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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Clay Allison?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Clay Allison?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 2. September 1841 wurde in Amerika ein Mann geboren, der in seinem kurzen Leben erheblich zum Mythos des „Wilden Westens“ beitrug: CLAY ALLISON.

Er war das 5. von 9 Kindern eines presbyterianischen Predigers, der mit seiner Frau eine kleine Ranch mit Rindern und Schafen in Waynesboro (Tennessee) betrieb. Clay arbeitete bei seinen Eltern, bis 1861 der amerikanische Bürgerkrieg ausbrach. Am 15. Oktober 1861 meldete sich der junge Mann in die Konföderierte Armee. Er begann eine Ausbildung als Artillerist und wurde nach nur drei Monaten wieder entlassen, weil ihn eine alte Kopfverletzung dienstunfähig machte.

Am 22. September 1862 war er offenbar wieder genesen; denn er trat erneut in die Armee ein, diesmal in die 9. Tennessee Kavallerie unter General Bedford Forrest. Er diente bis zum 4. Mai 1865, ging in Kriegsgefangenschaft und wurde am 10. Mai auf Ehrenwort entlassen. Er kehrte nach Hause zurück.

Hier geriet er in mehrere gewalttätige Auseinandersetzungen – wobei manche Geschichten, die über ihn verbreitet wurden, wohl der Fantasie einiger Zeitgenossen entsprungen waren und dann von Mund zu Mund weitergegeben wurden. So soll Allison, völlig betrunken und nackt, nur mit dem Revolvergürtel um die Hüften, schießend durch eine Stadt geritten sein.

Solche Schilderungen wurden geglaubt, weil sie ihm zuzutrauen waren. Sein Benehmen war vielfach, um es vorsichtig auszudrücken, exzentrisch. Er war als jähzornig und gefährlich bekannt, und bei einer Gelegenheit schoss er sich selbst in den Fuß, als er seinen Revolver ziehen wollte. Seither hinkte er.

Angeblich erschoss er in seinem Elternhaus einen Unionssoldaten, der eine Vase seiner Eltern zerbrochen hatte. Nach diesem Vorfall, soll er mit seinen Brüdern und seiner Schwester Tennessee verlassen haben und nach Westen gezogen sein.

In New Mexico war Allison an einer Lynchjustiz beteiligt. Im Herbst 1870 führte er einen Mob an, der in das Gefängnis von Elizabethtown – heute eine Geisterstadt – einbrach und einen vermeintlichen Mörder herausholte und tötete. Danach schnitt Allison dem Mann den Kopf ab und spießte ihn in der Nachbarstadt Macaroni auf einen Pfahl.

Im Oktober 1878 sammelte Allison, der inzwischen im Wheeler County (Texas) eine kleine Ranch besaß, mehrere Viehzüchter um sich und begann eine Jagd auf Comanchen, nachdem die US-Armee ihm Hilfe verweigert hatte.

Zu dieser Zeit hatte er bereits einige Revolverkämpfe hinter sich. Im Januar 1874 hatte er einen Mann namens Chunk Colbert im Duell erschossen, der angeblich 7 Männer auf dem Gewissen hatte. Der Vorfall fand in New Mexico statt. Beide Männer hatten sich zuvor ein Pferderennen geliefert. Danach nahmen sie ein gemeinsames Abendessen ein, bei dem es zwischen beiden in dem Saloon „Clifton House“ zu einem Wortwechsel kam. Es ging um einen Jahre zurückliegenden Vorfall, bei dem Allison in Streit mit Colberts Onkel geraten war. Colbert griff während des Essens zu seinem Revolver. Allison reagierte schneller und feuerte Colbert über den Tisch hinweg eine Kugel in den Kopf. Danach wurde die Anekdote verbreitet, dass Allison vorher gewusst habe, dass es zu einem tödlichen Kampf kommen würde. Dennoch habe er die Einladung zum Essen akzeptiert, „weil ich keinen Mann mit leerem Magen in die Hölle schicken wollte.“

Im Oktober 1875 führte Allison erneut einen Lynchmob, der einen Mexikaner namens Cruz Vega tötete, der angeblich den Methodistenprediger F. J. Tolby ermordet hatte. Wenige Tage später stellten Angehörige von Vega Allison in der Halle des „Lambert Inn“ in Cimarron. Allison zog seinen Revolver und schoß den Onkel von Vega, Francisco Griego, nieder. Am 10. November stand Allison deswegen vor Gericht und wurde wegen „Selbstverteidigung“ freigesprochen.

Am Dezember 1876 hielt Allison sich mit seinem Bruder John in Las Animas (Colorado) auf. In einem Saloon forderte der örtliche Constable Charles Faber die Allisons auf, ihre Revolver abzugeben, weil das Tragen von Waffen innerhalb der Stadtgrenzen verboten war. Die Brüder weigerten sich.

Faber verließ den Saloon und vereidigte zwei Männer als Deputies. Dann kehrte er zurück.

Noch bevor der Constable seine Forderung wiederholen konnte, zogen die Allisons ihre Waffen. Die Beamten eröffneten sofort das Feuer. John Allison wurde dreimal getroffen und stürzte zu Boden. Clay Allison gab vier Schüsse ab, mit denen er Charles Faber tötete. Die Allison-Brüder wurden verhaftet und wegen Totschlags angeklagt. Die Anklage wurde niedergeschlagen, weil Zeugen aussagten, dass Faber die Auseinandersetzung begonnen hatte. Man geht heute davon aus, dass Allison den Richter oder die Geschworenen bestochen hatte; denn Faber hatte nur seine Pflicht als Polizist getan.

Im März 1877 verkaufte Allison seine Ranch an seinen Bruder und ließ sich für eine Weile in Missouri nieder. Er zog schließlich nach Hays City (Kansas), wo er ein Büro als Viehhändler eröffnete. In Dodge City hatte er angeblich eine Konfrontation mit Wyatt Earp, der in jener Zeit Deputy Marshal der Stadt war. Diese Geschichte – die noch vor ein paar Jahrzehnten sogar in Comics verbreitet wurde – ist eine reine Legende. Allison war im Long Branch Saloon in Streit geraten, aber der Inhaber, Chalk Beeson, und ein Rancher namens Dick McNulty hatten ihn überredet, die Waffen abzugeben. Wyatt Earp war in jenem Abend nicht einmal in der Nähe des Saloons gewesen.

Zusammen mit seinen Brüdern John und Jeremia führte Clay Allison schließlich wieder eine Ranch in der Nähe von Mobeetie (Texas).

1884 verkaufte er diese Ranch und erwarb einen neuen Besitz unweit des Pecos River. Seit 1881 war er verheiratet.

Er starb am 3. Juli 1887, als er mit einem Frachtwagen unterwegs war. Einer der Getreidesäcke der Ladung verrutschte und drohte, hinunterzufallen. Allison drehte sich auf dem Bock und versuchte, den Sack aufzufangen. Dabei riss das Gewicht ihn mit. Er stürzte vom Wagen – und wurde von einem der Räder überrollt. Sein Genick brach. Er war sofort tot. Allison war 45 Jahre alt. Er wurde in der Stadt Pecos begraben. Das Geburtsjahr auf seinem Grabstein ist falsch.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die aktuelle Ausgabe

 

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