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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit dem Presidents Day?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit dem Presidents Day?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 15. Februar wird in den USA „President’s Day“ begangen. Dieser Feiertag wurde 1879 beschlossen und 1880 erstmals abgehalten. Er geht zurück auf George Washingtons Geburtstag, der tatsächlich auf den 22. Februar fällt. Nachdem dieses Datum über Jahrzehnte gewürdigt wurde, beschloss das amerikanische Parlament diesen Tag umzubenennen, um alle amerikanischen Präsidenten zu ehren, insbesondere Washington und Abraham Lincoln (geb. am 12. Februar 1809).

1971 wurde festgelegt, dass „President’s Day“ immer am 3. Montag im Februar stattfinden sollte.

Anlässlich dieses Tages möchte ich heute an einen ganz anderen Präsidenten erinnern.

An 14. Februar 1849 – vor 172 Jahren – betrat zum erstenmal ein amerikanischer Präsident das Studio eines Fotografen. Es handelte sich um den 11. US-Präsidenten JAMES KNOX POLK. Der Fotograf war Mathew Brady, der spätestens im Amerikanischen Bürgerkrieg, 12 Jahre später, zu einer nationalen Berühmtheit werden würde.

Polk gilt heute als eine der außergewöhnlichsten Persönlichkeiten unter den US-Präsidenten.

Polk war am 2. November 1795 als erstes von 10 Kindern einer Farmerfamilie in einem kleinen Blockhaus in Pineville (South Carolina) zur Welt gekommen. Die Vorfahren der Polks waren schottisch-irischer Herkunft und Ende des 17. Jahrhunderts in Amerika eingewandert. James K. Polks Vater hatte bei Geburt seines Sohnes eine ansehnliche Farm aufgebaut und hielt Sklaven.

Während die Mutter eine tiefgläubige Presbiteranerin war, war Polks Vater Atheist. Er wollte seinen Sohn daher nicht taufen lassen, und als die Mutter darauf drang, verweigerte der zuständige presbiterianische Geistliche das Zeremoniell. Der Einfluss der Mutter blieb allerdings stark. Sie erzog ihren ältesten Sohn zu strenger Selbstdisziplin und einem fast selbstverleugnenden Arbeitseifer.

Im Januar 1816 schrieb sich James K. Polk an der University of North Carolina ein. Es handelte sich um eine kleine, aber angesehene Bildungseinrichtung mit nur 80 Studenten, zu der die Familie Polk Zugang durch Verwandte erhielt, die in der Universitätsleitung vertreten waren. James Polk trat hier einer Debattenvereinigung bei und lernte fließend und eloquent Vorträge zu halten. 1818 graduierte er mit Auszeichnung. Danach ging er nach Nashville (Tennessee) und begann ein Studium der Rechtswissenschaften. Schon im September 1819 wurde er zum Büroleiter des Staatssenats von Tennessee gewählt. Im Juni 1820 erhielt er seine Zulassung als Anwalt und eröffnete eine eigene Kanzlei im Maury County. Das Büro war erfolgreich, weil Polk sich als äußerst geschickter Rechtsanwalt erwies. Dieser Erfolg wurde die Grundlage für seine politische Karriere.

Er wurde 1823 ins Staatsparlament von Tennessee gewählt und zog 1825 in den Congress in Washington ein. Hier profilierte er sich als Unterstützer von General Andrew Jackson, der von 1829 bis 1837 als 7. US-Präsident amtierte. Jackson wurde ein Förderer des jungen Mannes, der 1835 zum Sprecher des Congresses gewählt wurde. 1839 wurde Polk Gouverneur von Tennessee. Er verlor allerdings die Wiederwahl 1841 und ging 1844 als absoluter Außenseiterkandidat zum Parteitag der Demokraten. Aufgrund tiefgreifender Uneinigkeiten unter den Demokraten, einigte man sich – wohl zur eigenen Überraschung Polks – auf ihn als Kompromisskandidaten für die Präsidentschaft. In den allgemeinen Wahlen schlug er den Kandidaten der Whigs (Es gab damals noch keine Republikaner) und zog ins Weiße Haus ein.

Polk hatte vorher versichert, nur 4 Jahre zu amtieren. Außerdem hatte er bestimmte Versprechungen abgegeben – und zur allgemeinen Überraschung ging er vom ersten Tag im Amt daran, diese Vorhaben alle abzuarbeiten. Er war als Expansionist bekannt, und setzte alles daran, das Territorium der USA auszudehnen. Nach der Aufnahme von Texas in die Vereinigten Staaten, begann er 1846 einen Krieg mit Mexiko, der 1848 mit einer significanten Ausweitung des Landanspruchs der USA endete. Unter Polks Regierung wurde der gesamte amerikanische Südwesten erobert, auf dem sich heute die Staaten Texas, New Mexico, Arizona, Utah, Nevada, Oklahoma, Teile von Colorado und Kalifornien befinden. Noch 1848 wurde in Kalifornien Gold entdeckt, was die erste große Welle der Planwagenzüge nach Westen auslöste. Ferner wurde das Oregon-Territorium Teil der USA. England, dass ebenfalls darauf Anspruch erhoben hatte, zog sich zurück. Ferner erreichte Polk eine bemerkenswerte Senkung von Zöllen und Steuern und etablierte ein unabhängiges Finanzsystem in der amerikanischen Wirtschaft.

