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Tiger, Führerscheine und Aufregung im Dorf

Teestunde mit Rolf...Moin Rolf, es geht mit einem anderen Tier als geplant weiter. Kerstin hat nach Chayenne gefragt. Jetzt erzähl was über die Katze. Oder doch nicht? Wie auch immer: Der Tee ist serviert...

Tiger, Führerscheine und Aufregung im Dorf

Die Erinnerungen an das Raben-Vieh muss ich grade mal unterbrechen, weil Kerstins Frage zur letzten Teestunde: »Was hätten die braven Bürger von Weimar wohl gesagt, wen du damals von Chayenne besucht worden wärst?« Wieder hat es bei dieser Frage in meinen Erinnerungen einen Kick gegeben – und wenn ich das dann nicht erzähle, dann versinkt die Episode wieder im Meer der Erinnerungen vergangener Jahre.

 

Teestundenfreunde wissen natürlich, wer ›Chayenne‹ ist. Das Tiger-Mädchen, das ich damals mit aufgezogen habe, weil meine Freunde Janine und Sascha Prehn (jetzt mit dem Circus Renz in Holland auf Tour), damals bei uns in der Nähe Winterquartier machten.

Ich hatte den kleinen Tiger damals recht oft bei mir zu Hause, wenn Janine und Sascha mal über ein oder zwei Nächte wieder Ruhe im Wohnwagen haben wollten – auch im eiskalten Winter leben sie ja im Wohnwagen. Einen kleinen Tiger aber kann man keine Sekunde alleine lassen – und selbstverständlich hat Chayenne bei Janine und Sascha mit im Bett geschlafen. Denn Chayenne aus dem Schlafbereich zu verbannen – das hätte bedeutet, dass sie den Wohnteil des Wagens zerschrotet hätte. Und bei mir hat das kleine Tiger-Mädchen selbstverständlich auch mit im Bett geschlafen ... keine Frage ...

Ja, da haben die Leute in Nassenerfurth dann hier gestaunt. Andere gehen mit dem Hund Gassi – und der ›Zirkusdirektor‹ - seit dieser Zeit hier mein Spitzname - eben mit einem immer größer werdenden Tiger. Zumal dieses kleine Raubtier mit besonderer Vorliebe die Kuhställe der Nachbarn inspiziert hat und sich grundsätzlich immer vor dem Edeka postieren wollte, weil die Leute dort sie eben bewundert und gestreichelt haben. Und das mochte Chayenne eben.

Da Kerstin Tiger-Mädchen Chayenne damals selbst erlebt hat (Kerstin und ich sind seit vielen Jahren gute Freunde), ist die Frage also berechtigt. Was wäre gewesen, wenn ...

Ja, in Ahnatal gab es eine andere Episode, über die das Dorf lange geredet und gerätselt hat. Es hat zwar konkret weder was mit Rabe Wotan und mit W.K.Giesa zu tun, aber es fällt eben in die knapp fünf Jahre, wo Werner und ich fast an jedem Wochenende zusammen waren und den Professor Zamorra auf seinen damaligen Kurs gebracht haben.

Hätte man Werner früher gefragt, wer denn ›die rechte und die linke Hand des Teufels‹ sind, dann hätte er nicht Terence Hill und Bud Spencer genannt, die in dem gleichnamigen Film die Hauptakteure waren. Nein, Werner Kurt Giesas Antwort hätte gelautet: »Finanzbeamte und Polizisten!«

Dass Werner auf die beamteten Vertreter des Fiskus einen wahren Hass entwickelte – der den gegenüber Volks- und sonstigen Kleinwagen noch weit übertraf – habe ich schon oft erwähnt. Nach seiner eigenen Rechnung schrieb er grob geschätzt jeden dritten Roman für das Finanzamt. Werner hat auch mal bei einem Termin in den ›heiligen Hallen‹ dem zuständigen Beamten allen Ernstes erklärt, dass er ja sein Arbeitgeber sei, weil es alleine sein Geld wäre, das diesem biederen Finanzamts-Mitarbeiter die Lebens- und Existenzgrundlage bildet.

War einmal im Gespräch der Begriff ›Finanzamt‹ gefallen, sprudelten Werners Erzählungen wie ein Wasserfall – die Thematik war seine ›unendliche Geschichte‹ - der zweite Teil war dann der Begriff ›Volks- und Kleinwagen‹. Und der dritte Teil der ›Unendlichen‹ ... das war ... die Polizei...

