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Streithähne, Zweikämpfe und Gummischwerter

Teestunde mit Rolf...Moin Rolf, so, jetzt aber Rolf. Der AGSF-Con in Kassel. Was haben Hans und Du mit den Streithähnen gemacht. Erzähl, was in der Dönche passiert ist. Der Tee ist serviert...

Streithähne, Zweikämpfe und Gummischwerter

In der letzten Woche waren wir in der Dönche, dem ehemaligen Truppenübungsplatz und jetzigen Naturschutzgebiet, wo unsere Freunde für den Pfingstcon die Grillfete vorbereitet hatten und ihre Provision in Naturalien bereits kassiert hatten...

Die Con-Besucher, die am Treffpunkt am »Turm des Schreckens« eingetrudelt waren, kannten sich alle nicht persönlich. Nur von den Namen her – und natürlich von mehr oder weniger bösen Briefen und Pamphleten, die sie sich gegenseitig geschrieben hatten. 

 

Es lag eine Stimmung in der Luft wie in einer Manege, wenn man zum ersten Mal Löwen, Tiger, Eisbären, Leoparden und Braunbären als Gruppe zusammenstellen will. Ein falsches Wort, eine falsche Geste – und sie fallen übereinander her. Natürlich springen sie den zuerst an, der sie versucht, sie zu einer Gemeinschaft zusammen zu bringen.

Doch schon der herrliche Sonnentag und der gemeinsame Weg durch die Wiesen des Wildergeländes und das Überqueren des Dönche-Baches auf den Steinen brachten Gespräche anderer Art in Gang. Man kam sich näher und als die ersten Bratwürste verzehrt waren und die ersten Bierflaschen geöffnet sahen viele der Teilnehmer die Welt an sich und die interne Situation in der AGSF schon in einem ganz andren Blickwinkel.

Allerdings waren die meisten Leute enttäuscht, weil sie auf ein Con-Lokal gehofft hatten, wo man sich in der Jahreshauptversammlung so richtig die Meinung sagen und ›faschistoide Tendenzen‹ vorwerfen konnte. Nur – Hans und ich hatten in der Planung für die eigentliche Jahreshauptversammlung im Hinterzimmer einer Gaststätte terminlich auf den nächsten Tag verlegt. So gab es also die Möglichkeit vorab zu gewissen Aussprachen.

Und für diese „Aussprachen“ hatten der „Chef“ und ich uns was ganz besonderes einfallen lassen.

Und das war eine Abart des Theaterstückes »Der Trojanische Krieg findet nicht statt«. Obwohl ich als Kenner der alten Sagen aus der Ilias einiges übernommen hatte. Nämlich – die Zweikämpfe unter Kontrahenten wie Paris und Menelaos, die tatsächlich direkt etwas gegen sich persönlich hatten.

Bei uns Helleböhnern anstelle von Griechen und Trojanern wäre allerdings das Problem ›Helena‹ mit einer oder zwei Flaschen Whisky aus der Welt geschafft worden. Kein Grund, sich wegen einer Frau zu schlagen. Aber dann wäre der Menschheit ein unersetzlicher Schaden entstanden, weil die Wiege der abendländischen Dichtkunst gefehlt hätte. Also doch gut, dass es damals Grieche und Trojaner waren...

Und bei der AGSF und den innere Streitereien ging es ja um viel mehr als um eine Frau, mochte sie auch legendenhafte Schönheit haben. Es ging ums Prinzip. Und es ging um Worte, die man verschieden deuten konnte oder um Satzzeichen, die in andre Position gebracht einen völlig anderen Sinn des Geschriebenen ergaben.

Wobei es aber nach eben jener erwähnten Bierflasche und der Bratwurst schon so aussah, als hätten die Mitglieder der AGSF trotz aller Feindschaft auf dem Wege des geschriebenen Wortes doch nach persönlichem Kennen lernen einige Sympathien füreinander.

Zumal ich in einer kurzen Rede zur Begrüßung (Hans Klipp ist zwar der ›Chef‹ aber solche Sachen delegiert er gerne – auch heute noch) darauf hin wies, das wir als SF-Leute eigentlich eine Aufgabe haben. Und das wäre nicht, sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen.

