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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit David G. Burnet?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit David G. Burnet?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Wer sich oberflächlich mit der Geschichte von Texas beschäftigt glaubt, dass SAM HOUSTON der erste Präsident und später Gouverneur – also Regierungschef – des Staates war. Das ist aber ein Irrtum.

Texas bildete nach seiner Revolution und der erkämpften Unabhängigkeit von Mexico zunächst eine freie Republik. Bevor es zur ersten regulären Wahl kam, bei der in der Tat Sam Houston zum Präsidenten gewählt wurde. gab es aber bereits eine Regierung mit einem Präsidenten. Das war DAVID G. BURNET.

Sein Name ist heute weitgehend vergessen, aber in der turbulenten Gründungsphase der Republik Texas spielte er eine nicht unbedeutende Rolle.

David Burnet wurde am 14. April 1788 – vor 234 Jahren – geboren. Er war sogar zweimal als Präsident und einmal als Vizepräsident im Amt.

Burnet stammte aus Newark, im Bundesstaat New Jersey und hatte in Cincinnati (Ohio) Jura studiert. 1805 arbeitete Burnet als Büroangestellter für eine Firma in New York, die in finanzielle Schwierigkeiten geriet. Burnet investierte all seine Ersparnisse in die Firma, um den Inhabern zu helfen. Aber der Bankrott war nicht aufzuhalten, und Burnet verlor bis zum letzten Cent sein Geld. Das konnte seine Abenteuerlust und seinen Ehrgeiz nicht bremsen. Er meldete sich zu einer Expedition, die in Venezuela gegen die spanische Regierung rebellierte. Danach kämpfte er auf der Seite von Rebellen in Chile um die Unabhängigkeit vom Mutterland.

Nachdem beide Aufstände scheiterten, kehrte er nach Ohio zurück. Er lebte zunächst bei seinen älteren Brüdern. Jacob Burnet wurde später Senator in Washington, Isaac brachte es zum Bürgermeister der Stadt Cincinnati.

1817 zog David Burnet nach Louisiana und eröffnete dort ein Geschäft, aber das feuchte Klima erwies sich als Gift für ihn. Er zog sich Tuberkulose zu und folgte dem Rat eines Arztes, nach Texas zu gehen, was seiner Gesundheit zuträglicher sein würde.

Burnet war körperlich schon so geschwächt, dass er auf dem Weg nach Texas in der Nähe des Colorado River vom Pferd fiel. Er wurde von Comanchen-Kriegern gefunden, die ihn mit in ihr Dorf nahmen und gesund pflegten. Er lebte zwei Jahre bei ihnen, dann kehrte er noch einmal nach Ohio zurück. Damit hatte er etwas mit Sam Houston gemein, der ebenfalls jahrelang bei Cherokee gelebt und zeitweise eine indianische Frau geheiratet hatte. Das sollte die einzige Gemeinsamkeit zwischen diesen beiden Männern bleiben. Ansonsten waren sie Rivalen und sich spinnefeind.

Nach seiner Rückkehr nach Cincinnati, schrieb Burnet eine Reihe von Zeitungsartikeln, in denen er seine Erlebnisse schilderte, und eröffnete eine Anwaltspraxis. Aber als er von der Gründung von Stephen Austins Kolonie hörte, brach er seine Zelte erneut ab und ging wieder nach Texas. Er ließ sich 1826 zunächst in San Felipe, unweit von Austins Wohnsitz, nieder und eröffnete erneut ein Anwaltsbüro. Aber nach anderthalb Jahren versuchte er, sich als Empressario selbständig zu machen – das war, wie Stephen Austin – ein Mensch, der von der mexikanischen Regierung ein großes Stück Land erhielt, um es für Kolonisten urbar zu machen.

Burnet war berühmt dafür, streng christlich eingestellt zu sein. Er trank keinen Tropfen Alkohol, hatte immer eine Bibel bei sich, und niemals kam ein Fluch über seine Lippen.

