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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit der Pueblo Revolte?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit der Pueblo Revolte?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 10. August 1680 begann im Gebiet des heutigen New Mexico, einer der erfolgreichsten Indianeraufstände in der Geschichte, die PUEBLO REVOLTE.

Geführt wurde sie von einem religiösen Führer der Tewa-Indianer namens Popé (oder auch Po’pay) aus dem San Juan Pueblo, der heute im Indianerland als großer Held verehrt wird.

Vorausgegangen waren Jahrzehnte grauenvoller Unterdrückung. Ursprünglich hatte es über 80 Pueblos im Tal des Rio Grande gegeben, dazu die Dörfer der Hopi im heutigen Arizona. Sie alle waren Nachfahren der Ancient Pueblo Völker, deren Siedlungen heute in der Mesa Verde (Süd-Colorado), im Chaco Canyon und an vielen anderen Orten im amerikanischen Südwesten zu sehen sind. Sie sind bis heute – es gibt noch 21 – die Vertreter eine vitalen indianischen Dorf-Kultur. Ihre Bauwerke basieren auf Mauern aus Natursteinen und Lehmziegeln und erreichten mehrere Stockwerke Höhe, oft in Terrassen angelegt.

Die Pueblos waren grundsätzlich nicht kriegerisch, aber sie waren äußerst wehrhaft; denn sie hatten sich über Jahrhunderte gegen Angriffe nomadischer Völker wie der Apachen, Ute, Comanchen und Navajo verteidigen müssen. Sie waren äußerst geschickte Ackerbauern und Händler.

Als die Spanier ab 1598 mit Kreuz und Schwert in ihr Land einfielen, versuchten sie Widerstand zu leisten, aber die Eroberer kamen mit einer unbekannten Technologie, mit Pferden, Kanonen und Schusswaffen. Sie unterwarfen die Indianerkulturen mit großer Gnadenlosigkeit. Junge Männer und Frauen wurden in die Sklaverei verschleppt, und die Mönche, die mit den Konquistadoren kamen, zwangen die Pueblos, Kirchen zu errichten und sich taufen zu lassen.

In jener Zeit gab es wohl über 40.000 Pueblo-Indianer, die teilweise isoliert voneinander lebten und auch untereinander verfeindet waren. Sie redeten in verschiedenen Sprachen, nämlich Tewa, Tiwa, Towa, Keresan, Zuni und Hopi. Innerhalb weniger Jahrzehnte war die Zahl der Pueblos auf unter 20.000 reduziert worden. Dafür hatten nicht nur militärische Maßnahmen gesorgt, sondern auch europäische Infektionskrankheiten.

Immer stärker konzentrierten die Spanier ihre Unterdrückung auf die religiösen Führer der Völker.

1675 ließ der spanische Gouverneur Juan Francisco Trevino 47 Pueblo-Priester wegen „Hexerei“ verhaften. Drei davon wurden hingerichtet. Einer beging in der Haft Selbstmord. Die anderen wurden auf der Plaza von Santa Fe öffentlich ausgepeitscht und sollten in Sklaverei verkauft werden. Unter ihnen war Popé. 70 Krieger der Pueblos zogen vor den Gouverneurspalast und verlangten die Freilassung ihrer Führer. Überraschenderweise lenkte Trevino ein. Die spanische Kolonie stand unter starkem Druck von kriegerischen Apachen und Navajo; er wollte keine weiteren Konflikte mit den Pueblo-Völlkern riskieren.

Popé galt als sehr begabter Redner und unerschrocken und mutig. Als er freigelassen wurde, zog er nach Taos. Er verließ Santa Fe mit der festen Absicht, die spanische Unterdrückung zu beenden. Seine Botschaft, die er von Taos aus verbreitete, lautete: „Zerstörung der Spanier. Wiederbelegung der alten Kultur.“

Popé hatte große organisatorische und militärische Fähigkeiten, und er war ein geschickter Diplomat, der in Gesprächen mit verfeindeten Pueblos eine nie vorher gekannte Einigkeit schmiedete. Die Abstimmungen über das gemeinsame Vorgehen erfolgte mittels einer „Knotenschrift“, Hanfseilen, in die in bestimmter Anordnung Knoten geflochten waren, die die Empfänger „lesen“ konnten. Sie wurden durch Boten von Pueblo zu Pueblo geschickt. Allerdings hielt Popé seinen eigenen Schwiegersohn für einen Verräter und brachte ihn um.