Es war kurz vor Ende seiner Amtszeit, als Polk der Einladung von Mathew Brady folgte, sich portraitieren zu lassen. Obwohl er von Parteifreunden gedrängt worden war, noch einmal zu kandidieren, stand er zu seinem Versprechen und verließ das Weiße Haus im März 1849. Zeitgenössische Beobachter bewunderten seinen unermüdlichen Arbeitseinsatz. Es gab wohl selten einen fleißigeren Präsidenten der USA im 19. Jahrhundert. Er hatte fast alle seine großen Vorhaben erreicht – auch, indem er mit oppositionellen Politikern gemeinsame Lösungen gesucht hatte. Aber diese Amtszeit forderte ihren Preis. Er „schleppte sich gesundheitlich schwer angeschlagen nach Hause“, wie ein Historiker schrieb – und starb nur 3 Monate später, am 15. Juni 1849, in Nashville (Tennessee).

Trotz seiner Leistungen als Präsident, trauerte ihm niemand lange nach. Polk galt als wenig angenehmer Mensch. Er war im persönlichen Gespräch kurz angebunden, schroff und abweisend. Vor allem galt er als verschlagen und gerissen, ein Advokat, der mit allen rechtlichen Tricks arbeitete, um seinen Willen durchzusetzen, dem es an Offenheit in persönlichen Gesprächen mangelte und der selten eindeutig Stellung bezog oder Verantwortung übernahm. Einer der spektakulärsten Fälle, in denen diese negativen Eigenschaften zur Geltung kamen, war sein Verhalten in der Affäre um den Entdecker John Fremont, der anscheinend mit Rückendeckung des Präsidenten Kalifornien zum US-Territorium erklärt und sich zum Gouverneur hatte ausrufen lassen, was General Stephen Watts Kearny veranlasste, ihn unter Arrest und vor ein Militärgericht zu stellen. Polk begnadigte Fremont zwar und gewährte ihm eine ehrenvolle Entlassung aus dem Topographischen Korps, verhinderte das Militärgerichtsverfahren aber nicht.

Im Krieg gegen Mexiko waren die beiden höchstrangigen Generäle Whigs, Polks politische Gegner. Er wollte beide als potentielle Präsidentschaftskandidaten verhindern. Er demütigte zunächst den Oberkommandierenden, General Winfield Scott, indem er das Kommando des Feldzugs auf General Zachary Taylor übertrug. Als dieser durch seine Schlachtfelderfolge große Popularität gewann und in einem Brief Polk und dessen Kriegsminister kritisierte, nahm Polk ihm seine besten Truppen weg und stellte Scott wieder an die Spitze der Armee. Scott gewann zwar den Krieg, aber seine politische Karriere war zerstört. Polks Intrigenspiel konnte jedoch nicht verhindern, dass Taylor zu seinem Nachfolger als 12. Präsident gewählt wurde. Es gab ähnliche Fälle, die das Vertrauen in Polks Charakter in Zweifel zogen.

Der mächtige Politiker Sam Houston, zeitweise Präsident von Texas und Senator, bemerkte spöttisch: „Polk ist Antialkoholiker, und damit ist er ein Opfer seiner selbst, weil er als Erfrischung nur Wasser trinkt.“

Polk war Sklavenhalter und tat nichts, die Spannungen zwischen Sklavereigegnern und -befürwortern zu lindern. Manche Historiker sind der Meinung, dass er indirekt Schuld an den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen diesen Gruppen trug und somit Verantwortung für das „blutige Kansas“ trug. Sie beschuldigen ihn, die Grundlagen für den Bürgerkrieg von 1861 geschaffen zu haben. Das dürfte eine gewagte These sein. Die Ursachen dieses Krieges wurzelten tiefer.

Fest steht, das Polk im Februar 1849 – wissend, dass er vermutlich nicht mehr lange leben würde – sein Testament schrieb, in dem er seinen Sklaven erst nach dem Ableben seiner Frau die Freiheit geben wollte. (Sarah Polk, die bei Zeitgenossen in weitaus höherem Ansehen stand als der Präsident, lebte bis 1891. Die Polk-Sklaven gewannen ihre Freiheit 1865 mit dem Ende des Bürgerkrieges.)

Früher prägten vor allem die persönlichen und charakterlichen Schwächen Polks sein Bild in den Geschichtsbüchern. Heute werden seine Leistungen pragmatischer bewertet.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die aktuelle Ausgabe

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