Wobei Werner eben hauptsächlich die Polizei meinte, die an Straßen und Autobahnen mit Geräten auf der Lauer liegen, wie weiland der Oberförster Kuno auf der Jagd nach dem weißen Hirsch. Und wie das Wild, aufs ›Blatt‹ getroffen schon tot ist, bevor es reagieren kann, so ist man als Autofahrer von der Kamera erfasst, bevor man auf die Bremse treten kann.

Die anderen Polizisten (heute machen das spezielle Hilfspolizisten der Ordnungsämter), die ›Knöllchen‹ für Parksünder schreiben und damit dem Fiskus nicht unbeträchtliche Gelder einbringen, mochte Werner zwar auch nicht. Aber die erste Sorte Polizei, die mit Radarfallen auf der Jagd ist, die hat Werner mit wahrer Leidenschaft gehasst. Und sie sind eigentlich auch der Anfang und der Anlass zu den Ereignissen, von denen ich jetzt erzähle.

Es war einer von Werners Geburtstagen, zu dem wir nach Lippstadt zur Feier ins Haus von seinen Eltern eingeladen waren. Nicht nur Hans, Peter und ich, sondern auch Karin und Jürgen Grasmück, besser bekannt als Dan Shocker. Wenn ich mich recht erinnere, war auch Uwe Schnabel mit dabei – damals für Jürgen so eine Art Privat-Sekretär. Und ich denke auch, dass es der Termin war, an dem W.K.Giesa auf Jürgens Ankündigung, der Zauberkreis - Verlag wolle eine neue Grusel-Horror-Serie mit realem Hintergrund bringen, so richtig ›aus dem Hut heraus‹ das Konzept für den ›Magier‹ entwickelte.

Die Sache passierte aber auf der Hinfahrt. Hans und Peter fuhren mit mir in der ›Glarelion‹ - einer fahrbaren Polstergarnitur Marke ›Mercedes‹ - in Richtung Lippstadt. Von der Autobahn bis zur Bundesstraße ist ein recht langer Zubringer und es dauert mehr als fünf Minuten bis zur nächsten Ampel, wo man dann wirklich vom Gas gehen sollte. Ich könnte heute noch nicht beschwören, auf der Strecke irgendwelche Schilder mit Tempo-Begrenzung gesehen zu haben.

Ich fuhr mit dem Daimler auf der Autobahn immer so schlappe 160 - und auf dem Zubringer waren es immer noch 140, mit denen ich der Geburtstagstorte näher rückte. Also, das war auf dieser Strecke nun wirklich nicht schnell gefahren. Werner ›heizte‹ seine ›Charraua‹ oder die ›Excalibur‹ (beides Opel-Commodore) auf Touren meist nicht unter 180 bis 200, was er als ›zügiges Fahren‹ bezeichnete und den Spruch: »Man will ja auch mal ankommen« als ›Entschuldigung‹ ständig ins Feld führte. Meine 140 ›Knoten‹ waren also durchaus eine ›moderate Geschwindigkeit‹ im giesa'schen Sinne.

Den Schuss aus dem Hinterhalt - naja, ob Förster oder damals Polizist, ist egal, weil alles ›Grüne‹ waren - habe ich auch gar nicht bemerkt. Aber die ›kleinen grünen Männchen‹, als ich auf die normale Straße einbiegen wollte, die hatten über Funk schon was mitbekommen und wussten ganz genau, wen sie an die Boxen winken mussten (allerdings ohne ›Boxen-Luder‹ - nun ja, damals gab es auch noch keine weiblichen Polizisten). Was die Kameraden von ›Grün-Weiß-Wiesbaden‹ wie sie bei uns in Hessen genannt wurden - bloß mit der roten Kelle wollten? Ich war mir absolut keiner Schuld bewusst.

Ja, die Herrn Polizisten meinten aber, da stünden an der Straße gut sichtbar Schilder mit Tempo-Limit. Erst mit 80 und dann mit 60 Kilometern pro Stunde. Und das bei einer gut ausgebauten, schnurgeraden Zubringerstraße. Aber das ist so wie mit den Myriaden von unnötigen und unlogischen Gesetzen – ihre Einhaltung muss peinlich befolgt werden – zumal, wenn Väterchen Staat was dran verdienen kann.

