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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Daniel Webster Wallace?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Daniel Webster Wallace?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 15. September 1860 wurde in der Nähe der Stadt Inez in Texas ein Mann geboren, der heute als ein Symbol der texanischen Viehzucht gilt: DANIEL WEBSTER WALLACE.

Nun war die Tatsache, Rancher in Texas zu sein, im 19. Jahrhundert allein noch nichts Besonderes. Aber Daniel Webster Wallace – der unter seinem Spitznamen „80 John“ bekannt wurde – war schwarz. Die ersten 5 Jahre seines Lebens war er ein Sklave. Seine Eltern waren Sklaven. Sie gehörten der Baumwoll-Pflanzerfamilie O’Daniel.

Was heute vielfach nicht gewußt oder nicht beachtet wird: Zwischen 1865 und 1880 waren gut 30% der Männer, die als „Cowboys“ zu amerikanischen Ikonen wurden, Farbige: Ehemalige schwarze Sklaven, Mexikaner und Indianer. Dieser von Romantik, Abenteuer und Stolz verklärte Beruf war immer – bis heute – mit harter Arbeit verbunden, manchmal gefährlich, meist glanzlos, immer schlecht bezahlt. Die Glorifizierung der Männer im Sattel begann erst am Ende der großen Zeit der freien Weiden und der Rinder-Königreiche.

Die Berufsgrundlagen der Cowboys kamen vom spanisch-mexikanischen Vaquero. Viele Indianer des Südwestens verdingten sich als Rindertreiber, und nach dem Bürgerkrieg ergriffen zahlreiche ehemalige Sklaven den Beruf als Rinderhirte, der ihnen Freiheiten bot, die sie woanders nicht hatten. Ähnlich wie Soldaten in der US-Armee, genossen auch farbige Cowboys ein großes Maß an Gleichberechtigung. Diskriminierung gab es auch hier, aber nicht in dem Ausmaß wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen. Die Cowboy-Mannschaften der großen Ranches waren zwar nicht “farbenblind”, aber wer in diese Gemeinschaft eintrat, wurde überwiegend nach seinen Leistungen bewertet. Jeder tat die ihm zugewiesene Arbeit. Vor allem auf den großen Trails nach Norden, aber auch bei den jährlichen Round Ups zählte das Zusammenspiel der Männer, um Aufgaben erfolgreich zu erledigen. Alles andere hätte Gefahr für Leib und Leben aller bedeutet. Bis in die 1940er Jahre gab es eine „Colored Cowboys Association“ in Texas.

Ab 1865 arbeitete Daniel Webster Wallace zunächst mit seinen Eltern als Baumwollpflücker auf einer Pflanzung im Fayette County. Er hasste diese Arbeit. Mit 17 Jahren lief er von daheim weg, fand einen Job als Ranchhelfer und machte ein erstes Rindertreiben nach Kansas mit. Er wurde ein erfahrener Cowboy und ritt für große Viehzüchter wie C. C. Slaughter, Isaac Ellwood und die „Bush & Tillar Cattle Company“. Wallace konnte aufgrund seiner Herkunft als Kind keine reguläre Schule besuchen. Erst mit 25 lernte er Lesen, Schreiben und mathematische Grundkenntnisse, und während seiner Arbeit lernte er alles, was ein Rindermann wissen musste. Er führte selbständig die Pferdeherden auf dem Trail. Er ritt Mustangs zu und wurde auf der Clay-Mann-Ranch bei Colorado City einer der besten Round-Up-Männer. Diese Ranch hatte als Brandzeichen eine große „80“. Da Wallace unzähligen Rindern das Zeichen einbrannte, erhielt er seinen Spitznamen „Eighty John“.

Wallaces Traum war eine eigene Ranch; keine Kleinigkeit für einen schwarzen Cowboy mit 35 Dollar Monatslohn. In seinem Boss, Clay Mann, fand er einen Unterstützer. Mann hielt zwei Jahre lang jeden Monat 5 Dollar vom Lohn zurück. Von diesen Ersparnissen kaufte Wallace sich die ersten Rinder. Mann stellte ihm dafür kostenlos eine Weide zur Verfügung.

Der Respekt zwischen dem weißen Rancher und seinem schwarzen Cowboy war so groß, dass Wallace parallel für seinen Boss und für sich selbst arbeiten konnte und immer genügend Freiraum für sein eigenes Unternehmen erhielt. 1889 starb Clay Mann. Wallace hatte 1885 sein erstes eigenes Stück Land gekauft. Er trieb seine wachsende Herde jetzt auf seine eigenen 1.280 Acres großen Weiden (knapp 520 Hektar) und arbeitete von nun an auf eigene Rechnung. Im April 1888 heiratete Wallace Laura Dee Owens und hatte mit ihr drei Töchter und einen Sohn. Er wurde in die Viehzüchtervereinigung, die „Texas and Southwestern Cattle Raisers Association“ aufgenommen.

Im Laufe der Jahrzehnte kaufte er ständig Land dazu. Sein Besitz wuchs ebenso wie seine Herden mit Durham- und Hereford-Rindern. Noch bis hoch in seine 70er Jahre arbeitete er als Cowboy auf seinen eigenen Weiden, brändete Rinder und ritt Pferde zu. Als auf seinem Land Öl entdeckt wurde, hätte sein Leben leichter werden können, aber Daniel Wallace ging weiter seiner täglichen Arbeit nach, wie er es seit seiner Jugend gewöhnt war.

Als „80 John“ – wie er sein Leben lang genannt wurde – Daniel Webster Wallace am 28. März 1939 starb, hinterließ er ein Vermögen von 1 Million Dollar. In der benachbarten Kleinstadt Loraine wurde ein historischer Markstein für ihn aufgestellt, und in den 1950er Jahren wurde eine Schule in Colorado City nach ihm benannt.

Mit wachsendem Wohlstand hatte Wallace seiner Familie ein komfortables Haus errichtet. Sein altes Ranchhaus, eine bescheidene Holzhütte, war als Weidehütte stehengeblieben. Seine Nachkommen übergaben die Hütte dem texanischen „National Ranching Heritage Center“ in Lubbock, wo sie heute als Denkmal für den vielleicht erfolgreichsten schwarzen Viehzüchter von Texas zu sehen ist.

Mit seiner Frau Laura hatte er 50 Jahre lang eine gute Ehe geführt. Nach seinem Tod führte sie die Ranch weiter. Seine drei Töchter wurden Lehrerinnen, sein Sohn übernahm den Viehzuchtbetrieb. Heute, noch immer im Besitz seiner Nachkommen, wird auf dem Land weitgehend Feldbau betrieben.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die aktuelle Ausgabe

 

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