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Der ›Schwarze Stein‹, Geschichte und Spaltung

Teestunde mit Rolf...Moin Rolf, weiter geht’s mit den Hintergründen des Islam. Erzähl weiter. Der Tee ist serviert ...

Der ›Schwarze Stein‹, Geschichte und Spaltung

Es ist schon interessant, wie manche Dinge, die ich in der Teestunde so kurz anspreche, dann Diskussionen auslösen. Diesmal die Frage nach dem, was nach dem Tod ist.

Ja, ich kann's euch leider nicht sagen, weil ich damals vor fast fünf Jahren nur vor der dunkelgrauen, pulsierenden Wand gestanden habe, durch die man mich nicht hineingelassen hat. Die recht grollende Stimme dahinter meinte, ich hätte hier noch was zu tun und ließ auch nicht mit sich diskutieren. Also bin ich, sicher zum Leidwesen einiger Leute, doch wieder da.

 

Hier, in meinem Versuch, den Teestundenfreunden die Historie und die Gedankenwelt des Islam etwas näher zu bringen, ging es jedoch nicht um fernöstliche Seelenwanderung oder christliche Erlösungsmystik, sondern ausschließlich über die Dinge des Paradieses in der Jenseitswelt, wie sie der Moslem nach den Worten des Koran zu glauben hat.

Denn im Koran sind ausschließlich Worte, die der Prophet Mohammed gesagt hat. Und das nicht von sich selbst, sondern der Erzengel Gabriel gab ihm das im Namen Allahs ein, dass er so und nicht anders vor dem Volk sprechen sollte.

Wir haben in der letzten Teestunde bereits über das Leben Mohammeds in Mekka und über seine Reisen als Karawanenführer gesprochen. Durch seine Ehe mit der Kaufmannswitwe Chadidscha war er für die Verhältnisse von Mekka ein reicher und wohl angesehener Mann geworden.

Ungefähr mit vierzig Jahren verspürte Mohammed die Berufung zum Propheten.

In Mekka war er, was religiöse Dinge anging, allerdings schon vor dem Auftreten als Prophet Allahs bekannt. Nämlich seit dem Tag, als man ihn dazu erwählte, die Person zu bestimmen, den ›heiligen Stein‹ in die neu aufgebaute Kaaba zu tragen und im Mauerwerk zu befestigen. Dieser ›Schwarze Stein‹, vermutlich der Überrest eines Meteoriten, befindet sich heute an der nordwestlichen Ecke der Kaaba, und das höchste Glück eines Pilgers ist es, beim siebenmaligen Umlaufen der Kaaba so nah an das Bauwerk heran zu kommen, dass es gelingt, den heiligen Stein zu küssen. 

Moment mal – neu erbaute Kaaba? Sagt der Mullah nicht, dass die Kaaba von Urväterchen Adam erbaut und in der Fassung von Väterchen Abraham heute noch steht?

Stimmt, das sagt der Mullah. Oder besser gesagt – das muss er sagen. Genau so wie der Papst mit seinen Kardinälen und Bischöfen auch Dinge sagen muss, die von den Historikern und sonstigen Wissenschaftlern längst widerlegt wurden oder als märchenhafte Ausschmückungen  der Erzählung einer frühen Zeit zu betrachten sind.

Auch in der Wüste gibt es gelegentlich mal gewaltige Regenfälle. Und dann werden die Wadis das, was sie mal waren – nämlich Flussläufe mit jeder Menge Wasser. Vielleicht ist durch mächtige Regenfälle auch das Grundwasser in der Oase gestiegen, durch die eine Wüstenstadt wie Mekka erst möglich war.

Jedenfalls war die alte Kaaba so unterspült, dass sie abgerissen werden musste. So jedenfalls heißt es in den moslemischen Überlieferungen. Es gab also nur eins: Der Bau musste völlig abgetragen und erneuert werden. Ob das allerdings tatsächlich die Kaaba war, wie wir sie heute kennen, da habe ich doch ernsthafte Zweifel.

