige Reihe nicht erkennbar.

Das unterscheidet sich gar nicht so sehr von den Gründerjahren der Heyne SF. Denn die ersten Science-Fiction-Titel erschienen dort vor nunmehr 50 Jahren ebenfalls innerhalb des völlig unspezifischen Nummernraums der Allgemeinen Reihe des Heyne Taschenbuch Verlags. Erst nach dem 25. SF-Titel wurde 1964 innerhalb des Taschenbuchprogramms die für die SF-Bücher typische Reihenkennzeichnung „06“ mit den Kennziffern ab 3000 eingeführt. Nachdrucke der ersten Titel liefen mithin unter den Nummern 06/3001, 06/3002 usw.III

Irrtum der MaschinenGleich der erste SF-Roman, den Heyne unter der Nummer 39 im Jahr 1960 veröffentlichte, entwickelte sich zu einem Best- und Longseller: „Die Triffids“ des englischen Autors John Wyndham schockte als „Zukunftsroman“ und „faszinierende Zukunftsvision“ (so die Bezeichnung auf dem Titel) das bundesdeutsche Lesepublikum. Die Natur, durch riskante menschliche Eingriffe gepeinigt, schlägt zurück. Mehr als 100000 Exemplare in verschiedenen Ausgaben hat Heyne von diesem Klassiker inzwischen abgesetzt.

Das gilt auch für den zweiten Heyne SF Band, der als Nummer 58 in der Allgemeinen Taschenbuchreihe erschien: In „Die unglaubliche Geschichte des Mr. C.“ von Richard Matheson schrumpft ein Durchschnittsamerikaner auf Däumlingsgröße und hat fortan als kleiner Mann große Probleme – unter anderem mit einer Katze und einer Spinne. US-Regisseur Jack Arnold hatte den Stoff bereits 1957 verfilmt, und der Streifen war auch im bundesdeutschen Kino und später im Fernsehen ein großer Erfolg.

Und der dritte Schocker folgte unter der Nummer 66 noch 1960 auf dem Fuße: „Donovans Gehirn“ von Curt Siodmak. Der in Dresden geborene und in die USA emigrierte Siodmak war einer der erfolgreichsten Autoren der 40er, 50er und 60er Jahre. Für seinen Bruder, den Filmregisseur Robert Siodmak, schrieb er zahlreiche Drehbücher. Sein Roman erzählt vom Versuch eines Hirnforscher, das Gehirn eines tödlich Verletzten künstlich am Leben zu erhalten.

Aufstand der RoboterGleich mit den ersten Titeln gelang es Heyne nach Ansicht der Fachleute, mit der SF im Taschenbuch auf dem Markt Fuß zu fassen. Bis dahin war Science Fiction vor allem etwas fürs Heftroman-Format gewesen. Jetzt hielt sie Einzug in ein Marktsegment, das ausgesprochene Literaturverlage wie Rowohlt oder Fischer eigentlich mit ihren Taschenbuch-Ablegern für sich beanspruchen wollten.

Der Grund für den raschen Erfolg der Heyne SF war, so der spätere Herausgeber Wolfgang Jeschke in einer Rückschau, „die richtige Entscheidung, zunächst nur Titel ins Programm zu nehmen, die ohne Vorkenntnisse naturwissenschaftlicher oder technischer Art verständlich waren und somit auch von einem Publikum gelesen werden konnten, das diese Art von Literatur überhaupt nicht kannte und hier zum ersten Mal mit ihr Bekanntschaft machte – vielleicht sogar ohne es zu merken.“IV


Dennoch brauchte es für die richtige Auswahl solcher Titel auch den richtigen Mann. Den fand Heyne beinahe eine Tür weiter im eigenen Haus. Seit 1957 betreute Günter M. Schelwokat die Terra SF-Reihe des Moewig-Verlags in München, und der gehörte (zumindest bis 1971) Heyne.