Am 10. August 1680 gelangten Nachrichten nach Santa Fe, dass ein spanischer Priester ermordet worden war und sich eine große Anzahl von Kriegern in den verschiedenen Pueblos zusammengerottet hatte. Schon am 15. August hatten sich um die 1.000 Spanier im Hof des Gouverneurspalastes in Santa Fe verschanzt. Wenig später wurden sie von mehr als 2.000 Indianern unter Führung von Popé eingeschlossen.

Die Überraschung war so groß, dass die wenigen spanischen Truppen gar nicht erst versuchten, die Indianer anzugreifen. Die meisten Kolonisten und Priester flüchteten in Panik nach Süden. Am 21. August gelang den in Santa Fe eingeschlossenen Spaniern der Ausbruch. Sie flohen ohne Rast bis nach El Paso (heute Texas). Popé hatte gesiegt.

Mehr als 400 Spanier waren erschlagen worden, darunter 21 Priester, die als die schlimmsten Unterdrücker angesehen wurden. Popé verkündete: „Der Gott der Christen ist tot. Er bestand nur aus morschem Holz.“ Sein Erfolg gab ihm eine einzigartige Macht. Die Pueblos sahen ihn als Oberhaupt an. Als 300 spanische Soldaten 1681 versuchten, New Mexico zurückzuerobern, wurden sie von Popés Armee geschlagen. Auch ein zweiter Versuch 1687 scheiterte.

Allerdings sank der Einfluss Popés mit der Zeit. Die von ihm prophezeite Zeit des Friedens und der Prosperität war nicht eingetreten. Perioden der Trockenheit und Missernten entsprachen nicht seinen Voraussagen. Dafür nahmen Überfälle von Apachen und Navajo zu. Die Pueblos verloren ihre Hoffnung. Die alten Feindschaften zwischen ihnen flammten wieder auf. Popé wurde zunehmend als selbstherrlicher Tyrann gesehen. Sein Traum von einer geeinten Pueblo-Nation zerbrach. Er starb vermutlich im Jahr 1688.

1692 rückte Diego de Vargas mit 150 spanischen Soldaten in New Mexico ein. Er verhielt sich vorsichtig, bot den Pueblo-Führern Gespräche an. Die einzigen, die sich verweigerten, waren die Hopi, die ohnehin fern der Kerngebiete am Rio Grande lebten.

Der indianische Historiker Matthew Martinez schrieb über Popé: „Es war eine einzigartige Persönlichkeit vonnöten, diese Revolte vorzubereiten und dafür zwei Dutzend Siedlungen zu vereinigen. Er sprach sechs verschiedene Sprachen und verhandelte über Entfernungen von annähernd 400 Meilen.“

Auch wenn die Vision eines unabhängigen Indianerstaates in New Mexico nicht wahr wurde, hatte die Revolte große Veränderungen zur Folge. Die Spanier räumten den Pueblos eine gewisse Souveränität ein. Die Priester akzeptierten die alten Zeremonien, während die Pueblos die katholische Religion parallel praktizierten. Pueblos und Spanier kämpften ab jetzt Seite an Seite gegen Apachen, Navajo, Utes und Comanchen. Es entstand eine indianisch-spanische Mischkultur, die noch heute in New Mexico vorherrscht.

2005 stellte der Staat New Mexico eine Statue von Popé in die „National Statuary Hall“ des amerikanischen Kongresses in Washington. Er gilt als Symbolgestalt für die Pueblo-Kultur im amerikanischen Südwesten. Der Pueblo-Historiker Agoyo schrieb: „Für uns Pueblo-Völker ist Popé unser Held. Die Völker waren dabei, ihre kulturelle Identität zu verlieren. Popés Revolte hat uns unsere Tradition zurückgebracht.“


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die kommende Ausgabe

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