In einer der vorhergehenden Teestunden habe ich schon geschrieben, dass aus einem Teil der Mauer von der Kaaba eine halbrunde Grundmauer herausragt, die an die Apsis einer Basilika, also einer christlichen Kirche erinnerte. Vielleicht hatte sich auch das Christentum in der Wüstenstadt Mekka „nicht so gut verkauft“, dass man es als lukrativer ansah, die alte Kaaba als Pantheon wieder herzustellen.

Wie wir ja wissen, war es im Christentum üblich, an den heiligen Stätten der Heiden christliche Kirchen zu errichten. Man kann davon ausgehen, dass die Kaaba, die ursprünglich in Mekka gestanden hat (also die von der Legende Abraham) von den Christen-Missionaren eingerissen wurde, um an ihrer Stelle eben eine Basilika-Kirche zu errichten.

In dieses Gemäuer konnten aber die arabischen Stämme, die zu den Märkten nach Mekka kamen, schwerlich ihre Götterbilder und sonstige Heiligtümer bringen. Also mussten die Familien, die Mekka beherrschten, sich etwas einfallen lassen, wie man wieder einen Tempel aller Götter – ein Pantheon - haben konnte. Ein Sakral-Gebäude, wo man, was die Vielzahl der Götter anging, alles nicht so eng sah und jeder Gott für die Dauer des Marktes gut unterkam, wenn dafür gezahlt wurde. Zusammenhänge mit dem Begriff ›Kirchensteuer‹ sind hier nicht von der Hand zu weisen.

Diese Dinge stehen nicht im Koran geschrieben, sondern im ›Hadith‹ und in der ›Sira‹. Das ›Hadith‹ bietet durch gesammelte Worte und Überlieferungen aus dem Leben des Propheten eine direkte Ergänzung  zum Koran. Die ›Sira‹ ist ein Versuch, im achten Jahrhundert, eine Chronologie von Mohammeds Leben zu erstellen. Sie bilden bis heute die Grundlage für die ›Geschichtsschreibung‹ jener Tage.

Es darf also vermutet werden, dass sich die regierenden Familien von Mekka wieder entschlossen, für alle Götter wieder ›offenes Haus‹ zu machen. Ob es dann eine christliche Basilika oder was auch immer für ein Gebäude unterspült war. Jedenfalls wurde das Bauwerk abgerissen und neu errichtet.

Natürlich musste auch bei diesem Abriss erst mal ein mutiger Mann gefunden werden, der es wagte, Hand an das heilige Bauwerk zu legen.  Egal, ob der Christengott oder sonst ein anderer Gott, dessen Heiligtum hier gestanden hatte – hier musste man sicher vorsichtig sein. Eine Priesterschaft, die den Willen der Götter ganz genau kannte, wie das im Christentum üblich war, die gab es im arabischen Heidentum nicht.

Ich bin mir sicher, dass die Kaufmannsgilde von Mekka eine recht ansehnliche Belohnung für den kühnen Mann ausgesetzt hatte, der feststellen wollte, ob sich die Götter um ihre Immobilien in der Menschenwelt kümmerten.

Es fand sich dann ein gewisser Abd-Walid, der mit der Spitzhacke an der Mauer der Kaaba das gleiche Experiment machte, wie seinerzeit Bonifatius an der Donar-Eiche. Und natürlich auch mit dem gleichen Ergebnis. Egal, ob Hubal in seinem Heiligtum oder Crom auf seinem hohen Berg – die Götter kümmern sich nicht um ihre ›Büros‹ auf dem Planeten Erde.

Als Abd-Walid am nächsten Tag noch lebte und auch sonst keiner der Götter durch Unwetter, Sandsturm und was man sonst so als Gott noch drauf hat, seinen Unmut zeigte, wurde das Gebäude abgerissen und die Kaaba so errichtet, wie sie heute noch zu sehen ist. Jedenfalls wenn sie nicht mit dem schwarzen, mit Goldstickereien verzierten Tuch verhängt ist.   

Dann entbrannte der Streit unter den regierenden Familien, wer die Ehre haben sollte, den Stein neu aufzustellen. Der Rat beschloss, diese Entscheidung dem zu überlassen, der am Festtage zuerst den Platz vor der Kaaba betreten würde. Und das war eben Mohammed.