Die Großen aus der TiefeDer gebürtige Ostpreusse Schelwokat (Jahrgang 1929) war als Flüchtling nach München gekommen und gab nach Abitur und Studium in Bayern am Amerikanischen Generalkonsulat US-Diplomaten und Konsulatsangestellten Deutschunterricht. Er soll Ende der 50er Jahre mit 1200 Bänden über die größte private SF-Sammlung in Deutschland verfügt haben und galt als Experte in diesem für deutsche Verhältnisse neuen Literatur-Genre. Seine Kenntnisse machte er sich ab 1957 als Herausgeber und Betreuer der Heftroman-Reihe TERRA-SF und aller folgenden Reihen im Moewig Verlag zunutze. Moewig-Verlagsleiter Kurt Bernhardt, der Ende der 50er Jahre vom Erich Pabel Verlag in Rastatt zu Moewig in München gewechselt war, soll bei dem Engagement Schelwokats auch für die Heyne-Taschenbuchreihe eine wesentliche Rolle gespielt haben. Es war – wie in anderen Fällen – offenbar einmal mehr ein Glücksgriff BernhardtsV. Zu den besonderen Leistungen Schelwokats gehörte es nach den Erinnerungen Wolfgang Jeschkes auch, „sich einen Stab von Übersetzern heranzubilden, die die erforderlichen naturwissenschaftlich-technischen Grundkenntnisse mitbrachten (...) und sich gut genug auf dem Gebiet der amerikanischen SF auskannten, um sich auf ihre Übersetzungen zu spezialisieren.“VI  Birgit Reß-Bohusch, Wulf H. Bergner und Walter Brumm waren die Pioniere der ersten Stunde, nachdem zum Anfang auch Krimi-Lektor Werner Gronwald als Übersetzer ausgeholfen hatte.

Bis 1962 erschienen ausschließlich SF-Romane bei Heyne, dezent als „utopisch-phantastische“ oder „utopisch-technische“ Romane tituliert. Die Bezeichnung „Science Fiction“  tauchte höchsten im „Klappentext“ auf der Rückseite auf. Das waren Werke von Isaac Asimov („Der Mann von drüben“ und „Die nackte Sonne“) oder von Edmond Cooper, Jack Finney und H. L. Lawrence. Noch 1962 dann erschien der erste Band mit SF-Stories bei Heyne – eine Auswahl aus dem amerikanischen „Magazine of Fantasy & Science Fiction“. Wolfgang Jeschke erinnerte sich später: „Günter M. Schelwokat wählte dieses Magazin ganz bewusst, weil es nicht ausschließlich Hardcore SF brachte, wie das in den fünfziger Jahren führende ‚Analog Science Fiction/Science Fact’ von John W. Campbell, sondern auch phantastische Erzählungen brachte und stilistischen Experimenten gegenüber ausgeschlossener war und somit geeigneter, eine Leserschaft anzusprechen, die erst an die Science Fiction herangeführt werden sollte.“VII


Musik aus dem AllMit dem ersten Storyband  „Saturn im Mondlicht“, betitelt nach einer Geschichte von Arthur C. Clarke, trugen Heyne und Schelwokat auch dem Umstand Rechnung, dass SF im angloamerikanischen Raum immer noch zuerst als Kurzgeschichte veröffentlicht wurde. Die Zeit der mehrbändigen, ziegelsteindicken Romane war noch längst nicht gekommen.

Die Auswahl und die Übersetzung der ersten „Magazine of Fantasy & Science Fiction“-Bände besorgte Charlotte Winheller. Die deutsche Autorin (Jahrgang 1935), die in späteren Jahren einige Zeit mit dem Wissenschaftler und SF-Autor Herbert W. Franke verheiratet war und überraschend 1995 starb, betreute und übersetzte die ersten neun Auswahlbände des „MFSF“.VIII Danach übernahm Walter Ernsting kurzzeitig die Herausgeberschaft der deutschen Auswahl.