Aber danach wird bei der Polizei nicht nach gefragt. So konnte ich dann zum ersten Mal in einem VW-Bus unserer lieben Ordnungshüter sitzen, mein Personalien angeben um dann zu erfahren, dass ich so mit schlappen zweihundert Mäusen rechnen müsse, die das Staatssäckel auffüllen würden. Und Punkte in Flensburg gäbe es auch. Den Punkten habe ich dann weniger Bedeutung beigemessen als der Kohle.

Noch während ich da ›vernommen‹ wurde, kam über Funk eine Meldung durch, man hätte da jemanden beim zu schnellen Fahren erwischt mit einem ganz sonderbaren Namen. ›Grasmück‹ oder so...

Nun, wer Karin Grasmück kennt der weiß, dass sie genau so ›zügig‹ fährt wie damals Werner. Beide wurden, wenn es um ›zügiges Fahren‹ ging, nur von Kurt Brand übertroffen wurde, wenn der seinen BMW heizte, der selbstverständlich den Namen ›Point Of‹ führte – es stand sogar hinten am Wagen dran. Die Marke und den Namen hat Werner dann nach Kurts Tod übernommen ... seine BMW's hießen alle ›Point Of‹ - weshalb Hermann dann seinen Kadett ›Promet‹ nannte.

Dass Werners Geburtstagsfeier dann mit einem gemeinsamen Schimpfen auf die Polizei begann, muss wohl nicht erwähnt werden. Nun, die Strafe wurde bezahlt und die Angelegenheit vergessen. Wenn man Zamorra-Konzepte entwickelt und nebenher noch den bürgerlichen Beruf im Kasseler Rathaus bestreiten muss, hat man kaum Zeit, sich solche Lappalien noch im Großhirn zu speichern.

Ich war zwar dann nach meinem Umzug nach in Ahnatal – Weimar nicht mehr in der Langlauf-Szene vertreten – zumal ich ja mit Hans und den anderen Freunden aus Helleböhn aus dem Verein ausgestiegen war - aber die Verbindungen zur Szene waren noch da. Seit dem Urlaub in Jugoslawien, wo wir zufällig das gleiche Hotel hatten, war ich mit Wilfried gut befreundet. Seinen Nachname verschweige ich hier, aber in Sachen Langstreckenlauf ist Wilfried auch heute noch bekannt wie ein bunter Hund. Und – war damals ist Polizist und ist heute wie ich auch im wohlverdienten Ruhestand. Was ihn nicht daran hindert, als Organisator weiterhin Lauf-Veranstaltungen zu machen.

Nun hatte eben jener Wilfried in Kassel einen großen Lauf organisiert, zu dem Leute von weit her anreisten. Da musste es auch nach dem Lauf noch ein Abendprogramm geben – auch für die Leute, die im Hotel oder bei Sports-Freunden übernachten. Und zu einem Abendprogramm, da gehört auch Musik.

Das war die Zeit, als ich mit Hans Klipp schon die in einer früheren Teestunde beschriebene Städte-Werbungs-Tour auf dem ›Rheingold-Express‹ gemacht hatte und nebenher mit Orgel und Keyboards schon ein gewisses Alleinunterhalter-Programm drauf hatte. Denn mit der Band gab es kaum noch ›Geschäfte‹ und ich mache nun mal aus Passion Musik. Da ich mich der Langlauf-Szene natürlich noch verbunden fühlte, gab ich Wilfried gern meine Zustimmung, bei der Veranstaltung nach dem Lauf für das musikalische Rahmen-Programm zu sorgen. Kein Problem, am Samstag die Anlage zu laden, nach Kassel zu fahren und einen Abend ›Mucke‹ zu machen.

Ja, und dann passierte es. Ich wollte wie üblich morgens von Weimar nach Kassel zur Arbeit fahren. Über die Straße im Habichtswald zur Wilhelmshöher Allee, die direkt in die Innenstadt und damit zum Rathaus führt, wo ich ja damals beim Hauptamt meinen Schreibtisch hatte. Und am Bahnhof – wie er war, bevor man den großen ICE-Bahnhof gebaut hat, wurde ich recht forsch von einem Privat-PKW überholt – und als er sich vor mir nach Art eines Stunt-Mannes in den ›fließenden Verkehr einordnete‹ sah ich, wie eine Kelle aus dem Wagen gehalten wurde.