Klug, wie er damals schon war, und später als Prophet noch klüger manche Situation ausnutzen würde, ließ Mohammed den Stein auf seinem Mantel von den Oberhäuptern der vier angesehensten Familien tragen. Allerdings ist er diesen Herrn mit ihrer Last vorangegangen – und ich weiß nicht, ob die Clan-Chefs von Mekka damals begriffen haben, wie sehr sie von dem späteren Propheten damals schon „degradiert“ wurden. Seither aber galt Mohammed ibn Abdallah als einer der weisesten Männer im Rat von Mekka.

Schon Jahre vor einer „Berufung zum Propheten“ muss Mohammed über Gott und Religionen gegrübelt haben. Immer wieder zog es ihn zum Berg Hira, einem Tafelberg nordwestlich von Mekka, wo er in der Einsamkeit wie die Propheten des Altertums und auch wie Johannes der Täufer oder Jesus von Nazareth die Erkenntnis Gottes suchte.

Eine Erkenntnis, die ihn irgendwann überkam. Für Mohammed war es, als ob der Erzengel Gabriel zu ihm redet. Dieser zu den „ersten der Engel“ gehörende Bote Gottes, der sich Mohammed durch seinen Engel unter dem Namen ›Allah‹ offenbarte.

Dass ›Allah‹ bereits einer der Götter Mekkas war, der sein Standbild in der Kaaba hatte und vermutlich sogar mit Hubal, der Hauptgottheit Mekkas identisch war, habe ich schon erwähnt.

Mohammed sah, wie ihm der Engel ein Buch vorhielt und ihn aufforderte: »Lies!« Das Buch Allahs, in dem alles verzeichnet ist.

Mohammed war in die Einsamkeit gezogen, um Gott zu suchen. Und nun wehte ihn der Hauch der Ewigkeit an. Und zu dem Mann, der seit Tagen nur mit einer Flasche Wasser und einem Beutel Datteln in der Einsamkeit der Bergeshöhe seinem Gott nahe sein will, spricht dieser Gott in der Nacht in einer Höhle durch seinen Engel.

Und das erste und wichtigste Gebot, das Mohammed lernt – die erste Lehre, die ihm der Engel aufgibt zu bekennen und zu verkünden, ist zusammengefasst in einem einfachen Satz.

»Es gibt nur einen Gott!«

Eigentlich nichts Neues. Nicht nur die Juden und Christen, auch die Philosophen des alten Griechenland und Persien vertraten zum Teil diese Auffassung. Doch vergessen wir nicht, dass Mekka schon wieder seit einigen Jahren ins Heidentum zurückgefallen war. Und dass dieses Heidentum, von wenigen christlichen oder jüdischen Gemeinden in größeren Städten einmal abgesehen, die allgemeine Religion der Araber und Beduinen war.

„Es gibt nur einen Gott!“

Diese Lehre sollte Mohammed verkünden. Und vom Berg Hira zurückgekehrt, war er sich selbst unsicher, ob er nicht einer Halluzination zum Opfer gefallen war. Heimlich vertraute er sich Chadidscha, der mütterlichen Geliebten an. Und – anstatt wie andere Frauen das sicher getan hätten, ihrem Mann diese Flausen auszureden und ihn höchstens zu fragen, ob das wirklich Wasser war, was er bei seinem Weg auf den Berg in der Flasche hatte – bestärkte Chadidscha Mohammed in dem Bewusstsein, dass Gott ihn tatsächlich durch seinen Engel gerufen hatte.

Deshalb wird Chadidscha bei den Moslems wie eine Heilige verehrt. Dieser klugen Frau war sicher auch klar, was es bedeutete, wenn ihr Ehemann diese Lehre in Mekka verkündete. Denn damit stellte er sich gegen die ›religiöse Toleranz‹ der Kaaba, wo eben jeder Gott Zutritt hatte und man vermutlich auch gegen Gebühr ein christliches Kreuz zwischen einen Steingötzen aus Jathrib und den Fetisch eines reisenden Beduinen-Stammes gestellt  hätte. Wie die Götter hießen und welche Macht sie angeblich ausübten, das sah man in Mekka nicht so eng, wenn nur die Kasse stimmte.

