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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit John Singleton Mosby?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit John Singleton Mosby?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 6. Dezember 1833 wurde in Virginia ein Mann geboren, der als „Grauer Geist“ in die Geschichte des Amerikanischen Bürgerkrieges einging: JOHN SINGLETON MOSBY. Er war in jener Zeit einer der Helden der Konföderation, obwohl er sich zuvor explizit gegen die Abspaltung des Südens und den Krieg ausgesprochen hatte.

Sein 43. Bataillon der Virginia-Kavallerie wurde bekannt als „Mosbys Rangers“ oder „Mosbys Raiders“. Es zeichnete sich durch schnelle, kühne und entschlossene Partisaneneinsätze aus. Es tauchte blitzschnell scheinbar aus dem Nichts auf und verschwand ebenso schnell unter Hinterlassung größtmöglichen Schadens. Darauf beruhte die populäre Bezeichnung „Gespenster“.

Mosby stammte aus einer alten englisch-irischen Familie und erhielt eine gediegene College-Ausbildung. Da Mosby von eher kleiner schwächlicher Statur war, war er oft das Opfer von Gängeleien stärkerer Mitschüler. Er war 19, als er einen besonders aggressiven Studenten namens Turpin ins Genick schoss. Er wurde für 1 Jahr ins Gefängnis geschickt. In der Haft studierte er juristische Bücher. 1853 wurde er begnadigt, legte nach seiner Entlassung die Anwaltsprüfung ab und eröffnete in der Kleinstadt Howardsville eine Praxis.

1857 heiratete er in Nashville Pauline Clarke. Dem Paar wurden insgesamt 5 Kinder geboren.

1861 meldete sich Mosby als einfacher Soldat in die konföderierte Armee. Er nahm an der ersten Schlacht am Bull Run teil.

Im April 1862 beschloss der konföderierte Kongress das sogenannte „Partisan-Ranger-Gesetz“, das den irregular kämpfenden Teilen der Armee dieselben Rechte, Rationen und Sold einräumte wie den anderen Soldaten. Im Juni 1862 nahm Mosby als Scout für J. E. B. Stuart an der Peninsular-Kampagne teil und gehörte zu einem der spektakulären „Raids“ von Stuart hinter die feindlichen Linien. Am 20. Juli geriet er in Gefangenschaft. 10 Tage später wurde er gegen Unionsgefangene ausgetauscht.

Nach der Schlacht von Fredericksburg im Dezember 1862 sammelte Mosby eine Gruppe von Reitern aus Middleburg um sich und organisierte seine „Rangers“. Im Januar 1863 genehmigten Stuart und Lee, das Mosby das Kommando über das 43. Virginia-Kavallerie-Battaillon übernahm. Die Einheit wurde später Teil der „Army of Northern Virginia“. Sie existierte bis April 1865. Mosbys Rangers agierten zum Teil völlig unabhängig von der Hauptarmee. Sie bildeten nicht immer gemeinsame Militärlager, sondern lebten manchmal in zivilen Gemeinden, vereinigten sich aber jeweils für gemeinsame Unternehmungen. Das sorgte für Kontroversen im konservativen Militärstab, aber Mosbys Erfolge brachten die Kritiker weitgehend zum Schweigen.

Im März 1863 führte Mosby im Fairfax County einen Raid hinter die Unionslinien an. Dabei nahm er den US-General Edwin Stoughton, sowie 2 Captains und 30 Soldaten gefangen. Bei dem Unternehmen fiel kein Schuss. Mosby wurde danach Captain, wenig später Major. Im Mai 1863 plünderten die Rangers ein Depot der West-Virginia-Kavallerie. Im selben Monat fiel ihnen ein Versorgungstransport der US-Armee in die Hände. Im Juni überquerten sie den Potomac und attackierten ein Armeelager in Maryland. Im Januar 1864 wurde Mosby Lieutenant Colonel.

Seine Partisanen-Aktionen verärgerten U. S. Grant so sehr, dass er an General Sheridan schrieb: „Die Familien der meisten Mosby-Männer sind bekannt und können ergriffen werden. Ich denke, sie sollten in Fort Henry oder anderen sicheren Plätzen als Geiseln festgesetzt werden. Mosbys Männer, die ohne militärischen Nachweis aufgegriffen werden, sollten ohne Prozeß hängen.“

Im September 1864 wurden 6 von Mosbys Männern ohne Uniform gestellt. Sie wurden als Spione hingerichtet. Im November 1864 wählte Mosby als Antwort auf diese Affäre willkürlich 7 Unionsgefangene aus und befahl ihre Hinrichtung. Tatsächlich wurden 3 der Soldaten exekutiert. Im selben Monat vereinbarten Mosby und Sheridan brieflich, von weiteren Hinrichtungen abzusehen.

Mosby wurde mehrfach verwundet. Im Dezember 1864 entging er um Haaresbreite dem Tod, als ihn eine Kugel in den Leib traf. Zwei Monate später nahm er sein Kommando wieder auf.