Um es kurz zu machen – es war der diensteifrige Hauptwachtmeister ›W‹, der mich da stoppte. Nach der Art, wie er mich überholt hatte, wäre vielleicht einem normalen Bürger die Fahrkarte geknickt worden. Aber das stand ja hier nicht zur Debatte.

Ob ich eben an diesem und jenen Zebrastreifen nicht gesehen hätte, dass das Fußgänger rüber wollten? Doch ja, aber die waren noch mindestens fünf Meter weg gewesen – und ich bin da eben noch rasch durch gehuscht. Das war seinerzeit so üblich auf der Strecke. Allerdings habe ich es dem Polizisten gegenüber völlig abgestritten, dass da überhaupt jemand gewesen wäre. Und er selbst war ja seinen eigenen Angaben mehr als 30 Meter hinter mir.

Können Polizisten, die sich wie jeder Verkehrsteilnehmer auf den eigentlichen Verkehr konzentrieren sollen, eigentlich alles am Straßenrand wahr nehmen? Das war aber für ihn nichts, was ihn interessierte. Er hatte eben gesehen, dass ich über den Zebrastreifen gefahren war, ohne anzuhalten. Er hatte s gesehen – also musste es so sein. Basta. Und das bedeutete Bußgeld und Punkte.

Nun, es stand Aussage gegen Aussage. Das sagte ich ihm auch - woraus er meinte, vor Gericht hätte er seinen Beamten-Eid. Nun, ich outete mich – denn einen Beamten-Eid hatte ich ja auch. Und dann kam sein unwiderlegbares Argument: »Aber ich bin Polizist!« - was die Wirkung eines Royal Flush beim Pokern hatte. Zu allen Ärger noch die Kosten eines verlorenen Prozesses – das musste ich nicht haben. Also wurde das Protokoll unterschrieben – merkwürdigerweise gibt es Polizisten, die ihr halbes Büro im Privat-PKW haben – und dann konnte ich weiter.

Ich weiß nicht mehr, wie viel mich die Sache gekostet hat – aber zu diesem Schreiben für die ›Löhnung‹ kam ein weiteres Schreiben, das ich nunmehr drei Wochen Fahrverbot hätte. Nicht gerade schön, wenn man die Arbeitsstelle nur mit dem Auto erreichen kann – aber auf diese Weise wusste ich, wie ich meinen Urlaub verplanen konnte. Immerhin war das gerade im Sommer – und mein damaliger Chef zeigte sich einsichtsvoll, dass ich auf diese Weise die drei Wochen Fahrverbot überbrücken konnte. An den Wochenenden war ich ja mobil, weil ich meinen ›Fahrer‹ hatte – wie man ja weiß, kam Werner fast an jedem Wochenende.

Natürlich habe ich den Zeitpunkt für die Abgabe des Führerscheins im zuständigen Büro so gelegt, dass es mit der allgemeinen Urlaubsplanung unter den Kollegen im Amt passte. Nur eine Sache passte nicht so ganz.

Zwei Tage nach Abgabe der ›Fahrkarte‹ war der Termin für die Läufer-Veranstaltung, wo ich Musik machen sollte. Und meine Anlage war schon von den Boxen her und der großen Hammond-Orgel (die gleiche, die John Lord von ›Deep Purple‹ hat) mit zwei Tonkabinetten – da war der Daimler bis unters Dach voll. Was ich heute an Keyboard und Anlage habe, passt in den Kofferraum vom Golf – die Zeit der großen und schweren Verstärker und Boxen ist vorbei.

Ja, nun ist ja Rache ein Gericht, das nach ›klingonischem Rezept‹ am Besten eiskalt genossen wird. Kaum hatte ich die damalige ›graue Pappe‹ einem Beamten beim Landkreis (in Weimar wohnte ich ja im Landkreis, der dafür zuständig war) abgegeben, als ich mich auch ans Telefon hängte und mit den Ausdrücken tiefsten Bedauerns Wilfried anrief.