Sein Versuch, selbst zum Kolonisator zu werden, wie Stephen Austin, scheiterte. Er musste sein Land aufgeben und die Sägemühle, die er gebaut hatte, verkaufen, weil es ihm nicht gelang, genügend Siedler anzuwerben. Außerdem weigerte er sich, dem Katholizismus, der mexikanischen Staatsreligion, beizutreten. Burnet schloss sich danach den Kolonisten an, die die Unabhängigkeit von Mexiko anstrebten.

Er wurde zum ersten Richter in San Felipe, der Austin-Kolonie, ernannt und gehörte 1835 zu den Verfassern der Unabhängigkeitserklärung und der ersten texanischen Verfassung. Als juristisch ausgebildeter Mensch, war er einer der Organisatoren des provisorischen Parlaments der Aufständischen.

Während Santa Anna mit seiner Armee San Antonio erreichte und die Festung Alamo einschloss, ritt Burnet nach Washington-on-the-Brazos, wo das erste Parlament tagte. Im Gegensatz zu Houston plädierte er für Hilfe für die Besatzung des Alamo. Dazu kam es nicht. Am 17. März 1836 wählte ihn das texanische Parlament zum Präsidenten von Texas. Schon vor ihm hatte es zwei provisorische Präsidenten gegeben, Henry Smith wurde im Januar 1835 seines Amtes enthoben. Sein Nachfolger verschwand nur zwei Monate später.

Schon am 18. März ordnete David Burnet die Flucht seiner Regierung und des Parlaments aus Washington-on-the-Brazos an, um der Gefahr der anrückenden mexikanischen Armee zu entgehen. Von da an amtierte er in Harrisburg, von wo aus er im April 1836 noch einmal vor der mexikanischen Bedrohung flüchten musste.

Als Sam Houston mit der provisorischen texanischen Armee die Mexikaner am 21. April 1836 bei San Jacinto entscheidend geschlagen hatte, nahm David Burnet den gefangenen General und Diktator Santa Anna in seine Obhut und handelte mit ihm die „Verträge von Velasco“ aus, mit denen Mexiko die texanische Unabhängigkeit anerkannte. Nichtsdestotrotz machte sich Burnet damit äußerst unbeliebt, weil ihm vorgeworfen wurde, dass er Santa Anna vor der Hinrichtung rettete. Ihm wurden Hochverrat und Bestechlichkeit vorgeworfen.

Nach der Wahl von Sam Houston zum Präsidenten blieb Burnet trotzdem in der texanischen Politik aktiv. Er war ab 1839 Vizepräsident unter Präsident Mirabeau Lamar und amtierte 1841 noch einmal als Übergangspräsident der Republik, nachdem Lamar mehrere Wochen lang medizinische Behandlung benötigte und sein Amt nicht ausüben konnte.

Burnet kandidierte danach noch einmal gegen Sam Houston als Präsident. Dieser Wahlkampf offenbarte die bittere Feindschaft zwischen ihm und Houston. Houston nannte ihn einen „Schweinedieb“ und behauptete, Burnet habe sich von Santa Anna mit 250.000 Dollar bestechen lassen, um sein Leben zu retten. Burnet nannte Houston „einen halben Indianer“, und forderte ihn zum Duell. Dazu kam es nicht, aber er verlor die Wahl. 1846 wurde er unter Präsident Anson Jones zum Außenminister ernannt. Damit war er am Vorabend des Krieges mit Mexiko für den Anschluss von Texas als Bundesstaat an die USA verantwortlich. Er blieb auch Minister unter dem ersten Gouverneur von Texas, James Pinckney Henderson.

1866 bestimmte das Parlament von Texas ihn zum Senator, aber Burnet konnte dieses Amt nicht antreten, weil er während des Bürgerkrieges zu den aktivsten Konföderierten gehört hatte und die Radikal-Republikaner in Washington ihm den Zutritt zum Capitol verwehrten.

David Burnets Gesundheit verfiel in den letzten Jahren zusehends. Er war nicht mehr imstande, seine Farm zu bewirtschaften und musste das Land nach dem Tod seiner Frau verpachten. Er starb am 5. Dezember 1870 in eher ärmlichen Verhältnissen.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die aktuelle Ausgabe

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