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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Richard Jordan Gatling?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Richard Jordan Gatling?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 4. November 1862, mitten im Amerikanischen Bürgerkrieg erhielt der Arzt Richard Jordan Gatling ein Patent für eine Erfindung; nein, nicht für ein medizinisches Gerät, dass Menschen Heilung bringen sollte, sondern für ein Maschinengewehr, das Tod und Verderben ausspuckte. Die sogenannte „Gatling Gun“. Damit wurde sein Name berühmt.

Gatling wurde am 12. September 1818 in North Carolina geboren. Von Kindesbeinen an war er ein Tüftler, der Freude an technischen Apparaturen hatte. Schon als Teenager experimentierte er mit Dampfkraft und Propellerantrieben. Er konstruierte landwirtschaftliche Geräte, wie etwa Sähmaschinen für Reis und Weizen, sowie Mähdrescher, die sich als sehr nützlich erwiesen. Er erlernte den Beruf des Kaufmanns, aber nach einer Erkrankung an Pocken, begann er sich für Medizin zu interessieren. Er schrieb sich an der medizinischen Hochschule von Ohio ein und verließ sie 1850 als Arzt. Gatling praktizierte jedoch niemals als Mediziner. Nach seinem Studium kehrte er zu seiner Berufung als Erfinder zurück. Bei Ausbruch des Bürgerkrieges 1861 begann er an einer schnellfeuernden Maschinenwaffe zu arbeiten. Ein Jahr später erhielt er das Patent und eröffnete sofort die „Gatling Gun Company“.

Gatling wollte mit seiner Waffe „Kriege begrenzen und Menschenleben schonen“, wie er selbst sagte, was nicht einer gewissen Ironie entbehrte. Mit dem Maschinengewehr würden – seiner Vorstellung nach – nur noch wenige Soldaten benötigt werden. Seine Idee basierte im Grunde auf einer Kombination von dem von Samuel Colt entwickelten Revolverprinzip und Gatlings eigenen Pflanzmaschinen. Ein Bündel von 6 bis 10 Läufen drehte sich um eine Mittelachse, angetrieben von einer Handkurbel, die auch die Schüsse auslöste. Jeder Lauf hatte seinen eigenen Schlagbolzen. Die Patronen rutschten aus einer Trommel in die Läufe, später war es ein Stangenmagazin. Das Laufbündel war erforderlich, um ein Erhitzen der Waffe zu vermeiden. Nach jedem Schuß rückte ein anderer Lauf nach vorn, so daß eine gleichmäßige Benutzung ermöglicht wurde.

Gatlings Äußerungen zeigten, dass er von militärischen Auseinandersetzungen ziemlich wenig verstand. Die meisten Soldaten im Krieg – nicht nur im amerikanischen Bürgerkrieg – starben nicht auf dem Schlachtfeld, sondern an Infektionskrankheiten und auch an Verwundungen durch später auftretende Blutvergiftungen.

Das erste Gatling-Modell funktionierte noch mit Papierpatronen; die Zündpistons rückten immer vor den oben stehenden Lauf und lösten den Schuß aus. Das Modell hatte noch das gewaltige Gewehrkaliber .58.

Die Versagerquote der Schüsse war erheblich. Immer wieder kam es zur Verklemmung von Pistons. Der Kraftaufwand beim Drehen der Kurbel, um das Laufbündel und die Munitionstrommel in Bewegung zu setzen, machte ein gezieltes Feuer nahezu unmöglich. (Das änderte sich auch später kaum, als Randfeuer-Metallpatronen benutzt wurden.) Letztlich wurden mindestens zwei Schützen benötigt, um die Waffe zu bedienen: Einer, der zielte und die Waffe ausrichtete und festhielt, und ein zweiter, der die Kurbel drehte.

Die Randfeuerpatronen machten die Mechanik schneller. Die „Gatling II“ hatte theoretisch eine Feuerkraft von 150 bis 200 Schuß in der Minute. Wegen ständiger Hülsenklemmer und einer wider Erwarten doch stattfindenden Überhitzung der Mechanik war die Leistung in der Realität aber wesentlich niedriger.

