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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit John Clum?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit John Clum?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 1. September 1851 – vor 169 Jahren – wurde ein Mann geboren, der eine der dramatischsten Episoden der Zeit des „Wilden Westens“ aktiv mitgestaltete und der trotzdem im Schatten der anderen Akteure dieses historischen Kapitels steht: JOHN CLUM, Bürgermeister von Tombstone (Arizona) und Inhaber des „Tombstone Epitaph“, der zeitweilig größten Zeitung des Territoriums.

Clum war nicht nur ein persönlicher Freund Wyatt Earps und Vertreter der bürgerlichen Fraktion in Tombstone, die sich der zwielichtigen Elemente des Rotlichtbezirks und der Viehdiebe und Grenzschmuggler des Umlands entledigen wollte. Er war zuvor einer der effektivsten Indianeragenten Arizonas gewesen. Clum war auf einer Farm im Staat New York geboren worden. Er hatte holländische und deutsche Vorfahren. 1867 trat er in die Militärakademie von Claverack (New York) ein, drei Jahre später besuchte er das Rutgers College. Er erhielt eine klassische Ausbildung, studierte Latein, Griechisch, Naturgeschichte und Mathematik. Zugleich war er, wie seine Eltern, aktives Mitglied der Holländisch-Reformierten Kirche. 1871 bewarb er sich erfolgreich um eine Stelle in der Meterologischen Abteilung im „Signal Corps“ der US-Armee. Hier wurde er als Beobachtungs-Sergeant in Dienst genommen und nach kurzer Unterweisung nach Santa Fe (New Mexico) geschickt.

1872 wurde die San Carlos Reservation in Arizona eingerichtet. Die Regierung unter Präsident U. S. Grant wollte eine neue Indianerpolitik der friedlichen Beziehungen einleiten. Aufgrund von Korruption und anderen kriminellen Vergehen in der Indianerbehörde entschied Grant, die Verwaltung der Reservation an kirchliche Organisationen zu übertragen. So übernahm die Holländisch-Reformierte Kirche die Verwaltung von San Carlos. Bei der Suche nach einem geeigneten Indianeragenten stieß die Kirchenleitung auf John Clum. Er hatte den Ruf, ehrlich und politisch unbelastet zu sein. Tatsächlich war der Posten eines Indianeragenten keine reine Verwaltungsaufgabe. Der Agent war Repräsentant der Regierung, im Grunde eine Art Diplomat. Er hatte die Aufgabe, die Reservationszuweisungen korrekt zu verteilen und Frieden unter den rivalisierenden Gruppen in den Indianervölkern zu sichern. Clum war nicht nur entschlossen, eine gerechte und tolerante Führung in San Carlos zu etablieren, sondern auch eine Selbstverwaltung einzurichten, die die Apachen kulturell respektierte. Er traf im August 1874 in der Reservation ein und wurde sofort mit Gewalt, Intrigen und Spannungen konfrontiert. Er begriff sehr schnell, dass die Politik im fernen Washington keinerlei Verständnis für die verschiedenen indianischen Gruppen aufbrachte sondern glaubte, alle Indianer gleich behandeln zu können. Reine kulturelle Ignoranz. Hinzu kamen ständige Kompetenzstreitigkeiten zwischen Clum und dem zuständigen Militärkommandanten. Clum beharrte darauf, dass die Reservation von der zivilen Verwaltung geführt wurde. Er wies jegliche Einmischung durch die Armee zurück.

Clum bemühte sich, die Apachen als Freunde zu behandeln. Er richtete ein Stammesgericht ein, vor dem die Indianer selbst ihre Streitigkeiten regeln konnten. Er etablierte die erste Indianerpolizei, um Selbstverwaltung zu ermöglichen. Clum unterstützte die Einrichtung von Farmen und Viehzucht. Die Apachen nannten ihn „Nantan Betunnkikiyeh“ = „Der Boss mit der hohen Stirn“. Je mehr die hier stationierte Armee ihn ablehnte, desto populärer wurde er bei den Apachen. Nach übereinstimmender Meinung von Historikern, war er ein sehr guter Indianeragent. Dabei setzte er zugleich konsequent Maßnahmen der Regierung durch. Zusammen mit 100 seiner Indianerpolizisten gelang ihm im April 1877 die Festnahme von Geronimo und 453 Chiricahuas – woran die Armee jahrelang gescheitert war. Danach eskalierte sein Streit mit der Armee. Die zuständigen Offiziere schickten eine Flut von offiziellen Beschwerden gegen seine Amtsführung nach Washington. Am 1. Juli 1877 trat Clum frustriert zurück. Unter seinen Nachfolgern griff Korruption um sich. Viele Apachen verließen die Reservation und gingen erneut auf den Kriegspfad.

Clum ging mit seiner Frau Mary – die er 1876 geheiratet hatte – nach Florence, begann ein Jura-Studium und kaufte „nebenbei“ eine Wochenzeitschrift, die er zwei Jahre lang druckte und in der er die Politik der Indianeragenten und der Armee scharf kritisierte.

Nach der Entdeckung großer Silbervorkommen im Südosten Arizonas, zogen die Clums nach Tombstone. Er wurde zum Postmeister ernannt und brachte am 1. Mai 1880 die erste Ausgabe des „Tombstone Epitaph“ heraus. Clum engagierte sich für die Einrichtung eines Bürgerkomitees für Recht und Ordnung, um die wilde Silberminenstadt zu einer bürgerlich respektablen Siedlung zu machen. 1881 wurde er zum ersten Bürgermeister der Stadt gewählt.

In der Zeit, in der in Tombstone erbittert um die politische und wirtschaftliche Macht gekämpft wurde, starben Clums Frau und seine Tochter. Am 26. Oktober 1881 kam es zum legendären Gunfight im OK Corral. Im Dezember wurde auf John Clum ein Mordanschlag verübt. Drohbriefe erreichten ihn. Am 1. Mai 1882 verkaufte er den „Tombstone Epitaph“, legte sein Amt als Bürgermeister nieder und verließ die Stadt. Er kehrte 1885 noch einmal zurück und amtierte kurzzeitig als Revisor der Stadtverwaltung.

Nach verschiedenen Anstellungen, u. a. bei dem damaligen Zeitungskönig Randolph Hearst – der auch Wyatt Earp zeitweilig als Leibwächter anheuerte – erhielt John Clum 1898 die Ernennung zum Postinspektor des Alaska-Territoriums, um dort, mitten im Goldrausch, den Postdienst zu organisieren, was ihm vorzüglich gelang.

Im Sommer 1900 traf er in der Stadt Nome seinen alten Freund Wyatt Earp wieder, der erfolgreich den „Dexter Saloon“ betrieb. Clum wurde schließlich zum Postmeister von Fairbanks ernannt. 1909 verließ er Alaska und arbeitete für mehrere Jahre für die „Southern Pacific Railroad“. Er wurde zu einem populären Förderer des frühen Eisenbahntourismus in den USA. 1928 ließ er sich mit seiner dritten Frau, die er im Oktober 1914 in New York geheiratet hatte, in Los Angeles nieder. Hier starb John Clum am 2. Mai 1932 im Alter von 80 Jahren, einer der bedeutendsten Augenzeugen und Akteure der wilden Pionierzeit in Arizona. Seine Nachkommen leben noch heute in Kalifornien.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die aktuelle Ausgabe

 

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