Die Konflikte in der AGSF selbst und den einzelnen Mitgliedern untereinander sind im Club zwar wichtig, aber im Großen und ganzen nur Marginalien. Hans und ich wussten durch den »Time-Gladiator« und andere SF-Zines sehr genau, wer sich da mit geschriebenen Worten an die Gurgel wollte.

An oberster Stelle stand da ein gewisser und hier gelegentlich genannter Christian Worch, der uns damals allgemein zum Lachen brachte, weil er sich als Nazi bezeichnete. Er war damals ein schmächtiges Jüngelchen von ungefähr 15 Jahren mit einem echten Baby-Face. Seine Einstellung und sein Bekenntnis, er sei Nazi, brachte damals in einer Zeit, als gewaltsame Demonstrationen der verschiedenen kommunistischen Gruppierungen für jede Woche für Schlagzeilen sorgte, bei uns nur ein Kopfschütteln hervor.

Wir haben Worchs ›Gesinnung‹, wie schon berichtet, als jugendliche Spinnerei abgetan und die AGSF wollte sich ja um Science-Fiction kümmern und nicht wie der schon genannte linkslastige »AST« um die Politisierung dieser Literaturgattung.

Ich weiß nicht mehr, um was die Streiterei Christian Worchs mit seinem großen Gegenspieler aus dem Fandom ging. Nur eins ist sicher. Politik und ähnliches war es nicht.

Ach, jetzt möchtet ihr wissen, wer der große Gegner eines Christian Worch im Fandom der 70er Jahre war? Na, ich will nicht so gemein sein und jetzt sagen: »Lest das nächste Heft.«

Klar, richtig geraten – der Gegner war Werner Kurt Giesa, zu dem Hans und ich zwar schon guten, aber noch nicht den Kontakt hatten, dass man von echter Freundschaft reden konnte.

Damals gab es für kleine Rittersleute im Vorschulalter und Grundschule aus Gummi Rüstungen, Helme und auch Schwerter. Und zwei solche Schwerter hatte ich beschafft. Sie waren an sich harmlos – es sei denn, man bekam einen vollen Hieb auf die Finger. Das tat mächtig weh.

Also wurden nun die Feinde aus dem »Time-Gladiator« zu echten ›Gladiatoren‹.

»Tragt euren Streit wie Männer aus!« Mit diesen Worten bekamen Christian Worch und W.K. Giesa die Gummischwerter in die Hand gedrückt.

Bei den Anwesenden gab es erst mal volle Verständnislosigkeit. So was auf einem Con gab es plötzlich Action statt einer Diskussion? Das hatte es vorher noch nicht gegeben – und hinterher habe ich das auch nicht gehört. Zumal hier auch nicht gesagt wurde, wie denn die Regeln des Kampfes waren und wann er enden würde.

Nebenher gesagt, dass wussten Hans und ich auch nicht. Aber wir wussten, dass man als Ungeübter nach einigen Minuten intensiven Schwertfechtens, auch mit leichten Gummischwertern, ziemlich am pusten ist und die Welt danach ganz anders aussieht. Von dem Schmerz, wenn man mit so einem Ding mit der ›Schneide!‹ auf die Pfote genauen wird, mal ganz zu schweigen.

Protestgemurmel der Anwesenden wurde überhört und Christian Worch hatte die Sache als erster begriffen. Mit einigen Bewegungen zog er sich das Hemd vom Leib, um eben wie ein Gladiator im Cinecitta-Film mit blankem Oberkörper zu kämpfen.

Werner verzichtete zwar darauf, die Heldenbrust zu entblößen und war erst mal verwundert, weil er in die Sache nicht eingeweiht war. Aber als auf das Kommando »Kämpft!« Christian Worch mit dem wilden Schrei: ›Rache‹ auf ihn zustürmte wie Conan in seinen besten Tagen, packte auch ihn die Lust.

Nein, Werner lehnte diesen Kampf nicht ab, wie man vielleicht vermuten konnte aufgrund seiner Wehrdienstverweigerung. Ganz im Gegenteil. Wie auf dem Papier so rückte er jetzt mit dem Gummischwert seinem Kontrahenten aus Hamburg-Pöseldorf zu Leibe.

