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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Patrick Gass?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Patrick Gass?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 2. April 1870 starb ein Mann, der mehr zur amerikanischen Besiedlungsgeschichte beigetragen hat als manche großen Namen. Trotzdem ist er heute fast vergessen: PATRICK GASS. Ein einfacher Zimmermann und Milizsoldat. Aber er war Mitglied einer der bedeutendsten Forschungsexpeditionen der Weltgeschichte, des Unternehmens von LEWIS & CLARK, mit dem der amerikanische Westen geöffnet wurde.

Als Patrick Gass im Alter von 99 Jahren starb, war er der letzte Mann dieser Expedition, die zwischen 1804 und 1806 stattfand und überwältigende Erkenntnisse über den nordamerikanischen Kontinent lieferte, und zwar bzgl. Geografie, Flora, Fauna und Ethnologie. Sein Tagebuch war 1807 das erste schriftliche Zeugnis dieser Reise – die manche Historiker mit dem ersten Flug zum Mond vergleichen –, das im Druck erschien.

Gass war der Sohn irischer Einwanderer und wurde am 12. Juni 1771 in Chambersburg (Pennsylvania) geboren. Die Familie zog – wie in jener Zeit üblich – von einer Region in die nächste. Patrick wuchs im westlichen Maryland auf. Er wurde 1792 Mitglied einer Virginia-Ranger-Kompanie und war in Bennett’s Fort in Wheeling stationiert. Von 1794-1796 lernte er in Mercersburg, Pennsylvania, das Tischlerhandwerk. Zwei Jahre später errichtete er hier das Haus des Vaters von James Buchanan, der 1857 US-Präsident werden sollte. Er arbeitete als Tischler bis 1799; dann meldete er sich wieder in die reguläre US-Armee und diente unter General Alexander Hamilton. Zeitgenossen beschrieben ihn als „geborenen Abenteurer.“ Als er von der geplanten Expedition hörte, meldete er sich mit zwei seiner Kameraden aus derselben Kompanie, John Ordway und Charles Floyed, bei Captain Meriwether Lewis. Lewis akzeptierte ihn; denn er suchte nach Männern, die militärische Erfahrung hatten – und daher Disziplin gewöhnt waren –, und die wussten, wie man in der Wildnis überlebte. Gass war an frühen Indianerkämpfen beteiligt gewesen und kannte sich im Waldland aus. Und er hatte als Tischler handwerkliche Fähigkeiten, die überlebenswichtig waren. Es mussten Fahrzeuge konstruiert werden, Boote, Quartiere, Befestigungen. Er sollte bei der Errichtung der Forts Mandan und Clatsop und beim Bau von Einbäumen und der Reparatur von Booten eine unverzichtbare Rolle spielen. Mit einfachsten Mitteln schuf er Fahrzeuge, mit denen die Kanus und die wertvolle Ausrüstung um Stromschnellen und unpassierbare Flussläufe herum transportirert wurden.Er war als einfacher Soldat angestellt worden. Nach dem Tod von Sergeant Charles Floyd, der vermutlich an Blindarmentzündung starb, beförderte Lewis Gass zum Sergeant. Er führte immer wieder kleinere Gruppen der Expedition selbständig.

Als Lewis & Clark mit ihren Männern nach 2 Jahren zurückkehrten, blieb Patrick Gass im Militärdienst. Er kämpfte im Krieg gegen England 1812. Dabei wurde er verwundet und verlor ein Auge in der Schlacht von Lundy’s Lane.

Dass sein Tagebuch eher im Druck erschien als der offizielle Bericht, lag an seinen Freunden, die ihn mit dem Lehrer David McKeehan und dem Drucker Zadok Cramer zusammenbrachten. Gass‘ hatte nur eine sehr geringe formale Bildung, so dass McKeehan seine Texte überarbeitete. Zadock druckte das Buch, das mit gtoßem Erfolg verkauft wurde, zahlreiche Auflagen erlebte und ins Deutsche und Französische übersetzt wurde.

Nach dem Krieg von 1812 versuchte Gass sich als Farmer und Bierbrauer und betrieb zeitweise eine Fähre. Er lebte in verschiedenen Counties in Pennsylvania und heiratete 1831, im Alter von 60 Jahren, die 20jährige Maria Hamilton. Das Paar legte in Wellsburg, West-Virginia, eine Farm an und hatte 7 Kinder, von denen 2 früh starben. Maria Gass starb bereits 1846 an Masern.

Da er zeitweise seine Steuern nicht bezahlt hatte, verlor er sein Land und musste mit seinen 5 Kindern von 96 Dollar Pension jährlich leben. Er gründete eine Vereinigung, mit der er für bessere Versorgung von Veteranen der Armee kämpfte – erfolglos.

Bei Ausbruch des Bürgerkrieges erschien der über 90jährige Gass in einem Rekrutierungsbüro und wollte sich zur Unionsarmee melden – zu seinem großen Ärger wurde er nicht angenommen.

Er starb mit 99 Jahren am 2. April 1870, das einzige noch lebende Mitglied der legendären Expedition. Bis heute leben Nachkommen von ihm; die meisten haben ebenfalls ein hohes Alter erreicht.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2021Die kommende Ausgabe

 

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