Die Story-Bände wechselten bis 1964 in schöner Regelmäßigkeit mit den Romanen. Zu den Autoren gehörten Chad Oliver, Robert Sheckley und A. E. van Vogt. Selbst ein Klassiker wie H. G. Wells tauchte unter den ersten 25 Bänden der Heyne SF mit einem Band Erzählungen auf. Nicht fehlen durfte auch der bundesdeutsche SF-Altmeister Karl-Herbert Scheer, der sich auf der Basis seiner Leihbücher aus den 50er Jahren und natürlich ab September 1961 auch mit der Perry Rhodan-Heftserie zu dem seinerzeit beliebtesten deutschen SF-Autor entwickelt hatte. Der Roman „Die Großen in der Tiefe“ erschien 1963 als Heyne Nr. 219 noch in der alten Nummerierung, Scheers Roman „Das Korps der Verzweifelten“ war 1964 dann mit Nummer 3026 der erste Heyne-SF-Band in der neuen Nummerierung.
Die ersten 25

I  Hardy Kettlitz: 40 Jahre Heyne Science Fiction, in: http://www.epilog.de/Bibliothek/Alien-Contact/Beitrag/AC38_Heyne_40_Jahre.htm

II  Der Fantasy-Anteil wurde seinerzeit mitsamt der verdienstvollen Lektorin Friedel Wahren an den Piper-Verlag verkauft.

III  Wolfgang Jeschke (Hrsg.): Science Fiction Jubiläumsband – 25 Jahre Heyne Science Fiction & Fantasy 1960 – 1985 - Das Programm, Wilhelm Heyne Verlag München 1985, Heyne SF & F Nr. 06/4100, S. 6

IV  Wolfgang Jeschke (Hrsg.): Science Fiction Jubiläumsband – 25 Jahre Heyne Science Fiction & Fantasy 1960 – 1985 - Das Lesebuch, Wilhelm Heyne Verlag München 1985, Heyne SF & F Nr. 06/4000, S. 17

Kenner der Szene haben es längst bemerkt: Bernhardt, Schelwokat, Moewig und Pabel sind Schlüsselnamen auch für die Perry Rhodan-Heftroman-Serie, die 2011 ihr 50-jähriges Bestehen feiert und deren Erscheinen in jenem Jahr, als Heyne SF startete, wahrscheinlich maßgeblich vorbereitet wurde. Die Querverbindungen zwischen Rhodan-Autoren wie K. H. Scheer und Heyne waren jedenfalls in den ersten Jahren der Heyne SF sehr augenfällig.

VI  Wolfgang Jeschke (Hrsg.): Science Fiction Jubiläumsband – 25 Jahre Heyne Science Fiction & Fantasy 1960 – 1985 - Das Lesebuch, a. a. O., S. 18

VII  Wolfgang Jeschke (Hrsg.): Science Fiction Jubiläumsband – 25 Jahre Heyne Science Fiction & Fantasy 1960 – 1985 - Das Lesebuch, a. a. O., S. 61

VIII  Wolfgang Jeschke (Hrsg.): Das Science Fiction Jahr Bd.11 – Ausgabe 1996, Wilhelm Heyne Verlag München 1996, Heyne SF & F 06/5380, S. 97

Kommentare  

#1 Thomas Knip 2010-10-30 02:14
"Die Großen in der Tiefe" von K. H. Scheer steht bei meiner Mutter bis heute im Bücherregal. Bin also schon mit der Muttermilch verdorben worden. :D Heyne SF&F, das waren schon klasse Jahr(zehnt)e ...
#2 Gerd 2010-10-30 04:31
Einspruch, Euer Ehren: Der Fantasy-Anteil (Von HSF&F) wurde keineswegs mitsamt der verdienstvollen Lektorin Friedel Wahren an den Piper-Verlag verkauft. Wie kommt man denn auf solche Ideen? Und wie soll das bitteschön gehen, eine Angestellte zu verkaufen?

Fakt ist, dass Friedel Wahren aus freien Stücken zu Piper gegangen ist, um dort die neue Fantasy-Reihe aufzubauen - und zwar zwei, drei Jahre bevor die Heyne-Fantasy an Piper verkauft wurde. Dass sie dann etwas später teilweise wieder mit den gleichen Büchern und Autoren zu tun hatte, die sie schon bei Heyne betreut hatte, ist eine Ironie des Schicksals ... ;-)

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