Ja, die Sache wäre so und so gelaufen – ich könnte nicht fahren und die Anlage transportieren und sie sollten sich doch, bitteschön, vom Polizeihauptwachtmeister ›W‹ was auf dem Kamm vor blasen lassen. Ich würde ja gerne zu meinem Wort stehen. Aber die derzeitigen Umstände ... und so weiter ...

Den Polizeihauptwachtmeister ›W‹ kannte Wilfried und schimpfte wie ein Rohrspatz, wobei seine persönlichen Bemerkungen über diesen Herrn sicher bei Gericht verhandelt drei Monatsgehälter gekostet hätten. Aber über die Punkte von Flensburg konnte niemand. Dennoch schien er eine Lösung zu haben.

»Sei am Samstag um 14 Uhr bereit. Ich schicke einen Kumpel mit dem Wagen, der dich holt!« kam es kurz und knapp aus der Leitung. Hm ... naja, das mit dem Rückzugs-Gefecht war dann wohl nichts. Und mit der Rache auch nichts... also ging es am Samstag auf Mucke. Er würde schon einen Kumpel mit einem genügend großen Auto auftreiben

Es war nicht nur ein ›Kumpel‹ - es waren zwei. Weil in Polizei-Wagen ja immer zwei ›Grüne‹ sitzen – für die Nachgeborenen – damals trugen in Deutschland die Polizisten grüne Uniformen – heute sind es blaue ›Kutten‹ und nur böse Zungen behaupten, dass man die Farbe der Kleidung dem Zustand angleichen wollte.

By the way - mal aus eigener Erfahrung gesagt – die Zeiten, wo es in Amtsstuben noch Alkohol während der Dienstzeit gab, die sind lange vorbei – auch wenn es sie mal gegeben hat. Aber vor ca. 20 Jahren hat da ein Umdenken statt gefunden – ähnlich wie mit dem Rauchen. Für Alkohol und Nikotin sind Behördenstuben heute – egal welche Behörde und welche Dienststelle – absolutes Sperrgebiet. Und das ist auch gut so. Für die heutigen jungen Beamten und Angestellten sind diese ›Geburtstagsfeiern‹ so weit entfernt wie für uns der morgendliche ›deutsche Gruߋ im Büro.

Um es kurz zu machen – um 14 Uhr kam ein VW-Bus der Polizei mit zwei uniformierten Beamten bei mir vor dem Haus vorgefahren. Das war im Dorf so ›zur besten Sendezeit‹ und ging wie ein Lauffeuer rum. Beim ›Fürst‹ ist die Polizei. Und schon gingen die Spekulationen los.

Natürlich wurde ›Meister Martin‹, mein bereits in der letzten Teestunde erwähnter Vermieter, über die Umstände informiert. Aber dem bereitete es eine diebische Freude, die Gerüchteküche in Weimar brodeln zu lassen, was das den alles zu bedeuten hätte, dass die ›Bullen beim Fürst wären‹. Immerhin hätten die Polizisten jede Menge Musikinstrumente und Verstärker aus dem Haus geschleppt. Vielleicht gestohlen - wie ich später gehört habe, wären diese Spekulationen teilweise Grundlagen für ein Heft im Sektor ›Deutscher Heimat-Roman‹ geworden.

Man wunderte sich im Dorf nur, dass die Polizei nicht auch noch das Waffenarsenal bei mir beschlagnahmt hätte. Nun, Werner ließ manchmal einiges aus seiner Waffen-Sammlung aus irgendwelchen Gründen bei mir. Ich hatte damals alle zwei Wochen eine Frau aus dem Dorf, die meine Wohnung sauber machte – und dann natürlich was zu erzählen hatte, was bei mir abging. Einmal lief sie schreiend aus dem Haus und wollte es nie ... nie wieder betreten.

Der Grund – Willibald, den ich bereits in der letzten Teestunde wieder mal erwähnt habe. Werner hatte keine Lust gehabt, ihn wieder einzupacken, und so saß das Skelett eben eine Woche bei mir in einem der Sessel. Meister Martin und Familie kannten Willibald – nicht jedoch mein ›Fußboden-Masseuse‹.

