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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Jefferson R. »Soapy« Smith?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Jefferson R. »Soapy« Smith?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Er war vielleicht einer der größten Gauner der amerikanischen Pionierzeit: JEFFERSON R. „SOAPY“ SMITH. Er starb am 8. Juli 1898, vor 123 Jahren. Durch eine Kugel, wie es sich für einen Schurken seines Kalibers gehörte.

Smith wurde am 2. November 1860 in Georgia geboren. Seine Familie war sehr wohlhabend. Dem Großvater gehörte eine große Plantage; er war ferner Mitglied im Staatsparlament. Am Ende des Bürgerkrieges aber waren die Smiths, wie viele Pflanzerfamilien, ruiniert. 1876 zogen sie nach Texas. 1877 starb die Mutter, und Jefferson Smith verließ noch im selben Jahr sein Elternhaus. Der junge Mann ging nach Fort Worth, wo es ihm gelang, eine Bande von Taschendieben und Räubern um sich zu sammeln. Er muss trotz seiner Jugend charismatisch und überzeugend gewesen sein; denn diese Männer hörten bald auf sein Kommando. Er wurde ihr unumstrittener Boss. Die „Soap Gang“, wie sie genannt wurde, blieb nie lange an einem Ort. Die Halunken betrogen und beraubten ihre Opfer und zogen rasch weiter. Ihre Spezialität waren Hütchenspiele und Glücksspiele mit gezinkten Karten.

Seinen Spitznamen – der „seifige Smith“ – verdiente er sich durch eines seiner betrügerischen Geschäfte. Er verkaufte Seifenpakete und behauptete, dass in einigen davon Bargeld versteckt sei. Die Leute kauften ihm die Seife zu völlig überhöhten Preisen ab, aber die wenigen Pakete, die tatsächlich Geld enthielten, „verkaufte“ er nur an seine Kumpane. Als der Schwindel aufflog, war er weg. Aber er generierte hohe Gewinne, mit denen er kriminelle Banden aufbaute, die durchaus Mafia-Charakter hatten.

1879 tauchte er erstmals in Denver (Colorado) auf. Innerhalb zwei, drei Jahren steuerte er ein regelrechtes Syndikat von Betrügereien und Hochstapeleien. 1887 schrieben die Zeitungen der Stadt, dass Smith der Drahtzieher fast aller krimineller Aktivitäten war, ein ungekrönter König der Unterwelt. Gleichwohl bewegte er sich unbeeinträchtigt, denn er hatte städtische Politiker und die Führung der Polizei bestochen.

1888 eröffnete Smith seinen „Tivoli Club“, einen Saloon mit Spielhalle. Sein Bruder betrieb einen Zigarrenladen, hinter dessen Fassade illegales Glücksspiel und betrügerische Lotterien angeboten wurden. Smith verkaufte falsche Diamanten und Aktien von Geschäften, die es gar nicht gab. Er trat immer dreister auf; denn er wusste einflussreiche Personen in der Stadtverwaltung hinter sich. Ein Bürgermeister von Denver musste zurücktreten, als herauskam, dass er von Smith bestochen worden war. Auch gelegentliche Mordanschläge von Unterwelt-Rivalen konnten Smith nicht bremsen.

Als die politischen Verhältnisse in Denver sich änderten und der Stadtrat Beschränkungen für Saloons und Spielhallen beschloss, zog Smith in die Gold- und Silberrauschstadt Creede um. Binnen kurzem dominierte er auch hier das Geschäft mit Prostitution, Spielhallen und Saloons. Es gelang ihm, seinen Schwager William Sidney zum Deputy Sheriff ernennen zu lassen. Gleichzeitig finanzierte er die Wahlkämpfe von korrupten Politikern in Denver, die letztlich wieder die Mehrheit gewannen und die Restriktionen der Rotlichtbezirke abschafften. Smith kehrte nach Denver zurück.

1894 entließ der neugewählte Gouverneur von Colorado, Davis Harrison, mehrere hohe Beamte von Denver, die als korrupt entlarvt worden waren. Sie fühlten sich Dank der Unterstützung durch Smith so stark, dass sie durch die Nationalgarde aus dem Rathaus von Denver entfernt werden mussten. Die Affäre ging als „Rathaus Krieg“ (City Hall War) in die Geschichte ein.