Ich bin sicher, dass bei diesem Kampf im Colosseum das römische Volk vor Begeisterung gerast hätte. Zumal sich selbst anwesende Leute von »AST« plötzlich von dieser Art, persönliche Differenzen zu erledigen, sehr angetan zeigten. Keiner war da, der die beiden Kämpfer trennen wollte, die da wie die ›Sieben Gladiatoren‹ aufeinander einhackten und Schmerzensschreie anzeigten, dass sie sich auch manchmal mächtig auf die Finger gehauen hatten.

An Christians nacktem Oberkörper waren auch die Treffer recht gut zu erkennen. Nein, wir hatten die Klingen nicht mit Farbe beschmiert. Werner hat, wie Christian Worch übrigens auch, voll zugelangt. Und wenn man mit der Schneide voll getroffen wurde, gab das einen schönen Bluterguss. Aber ›wahre Krieger‹ und ›harte Männer‹ lachen über diese Sachen.

Wie wir es so die alten Heldensagas lesen, lehnen sich irgendwann ›die Helden sich schweratmend auf die Schilde und riefen sich gegenseitig Schmähungen zu‹. Und wen sie wieder genug Puste hatten, dann gerieten sie wieder aneinander und hackten aufeinander ein. So ging das nach einer Weile auch bei den beiden Kämpfern aus Hamburg und Lippstadt. Sie gingen immer öfter auseinander, um zu Atem zu kommen.

Irgendwann stoppten Hans und ich den Kampf, der schätzungsweise fünf Minuten gedauert hatte, aber mit echter Rasanz und Einsatz geführt wurde. Und, was niemand erwartet hatte, Werner und sein Gegner gaben sich die Hände, griffen sich ihre Bierflaschen und zogen sich zurück, um miteinander zu plaudern.

Hans und ich hatten da schon das nächste Paar zusammen gestellt. Und danach kamen weitere Paare. Ich weiß nicht mehr, wer das alles war. Aber der Effekt war wie allen das gleiche wie bei W.K. Giesa und Christian Worch. Die Feinde von einst zogen sich miteinander zurück, um zu reden.

Als die Nacht herab sank, war innere Einheit der AGSF wieder hergestellt. Und die Hauptversammlung am nächsten Tag lief nicht nur friedlich ab, sondern wurde von Werner und Christian Worch damals gemeinsam dominiert. Sie hatten die Punkte, die sie jetzt gemeinsam vertraten, zusammengefasst und redeten jeden jeden Gegensprecher in Grund und Boden.

Ja, so war das damals....

Dass es einige Zeit später in der AGSF mit den Streitereien wieder los ging ist eine andere Geschichte und von einer weiteren Versammlung in Kassel habe ich schon in einer früheren Teestunde berichtet.

Aber an diesem Con-Wochenende trat noch etwas ein, was für W. K. Giesas weiteres Leben sehr wichtig war.

Obwohl weder ich noch irgendein anderer besonders Notiz davon genommen hat. Direkt neben dem ›Gasthaus Zur Dönche‹ traf Werner damals mit dem holländischen Agenten Norbert Zielschott zusammen, der SF-Produkte aus Werners nichtkommerziellen Verlag »Terra-Press« ins Flämische übersetzen und in den Niederlanden rausbringen wollten. Als Werner mir dann begeistert erzählte, dass er über diesen Holländer direkten Kontakt zu dem berühmten Dan Shocker bekommen würde und der eine eigene Romanagentur habe, zuckte ich nur mit den Schultern.

Was ging mich das damals an. Aber auch Werner hätte in seinen kühnsten Träumen damals die Entwicklung nicht voraus sagen können...

Kommentare  

#1 fabianf 2010-11-25 02:22
na, der schwertkampf hat ja wirklich was gebracht...