Nach der offiziellen Kapitulation von Robert E. Lee im April 1865, wurde Mosby zunächst als „Guerilla“ gebrandmarkt. US-General Winfried S. Hancock setzte 5.000 Dollar Belohnung auf seinen Kopf aus. Mosby ergab sich am 17. Juni 1865 als einer der letzten CSA-Offiziere.

Der 31jährige Mosby eröffnete eine Anwaltspaxis in Warrenton und wurde in den folgenden Monaten häufig von der Militärverwaltung drangsaliert. Er wurde wegen kleiner Verstöße gegen die Besatzungsregeln verhaftet. Im Januar 1866 konnte seine Frau General U.S.Grant diese Probleme persönlich vortragen. Grant verfasste eine handschriftliche Note, mit der Mosby künftig vor Willkürmaßnahmen der Besatzungsverwaltung geschützt wurde. Im Mai 1872 hatte Mosby eine Unterredung mit dem inzwischen zum Präsidenten gewählten U. S. Grant, dankte ihm für seine Hilfe und schlug einige Maßnahmen in den besetzten Südstaaten vor, die zur Milderung der täglichen Konflikte führen sollten. Nur wenige Tage später brachte der ehemalige General und Abgeordnete Benjamin Butler ein Amnestie-Gesetz im Parlament ein, das Grant sofort in Kraft setzte. Grant schrieb in seinen Memoiren: “Nach Ende des Krieges lernte ich Colonel Mosby privat kennen. Er entsprach nicht dem Mann, den ich erwartet hatte. … Er ist fähig und durch und durch ehrenwert und vertrauenswürdig.“

Mosby wurde ein Freund Grants und überzeugtes Mitglied der Republikanischen Partei. Er sorgte dafür, dass viele arbeitslose konföderierte Veteranen wieder in Lohn und Brot kamen. Trotzdem wurde er in Virginia als „Wendehals“ beschimpft. Es gab Drohungen und Mordanschläge auf ihn.

Nach dem Tod seiner Frau und eines seiner Söhne 1876, zog Mosby mit seiner Familie nach Washington. Seine Anwaltspraxis ging schlecht. Er bat einflussreiche Republikaner um Hilfe und hoffte auf eine Beamtenposition im Justizministerium, aber der amtierende Präsident Rutherford Hays ernannte ihn zum Konsul der USA in Hongkong.

Nach seinem Eintreffen in China, stellte Mosby fest, dass sein Vorgänger illegale Geschäfte betrieben hatte. Seine Meldung nach Washington löste eine umfangreiche Untersuchung aus, die zu Entlassungen hoher Beamter und Diplomaten im Außenministerium führte.

Als Mosby seinen Posten als Konsul 1885 aufgeben musste, war es wieder U. S. Grant, der ihm half. Der bereits vom Tod gezeichnete ehemalige General und Präsident stellte einen Kontakt zwischen Mosby und dem Eisenbahnmagnaten Leland Stanford in Kalifornien her. 16 Jahre lang arbeitete Mosby von nun an als Anwalt der „Southern Pacific-Eisenbahn“. Mosby knüpfte weitreichende Beziehungen zu prominenten Zeitgenossen. Darunter war auch der jugendliche George S. Patton, der zu einem der populärsten Generale des 2. Weltkriegs werden sollte.

1901 kehrte Mosby nach Washington D.C. zurück. Der junge Präsident Theodore Roosevelt stellte ihn als Sonderermittler im Innenministerium an, um die illegalen Methoden der großen Rancher, der „Rinderbarone“, in Colorado und Nebraska zu untersuchen, die sich unrechtmäßigerweise Land aneigneten, das für Heimstättensiedler bereitgestellt wurde.

Danach erhielt Mosby die lange ersehnte Anstellung als Beamter im Justizministerium, wurde allerdings immer wieder als Sonderbeauftrager der Regierung bei internen Ermittlungen gegen Amtsträger eingesetzt, etwa bei Betrügereien in der Indianerbehörde.

Mit 76 Jahren ging Mosby in Pension und schrieb Bücher und Artikel über sein Leben. Mosby hatte während des Bürgerkrieges einen Sklaven von seinen Eltern geerbt. Er blieb nach dem Krieg in Kontakt mit diesem Mann namens Aaron Burton, der sich in New York niedergelassen hatte, und unterstützte ihn finanziell. Mosby beschrieb in seinen Erinnerungen, dass er immer ein Gegner der Sklaverei gewesen sei. Er führte aus, dass er gegen die Abspaltung, gegen die Konföderation und gegen die Sklaverei gewesen sei. Aber: „Der Süden war meine Heimat“, daher habe er natürlich in der Armee gekämpft. Bis zu seinem letzten Atemzug verteidigte er J. E. B. Stuart gegen den Vorwurf, er habe die Niederlage bei Gettysburg verschuldet. Und er verteidigte Grant, den er als „fair und mitfühlend“ beschrieb.

Im Januar 1915 verlieh ihm die „University of Virginia“ eine Ehrenmedaille, was Mosby als späte Rechtfertigung seiner Haltung vor, während und nach dem Bürgerkrieg ansah. Am 30. Mai 1916 starb er nach einer Kehlkopfoperation in Washington. Er liegt in Warrenton, Virginia, beerdigt.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die aktuelle Ausgabe

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