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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Benjamin Franklin?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Benjamin Franklin?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 17. Januar 1706 wurde einer der bedeutendsten Männer der amerikanischen Geschichte geboren: BENJAMIN FRANKLIN. Er gilt als der vermutlich erste amerikanische Universalgelehrte. Er war Wissenschaftler und Politiker, Diplomat, Verleger, Schriftsteller, Erfinder und Philosoph und galt schon zu Lebzeiten als einer der klügsten Menschen seiner Zeit. Dazu war er einer der Gründerväter der USA und Unterzeichner der Unabhängigkeitserklärung. Seine wissenschaftlichen Leistungen betrafen die Physik ebenso wie die Elektronik und die Medizin. Davon profitieren wir noch heute; denn Franklin erfand den Blitzableiter.

Der große Historiker Henry Steele Commager schrieb über ihn: „Franklin vereinigte in sich die Tugenden des Puritanismus ohne seine Mängel, die Erleuchtung der Aufklärung ohne ihre Übertreibungen.“

Sein Leben kann man nicht in einem kurzen Facebook-Artikel wiedergeben. Ich skizziere nur die wichtigsten Daten.

Franklin stammte aus einer alten englischen Familie, die 1683 in die Neue Welt ausgewandert war. Der Vater war Farmer, Schmied, Seifen- und Kerzenmacher. Benjamin hatte 16 Geschwister. Er besuchte für zwei Jahre die Latin School in Boston. Sein Vater wollte, dass er Geistlicher würde, hatte aber nicht genug Geld, die Ausbildung zu finanzieren. Also arbeitete Franklin zunächst bei ihm und lernte später von einem Bruder das Druckerhandwerk.

Mit 17 Jahren lief er von Daheim fort, ging nach Philadelphia und arbeitete für Druckereien, als Ladenverkäufer und Buchhalter. Frühzeitig begann er selbst unter Pseudonym zu schreiben und gründete mit 23 seine eigene Zeitung, die „Pennsylvania Gazette“. Ab 1767 war er an der weit verbreiteten Zeitung „Pennsylvania Chronicle“ beteiligt und wurde damit wohlhabend. Dieses Blatt galt zeitweise als Speerspitze gegen die englische Verwaltung. Ferner trat Franklin hier entschieden gegen jede Art von Zensur ein. Frühzeitig propagierte er eine breit angelegte Allgemeinbildung der Bevölkerung und gründte um 1730 die erste Leihbücherei Amerikas. (Sie existiert noch heute als „Library Company of America“.) 1732 stellte Franklin hier den ersten Bibliothekar der Neuen Welt ein. Im selben Jahr druckte er die erste deutschsprachige Zeitung Amerikas, „Die Philadelphische Zeitung“. Er verlegte mehrere deutschsprachige religiöse Bücher. 1751 war Franklin an der Gründung einer Hochschule in Philadelphia beteiligt, aus der die „University of Pennsylvania“ wurde. 1769 organisierte er die „American Philosophical Society". Er amtierte als Postmaster von Philadelphia und wurde am 10. August 1753 zum Deputy-Generalpostmeister der Kolonien ernannt. Hier schuf er das erste Kommunikations-Netzwerk in den späteren US-Staaten. Er gehörte zu den einflussreichsten Stimmen für die Unabhängigkeit der Kolonien.

Franklin hatte einen Sohn, William, den er 1730 als sein Kind anerkannte. Er galt als „unehelich“. Niemand wusste, wer die Mutter war. Franklin nahm den jungen Mann in seinen Haushalt auf und finanzierte seine Ausbildung zum Juristen. William Franklin war der letzte königliche Gouverneur von New Jersey; er lehnte die Unabhängigkeitsbestrebungen seines Vaters ab und verließ nach Ende der Revolution mit dem englischen Militär das Land. Er lebte für den Rest seines Lebens in London und kehrte nie nach Amerika zu seinem Vater zurück.