Gegen Ende des Bürgerkrieges gab es einige sehr großkalibrige Modelle, die mit glatten Läufen hergestellt wurden und auch Kartätschen-Munition von 1 Zoll Durchmesser verschießen konnten.

Obwohl die Gatling Gun vor allem in Western-Filmen als eine Art „Wunderwaffe“ dargestellt wurde – und wird –, hat sie in der Praxis die militärischen Erwartungen niemals erfüllt.

Neben den bereits erwähnten Problemen der Mechanik, erzeugte die in der Tat hohe Schußfolge regelrechte „Nebelwolken“. Das damals gängige Schwarzpulver sorgte schon bei Gewehren und Revolvern nach jedem Schuß für stinkenden Dampf. Wenn eine Gatling Gun im besten Fall vielleicht 100 Schuß oder mehr pro Minute erreichte, waren die Schützenmannschaften binnen Sekunden völlig in dunklen, beißenden Pulverrauch gehüllt, der Sicht und Atmung unmöglich machte. Dieses Problem wurde erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Aufkommen von Nitropulver gelöst. Auch von der Reduzierung der Zahl der Soldaten konnte keine Rede sein. In den 1890er Jahren hatten die dann schon vergleichsweise modernen Gatling Guns Mannschaften von jeweils 9 Mann! Es gab einen Sergeant, einen Corporal und 7 Soldaten, die das Geschütz bedienten. Hinzu kam, dass es in den 1860er Jahren und auch später noch keine entwickelte Militärtaktik für eine solche Waffe gab, so dass sie selten effektiv verwendet wurde.

Erstmals eingesetzt wurden 12 Gatlings im Bürgerkrieg von General Benjamin Butler bei der Schlacht von Petersburg – ohne nachhaltigen Erfolg. Die Entscheidung, diese Waffe einzusetzen, fällte General Butler allein; die Armeeführung lehnte zu dieser Zeit einen Ankauf durch die Regierung ab.

Erst 1866 entschloß sich die US-Regierung, Gatling Guns in größerer Zahl anzuschaffen. Aber auch während der sogenannten „Indianerkriege“ blieb die Gatling bei vielen Offizieren eher umstritten. Erfolgreiche Einsätze wurden während des „Red River Krieges“ auf den südwestlichen Plains berichtet. Sie blieben die Ausnahme. 1876 lehnte G. A. Custer die Mitführung von Gatling Guns ab, weil er sie als Behinderung seiner Kavallerie ansah – er hatte wahrscheinlich recht, und sie hätten ihm in den zerklüfteten Hügeln am Little Bighorn vermutlich auch nicht geholfen.

1898 wurden Gatling Guns erfolgreich bei der Erstürmung des San Juan Hill auf Kuba im Krieg zwischen den USA und Spanien eingesetzt. Theodore Roosevelts berühmte Rough Riders verfügten über 3 Geschütze, die eine erhebliche Weiterentwicklung der frühen Modelle darstellten und in weniger als 10 Minuten um die 18.000 Schüsse abfeuerten.

Zu dieser Zeit war Richard Gatling schon aus der von ihm gegründeten Fabrik ausgeschieden. Er hatte sein Patent bereits 1870 an die Firma Colt verkauft, blieb allerdings bis 1897 Direktor. Dann zog er sich zurück. 1893 hatte er zuvor noch ein Modell entwickelt, dass statt mittels einer Handkurbel, von einem Elektromotor betrieben wurde. 1911 gab die US-Armee die Gatling Gun auf.

Gatling blieb sein Leben lang ein leidenschaftlicher Erfinder. Er entwickelte Verbesserungen für Toiletten, für Fahrräder, für Wollspinnereien. 1891 wurde er zum ersten Präsidenten der „American Association of Inventors and Manufacturers“ gewählt.

Einen Großteil seines Vermögens verspekulierte er im Laufe seines Lebens mit erfolglosen Erfindungen, aber er starb am 26. Februar 1903 noch immer wohlhabend und hochgeachtet.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2021Die aktuelle Ausgabe

 

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