"aber ?wahre Krieger? und ?harte Männer? lachen über diese Sachen" - das setzt rolf zwar in anführungszeichen, aber offenbar findet er diese art der auseinandersetzung ja doch ganz angemessen.

es ist mir ein rätsel, wie man über herrn worch schreiben kann (und wenn man noch so viel nette fandomzeit mit ihm verbracht hat), ohne zu erwähnen, was er heute so tut. ich habe einige zeit auf der straße verbracht, um ihn und seine fascho-"kameraden" daran zu hindern, zum völkerschlachtdenkmal und sonstwohin zu marschieren, deshalb finde ich solch launige erinnerungen schwer erträglich. mir wird einfach nur kotzübel, wenn ich diesen namen höre.
#2 Harantor 2010-11-25 08:09
Dass Worch als Neonazi aktiv ist, hat Rolf doch schon geschrieben, in einer längst zurück liegenden Teestunde...
#3 Laurin 2010-11-25 09:54
Ich glaube, was Worch heute macht dürfte jedem bekannt sein. Andererseits gehört er nun mal zu den Erinnerungen dazu und ob man nun seine politischen Einstellungen mag oder nicht, halte ich in dem Punkt für zweitrangig da es hier ja nicht um Politik geht, da sollte man schon unterscheiden. Frau Merkel und Westerwelle sind für mich auch schwer erträglich, muß man aber auch mit leben.
#4 Kaffee-Charly 2010-11-25 18:12
Ja - an die Gummischwertkämpfe kann ich mich auch noch gut erinnern (grinssss...)
Haben wir beide nicht auch gegeneinander "gefochten"? Ich weiß noch, dass einige Con-Besucher (vor allem wir Lippstädter) auch einfach so zum Spaß einige Gummischwertduelle gefochten haben.
Und erinnerst du dich noch an den Con-Besucher, dessen Auto ich knacken musste, weil er seinen Schlüssel im Zündschloss hat stecken lassen?
(Witzig daran: der Mann war Polizist.)

Gruß
Kaffee-Charly
#5 Hermes 2010-11-25 18:23
@ Laurin

Ich hoffe mal, dass das nicht so gemeint ist, wie es da geschrieben steht! Zitat:
... ob man nun seine politischen Einstellungen mag oder nicht...


Und ein Vergleich Merkel/Westerwelle mit Rechtsradikalen verbietet sich ebenfalls. Zitat:
Frau Merkel und Westerwelle sind für mich auch schwer erträglich
Dir ist anscheinend nicht bewusst, was eine Verwirklichung rechtsradikaler Vorstellungen bedeuted. Da geht es nicht nur um Geld, da steht die gesellschaftliche Teilhabe, ja sogar die physische Existenz ganzer Gruppen wie Behinderte, ethnische Minderheiten und Migranten auf dem Spiel. Und auch auf die politschen Gegner wartet völlige Entrechtung, Zwangsarbeit und schlimmeres. Den Rechtsstaat, die Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit usw. kannst du dann auch getrost abschreiben.
#6 Laurin 2010-11-25 18:48
#4 Hermes:
Sorry, was ich hiermit meine ist einfach, daß man nicht gebetsmühlenhaft immer wieder darauf hinweisen muß wo Worch politisch steht. Dies weiß glaube ich jeder, und die Person Worch ausklammern nur weil er politisch dort steht, halte ich ebenso für falsch weil es im Artikel eigendlich kein Thema ist.
Das Merkel/Westerwelle rechtsradikal wären habe ich auch oben nicht behauptet. Wäre z.B. Merkel mal aktiv im Fandom gewesen, will ich auch nicht immer hören das sie ja Kanzlerin ist, sondern wissen, was sie wann, was und wo im Fandom gemacht hat. Gleiches würde auch für Gysi, Trittin oder irgendeinem prominenten SPDler gelten. Da wir uns aber hier mal wieder auch politisch äußern müssen (siehe oben) führe ich einfach mal an das Merkel/Westerwelle eben für mich auch nur (politisch) schwer erträglich sind! Will heißen: Lasst die politischen Aussagen und persönliche Bekenntnisse raus (dann muß ich überspitzt auch meinen Senf nicht dazu tun), denn da benötigen wir nicht mal die Rechtsradikalen um uns gehörig in die Haare zu kriegen. Demokratie hat nähmlich auch etwas damit zu tun, das ich auch mit Personen umgehen muß die nicht meinem Grundverständnis entsprechen.
#7 Hermes 2010-11-25 20:29
@ Laurin

Danke für die Antwort.

Ob wirklich alle jungen Leute wissen wofür Worch politisch steht?

Was das ausklammern angeht, sehe ich das allerdings so wie Du. Man muss die Tatsachen schon so nehmen wie sie sind bzw. waren.

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