Der Mann, dessen Portrait sich heute auf der 100-Dollar-Note der USA befindet, war der erste amerikanische Botschafter in Paris. Dass die Franzosen den Amerikanern zum Sieg im Krieg gegen England verhalfen, war zu einem großen Teil sein Verdienst. Ferner vermittelte er den deutschen Offizier Friedrich Wilhelm von Steuben an die Continental-Armee, wo Steuben sein legendäres Drillprogramm entwickelte, mit der er die amerikanischen Milizen zu „Soldaten“ machte.

Nach Gründung der USA amtierte Franklin ab 1785 als Gouverneur von Pennsylvania. Er war zwar selbst zeitweise Sklavenhalter, sprach sich aber schon ab Ende der 1750er Jahre gegen Sklavenhaltung und Sklavenhandel aus und plädierte für eine Integration schwarzer Menschen in die amerikanische Gesellschaft.

1736 schuf Franklin eine der ersten freiwilligen Feuerwehren in Nordamerika. Nachdem er 1751 an der Gründung des ersten Krankenhauses in den Kolonien beteiligt gewesen war, gründete er im Jahr darauf eine Versicherungsgesellschaft, die „Homeowners Insurrance Company“.

Im Juli 1775 wurde das US-Postministerium gegründet. Franklin wurde der erste Generalpostmeister der USA. Er schuf die Grundlagen und den Rahmen des amerikanischen Postsystems, dessen Strukturen bis heute in Kraft sind.

Auch während der Jahre, die er in London als Vertreter der Kolonie Pennsylvania zubrachte, engagierte er sich für wissenschaftliche Gesellschaften und erhielt u. a. von der berühmten Oxford-Universität einen Ehrendoktor. Von London aus bereiste er fast ganz Europa. Er hielt sich 1766 für zwei Monate in Deutschland auf. Wo immer er war, knüpfte er Kontakte zu Wissenschaftlern und einflussreichen Persönlichkeiten. 1785 gehörte er zu den Politikern, die den ersten Freundschaftsvertrag zwischen den USA und Preußen abschlossen.

Von 1776 bis 1785 amtierte Franklin als amerikanischer Botschafter in Frankreich.

Die meisten von Franklins Büchern – Ratgeber, Lebensweisheiten, philosophische Gedanken – fanden viele Leser. Einer seiner erfolgreichsten Texte war „Necessity of a Paper Currency“, in dem er 1729 nachdrücklich die Verbreitung von Papiergeld forderte. Ferner initiierte er erste demographische Studien zur Bevölkerungsentwicklung. Er leistete Beiträge zur Navigation, die jahrelang von britischen Kapitänen genutzt wurden. Er förderte die frühe Impfung gegen Pocken und andere Infektionskrankheiten.

Seine Autobiographie, die er 1771 begann und die erst nach seinem Tod erschien, gilt bis heute als internationaler Klassiker der biografischen Literatur.

Franklin litt seit seinen 40er Jahren an Fettleibigkeit, die verschiedene andere Krankheiten beeinflusste. Je älter er wurde, desto mehr zog er sich aus der Öffentlichkeit zurück. Er starb mit 84 Jahren am 17. April 1790 an einer Rippenfellentzündung. Angeblich waren seine letzten Worte: „Für einen sterbenden Mann ist nichts leicht.“ Mehr als 20.000 Menschen folgten seinem Sarg. Schon mit 22 hatte er seine eigene Grabsteininschrift verfasst in der es heißt: „Ich liege hier, Nahrung für die Würmer. Aber meine Arbeit ist nicht für immer verloren.“ Ein wahres Wort.

Neben dem Blitzableiter entwickelte Franklin die Bifokal-Brille für die Augenheilkunde, einen flexiblen Urinalkatheder und anderes nützliche Gerät. Er meldete keine seiner Erfindungen zum Patent an, weil er immer die Ansicht vertrat, sie sollten ungehindert anderen Menschen dienen. Noch zu Lebzeiten wurden ihm zahlreiche wissenschaftliche Auszeichnungen zuteil.

Sein Einfluss auf das Entstehen der USA war so groß, dass ein Historiker über ihn schrieb: „Er war der einzige Präsident der Vereinigten Staaten, der niemals Präsident der Vereinigten Staaten wurde.“ So war es, obwohl bis heute manche Menschen glauben, er sei einmal Präsident gewesen. War er nie.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die kommende Ausgabe

 

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