Das biedere Frauenzimmer sah nur das Skelett, als sie ins Wohnzimmer kam, kreischte los wie in einem alten Horror-Film mit Bela Lugosi oder Boris Karloff und rannte aus dem Haus. Natürlich ging das im Dorf rum – aber die schon in der letzten Woche geschilderte Episode mit Willibald im Auto und den Schulkindern trug dazu bei, dass in diesem Fall nicht die Bevölkerung wie in einem der genannten Filme mit Fackeln, Sensen,, Mistgabeln uns sonstigen Dingen anrückte, um den ›Horror-Fürsten‹ zu vernichten.

Aber die Polizei, die den ›Fürsten‹ samt seiner ganzen Musikanlage mitnahm, das war für die biederen Bürger von Weimar der absolute Gesprächs-Stoff am Samstagabend. Zumal nicht ich die Sachen getragen hatte, sondern eben die Polizisten. Klar – wer Arbeit kennt und danach rennt und sich nicht drückt – der ist verrückt.

Der Abend lief dann für mich gut. Wo ich sonst meine schweren Sachen selbst tragen musste, hatte ich hier viele fleißige Helfer. Beim Aufbau wie beim Abbau. Gefallen hat es den Leuten auch – so um vier Uhr morgens konnte ich endlich abbauen. Und wurde natürlich wieder mit der ›Grünen Minna‹ nach Hause gefahren. Das war so gegen fünf Uhr morgens. Es war schon hell und einige Leute waren schon mit dem Hund unterwegs und der Nachbar – ein großer Bauer – hat das Vieh gefüttert. Es waren also genug Leute, die es gesehen hatten – weiter erzählten – und für neuen Gesprächsstoff sorgten.

Ja, so kam also der ›Fürst‹ nicht nur im ›Triumph‹ zurück, er hatte auch wieder seine grün uniformieren ›Lakaien‹, die sein Gepäck ins Haus trugen. Und weil es niemand wagte, mich anzusprechen (in Weimar hatte ich außer zu meinen Vermietern keine Kontakte zu den ›Einheimischen‹) - und Meister Martin die Leute abkochte, indem er ›von nichts wusste‹ und den Spekulationen freien Lauf ließ, hatte die Bevölkerung lange Zeit was zu reden.

Und das fiel mir eben spontan so ein, als Kerstin schrieb, was wäre gewesen, wenn ich damals gelegentlich einen kleinen Tiger gehabt hätte.

Ja, es hätte genau so Gerede gegeben wie an jenem Oster-Morgen nach dem Gottesdienst, als vor der Kirche ein Mann in schwarzem Umhang mit tief in die Stirn gezogenem Hut, auf einen Speer gestützt da stand, der einen Raben auf der Schulter hatte. Es war wirklich köstlich, das Minenspiel der ›guten Christen‹ zu betrachten. Ob sie allerdings wussten, was ich damit sagen wollte, bezweifele ich. Aber ich hatte den Umhang, der Stetson wurde etwas verformt, eine Augenklappe hatte ich auch, Werner hatte neben anderen Waffen auch einen Speer zurück gelassen – und als Krönung saß eben Wotan, der Rabe, auf der Schulter. Allerdings mit einer kleinen Kette um den Fuß gesichert.

Womit wir für die nächste Teestunde wieder beim Thema „Raben - Geschichten“ wären. Bis in einer Woche also ...
 

Kommentare  

#1 Kerstin 2012-02-09 13:16
Tja, Rolf, neulich habe ich noch geschrieben, dass ich es sehr bedauere, nicht solche lustigen Erinnerungen zu haben. Allerdings - auf solche Sachen wie Strafzettel und Punkte in Flensburg kann ich gut verzichten. Bisher hatte ich nie einen Punkt und muss das auch künftig nicht haben!

Oh, da fällt mir eine Stilblüte ein, die ich mir mal geleistet habe: Ich arbeite bei einer Spedition, muss mich also regelmäßig mit den Verstößen der Kollegen gegen die Straßenverkehrsordnung befassen. Als es mal wieder so weit war, fragte ich dann den betroffenen Fahrer: "Haben Sie den Ar*** voll Punkte?" Zum Glück hat er nicht gemerkt, wie zweideutig ich das unbeabsichtigt formuliert hatte.

Aber weg von Punkten und hin zu Streifen: Ich hätte gern mal Chayenne in Alraft spazieren geführt, allerdings nicht in der Nähe meiner Hühner, Kaninchen und Meerschweinchen!

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