Und dann kam plötzlich dieser anscheinend verrückt gewordene Kaufmann, der offensichtlich zwischen den Zeiten der Handelsreisen der Karawanen nicht Besseres zu tun hatte, als in den Bergen rumzukraxeln, weil man dort oben den Göttern näher ist. Aber sollte dieser Narr ruhig da oben sich von der Sonne das Gehirn ausbrennen lassen – man selbst würde an den Tagen, wo man zu Hause war, die Annehmlichkeiten des Hauses und der Stadt genießen. 

Und nun erschallt auf dem großen Platz vor der Kaaba plötzlich der Ruf:

»Preis sei Allah, dem Weltbeherrscher!
Dem All-Erbarmer! Dem Barmherzigen!
Dem König am Tage des Gerichts!
Dir allein wollen wir dienen
und dich allein rufen wir um Hilfe.
Führe uns die gerade Straße,
den Weg derer, denen du gnädig gewesen bist.
Nicht den Weg derer, denen du zürnst
und nicht derer, die in die Irre gehen!«

Dies ist die erste Sure des Koran. Die ›Fathia‹ - die ›Eröffnende‹. Das Hochgebet des Islam, das jedem Gebet und jeder Koranlesung voran gestellt wird. Diese Sure stammt aus den ersten Tagen, an denen Mohammed in Mekka predigte.

Mit den Leuten, denen Allah ›zürnt‹, sind die Juden gemeint, während die Christen jene sind, die ›in die Irre gehen‹.

Es hat jedoch noch einige Zeit gebraucht, bis Mohammed sich in Mekka als ›Gesandter Allahs‹ zu erkennen gab. Er hat den Berg Hira, und vermutlich auch den Berg Arafat, noch einige Male bestiegen, um sich vom Erzengel Gabriel unterrichten zu lassen. Die Botschaften Allahs, die er dort empfing, teilte er außer Chadidscha, der getreuen Frau an seiner Seite, nur seinen engsten Verwandten und Freunden mit. Unter ihnen Mohammeds Cousin Ali, der später durch die Heirat mit Mohammeds Lieblingstochter Fatima auch sein Schwiegersohn wurde.

Es kann als sicher gelten, dass dieser Ali nach Chadidscha der zweite Mensch war, der rückhaltlos die Worte Mohammeds akzeptierte und den Islam annahm. Von daher ist zu verstehen, dass sie Schiiten die drei  ersten „rechtgeleiteten Kalifen Abu Bekr, Omar und Othman als Nachfolger des Propheten nicht anerkennen, sondern der Meinung sind, dass nur Ali, der von Anfang an die Sache des Islam mit allen geistigen und körperlichen Kräften unterstützt hat, auch würdig war, nach dem Tod des Propheten die Nachfolge anzutreten.

Denn Mohammed hatte keine Vorsorge für sein Ableben getroffen und niemand hatte damit gerechnet, dass der ›Gesandte Gottes‹ so einfach wie jeder andere Mensch sterben könne. Auch wenn Mohammed immer wieder erklärte, er sei zwar von Allah als Verkünder seines Willens berufen – aber eben doch ein Mensch mit allen Fehlern und Schwächen – und nicht unsterblich.

Als der Prophet gestorben war, brach sofort der Streit diverser Familien aus, in dem sich Ali trotz seiner Nähe zu Mohammed nicht durchsetzen konnte. Er und seine Söhne sind für jene Zeit die tragischen Gestalten des Islam – und der Grund für die große Spaltung in Sunniten und Schiiten, die diese Weltreligion noch mehr entzweien, als der Alleinanspruch der römisch-katholischen Kirche gegenüber den Protestanten und den Orthodoxen.

Namen wie Ali, Abu Bekr und Omar, und später auch Mohammeds kindhafte Lieblingsfrau Aischa (nachdem Chadidscha gestorben war) oder der Gebetsrufer Bilal muss man sich merken, weil sie im Umfeld des Propheten in den folgenden Ereignissen mehr oder weniger wichtige Rollen spielen.

Und auch in der nächsten Teestunde werde ich versuchen, die wichtigsten Sachen aus den Anfangstagen des Islam so zu erzählen, dass ihr die Weltanschauung des Islam erkennt und die Probleme dieser Religion  begreift.

Bis in einer Woche also.

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