Der Gouverneur ließ danach alle Spielhallen, Saloons und Bordelle von Denver schließen. Nach dem gewaltsamen Tod eines Kasino-Leiters, wurden Smith und sein Bruder wegen Mordes angeklagt. Smith machte sich schleunigst aus dem Staub. Er kontaktierte den mexikanischen Präsidenten Porfirio Diaz, um ihm eine „Fremdenlegion“ aus amerikanischen Outlaws anzubieten. Er ernannte sich selbst zum „Colonel“, bevor auch dieser Schwindel aufflog.

1897 tauchte Smith im Goldrausch-Gebiet von Alaska auf und ließ sich in Skagway nieder. Hier baute er einen Ring von Falschspielern auf. Wütende Minenarbeiter gingen gegen seine Kumpane vor, und Smith suchte nach nur einem Monat das Weite. Er kehrte allerdings im Januar 1898 nach Skagway zurück.

Erneut versuchte er, mit seinen altbekannten Tricks ein Verbrechersyndikat zu errichten. Er zahlte Bestechungsgelder an den zuständigen Deputy US Marshal und begann, weitere korrupte Politiker als Verbündete zu werben. Er eröffnete ein „Telegrafenbüro“, das überhaupt keinen Telegrafenanschluss hatte, nahm gegen hohe Gebühren Telegramme an, die tatsächlich im Papierkorb des Büros landeten. Der Schwindel flog auf, als Geldanweisungen nie die Empfänger erreichten. Tatsächlich erhielt Skagway erst 1901 Anschluss an die Telegrafenlinie.

Das Hauptquartier von Smith war sein „Jeff Smith’s Parlor“, ein Saloon, den er im März 1898 eröffnet hatte. Hier traf sich alles, was Rang und Namen in den Goldfeldern hatte und von Smith bestochen wurde.

In jenen Tagen gab es kein schnelles Internet, kein Fernsehen, keine elektronischen Medien, die die Bilder und Taten von Gaunern rasch verbreiteten. Smith konnte in vielen kleinen Goldgräbernestern als Prediger, Zeitungsreporter oder Geschäftsmann auftreten, bevor er entlarvt wurde. Wenn die Opfer merkten, dass sie betrogen worden waren, war er schon wieder verschwunden.

Er besaß die Frechheit, seine eigene „Gesellschaft für Recht und Ordnung“ zu gründen, in der seine Leute – dazu gehörten angeblich 317 Männer, auch immer korrupte Politiker – jeden mundtot machten, der ihnen gefährlich werden konnte. Damit konkurrierte er mit dem Vigilanzkommittee der Geldfelder.

Als 1898 der Spanish-Amerikanische Krieg ausbrach, schrieb „Colonel Smith“ an den US-Präsidenten McKinley und bot ihm eine Freiwilligen-Kompanie an. Erfolglos, natürlich. Aber noch am 4. Juli 1898 führte er als „Marschall“ die Parade zum Unabhängigkeitstag der USA an und trat neben dem Alaska-Gouverneur auf.

Sein Ende kam nur wenige Tage später. Am 7. Juli tauchte der erfolgreiche Goldsucher John D. Steward vom Klondike mit einem Sack mit Goldnuggets in Skagway auf. Drei von Smith’s Falschspielern überredeten ihn zu einem Kartenspiel. Als Stewart bemerkte, dass er betrogen wurde, schnappten die drei Männer sich seinen Goldsack und flüchteten. Das Vigilanzkommittee forderte Smith auf, das Gold zu erstatten. Der weigerte sich.

Am Abend des 8. Juli 1898 trafen sich die Vigilanten auf der Juneau-Wert und konfrontierten Smith mit den Vorwürfen. Smith trug eine Winchester über seiner Schulter. Er begann mit den Vigilanten zu verhandeln. Es kam zum Streit. Der Führer der Vigilanten griff zur Waffe. Smith erkannte, dass er es zu weit getrieben hatte. Er rief: “Mein Gott, nicht schießen!” Da begann bereits ein Schusswechsel.

Smith wurde von 3 Kugeln getroffen, im linken Bein, in den linken Ellenbogen und ins Herz. Er war sofort tot. Der Führer der Vigilanten starb 12 Tage später. Die 3 Betrüger, die den Goldsucher beraubt hatten, landeten im Gefängnis. Soapy Smith wurde außerhalb des Friedhofs von Skagway verscharrt.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2021Die kommende Ausgabe

 

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