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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Allan J. Pinkerton?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Allan J. Pinkerton?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler:Am 1 Juli 1884 – vor 136 Jahren – starb in Chicago ein Mann, der die Kriminalgeschichte Amerikas maßgeblich geprägt hat. Mehr noch – er bereicherte die englische Sprache. So wie nach Samuel Colt ein „Colt“ umgangssprachlich zur Bezeichnung für einen Revolver wurde, war ein „Pinkerton“ für Jahrzehnte das Wort für einen Privatdetektiv.

ALLAN J. PINKERTON wurde am 25. August 1819 in der Nähe von Glasgow, Schottland, geboren. Er war 10 Jahre alt, als sein Vater starb. Der Junge musste sofort die Schule verlassen und eine Arbeit beginnen, um zum Unterhalt der Familie beizutragen. Er ging bei einem Böttcher – Fassmacher – in die Lehre. 1842 heiratete er heimlich die Sängerin Joan Cartrae. Noch im selben Jahr flüchtete das Paar nach Amerika, da der junge Pinkerton in der schottischen Unabhängigkeitsbewegung und in Arbeiterorganisationen aktiv war und polizeilich gesucht wurde.

1843 eröffnete Pinkerton in der kleinen Gemeinde Dundee im Bundesstaat Illinois eine Fassmacher-Werkstatt und ließ seine in Chicago zurückgebliebene Frau nachkommen. Schon ab 1844 engagierte er sich in der Anti-Sklaverei-Bewegung. Das Pinkerton-Haus wurde zur Station der sogenannten „Untergrundbahn“, einer Organisation, die befreite Sklaven aus den Südstaaten in Sicherheit brachte.

Pinkerton wäre wohl immer ein biederer, leidlich erfolgreicher Handwerker geblieben, wenn er nicht eher zufällig einer Bande von Geldfälschern auf die Spur gekommen wäre. Erstmals zeigten sich sein Scharfsinn und seine Kombinationsgabe. Er machte die Werkstatt der Fälscher ausfindig, unterrichtete den County-Sheriff – und aufgrund seiner privaten Ermittlungen wurde die Gruppe ausgehoben. 1849 ernannte die Stadtverwaltung von Chicago ihn zum ersten „Polizeidetektiv“ der Stadt.

Nach weiteren kriminalistischen Erfolgen, gründete Pinkerton 1850 zusammen mit dem Rechtsanwalt Edward Rucker die „North-Western Police Agency“. Daraus entwickelte sich schließlich die „PINKERTON NATIONAL DETECTIVE AGENCY“. Das Firmenzeichen wurde ein weit geöffnetes Auge mit dem Slogan: „Wir schlafen nie“.

Pinkertons Agentur wuchs mit der rasanten Ausbreitung des Eisenbahnnetzes und dem Beginn der Zugüberfälle. Seine Firma übernahm die Sicherung von Geld- und Posttransporten und ermittelte gegen Räuberbanden. Diese Tätigkeit brachte ihn in engen Kontakt mit dem Chefingenieur der „Illinois Central Railroad“ – einem gewissen George Brinton McClellan, der im Bürgerkrieg zeitweise Oberkommandierender der Unionsarmee werden sollte – und mit Abraham Lincoln, zu dieser Zeit Rechtsanwalt der Eisenbahngesellschaft.

1859 traf Allan Pinkerton mit dem schwarzen Bürgerrechtler Frederick Douglass und mit dem Anti-Sklavereikämpfer John Brown zusammen. Zusammen mit anderen Männern organisierte Pinkerton einen Teil der Ausrüstung für John Browns Gruppe, die das Bundesarsenal Harpers Ferry überfiel, um am Vorabend des Bürgerkrieges einen Sklavenaufstand auszulösen. Das Unternehmen scheiterte. John Brown wurde im November 1859 gehängt. Gerüchte besagen, dass er dabei einen Anzug trug, den Pinkerton für ihn gekauft hatte.

Pinkerton begleitete Abraham Lincoln nach seiner Wahl zum Präsidenten als eine Art Leibwächter nach Washington DC und deckte in Baltimore (Maryland) ein Mordkomplott auf. Bei Ausbruch des Bürgerkrieges baute er die Grundstrukturen für den Geheimdienst der Unionsarmee auf. Seine Agenten drangen bis in die Hauptquartiere der Konföderation vor und beschafften Informationen über Truppenstärken und militärische Bewegungen. Allan Pinkerton selbst tarnte sich mehrfach als Major E. J. Allen und spionierte in Militäranlagen und Nachschubbasen der Südstaaten. In Memphis wurde er entdeckt und konnte mit knapper Not entkommen. Seine Arbeit gilt heute als die Basis für die Gründung des späteren „Secret Service“. Als er sich zugunsten seiner privaten Ermittlungen zurückzog, wurde Lafayette Baker sein Nachfolger als Leiter des Geheimdienstes.

Pinkerton erhielt weitere lukrative Aufträge der großen Eisenbahngesellschaften und konnte seine Detektivagentur kontinuierlich ausbauen. Seine Agenten verhinderten Zugüberfälle, sicherten Geldtransporte und waren erfolgreich bei der Fahndung nach Eisenbahn-, Bank und Straßenräubern. Sie scheiterten allerdings spektakulär bei der Jagd auf die Bande von Jesse James. Der Bombenanschlag, den Pinkerton-Detektive unter Führung eines Pinkerton-Sohnes auf die James-Farm in Missouri durchführten, wurden zum Desaster und kostete die Agentur fast ihre Reputation.

Von dieser Zeit an übernahm die Agentur auch Aufträge, die den bis dahin untadeligen Ruf der Firma teilweise unterminierten und das soziale und gesellschaftliche Engagement des jungen Pinkerton konterkarierten. Große Firmen heuerten die „Pinkertons“ an, um Streiks und Arbeiterproteste zu zerschlagen. Die spanische Regierung engagierte ihn, um eine Revolution auf Kuba gegen die noch immer herrschende Sklaverei zu unterbinden. Damit verwarf Allan Pinkerton seine eigenen Überzeugungen. Noch 1883 hatte er in seinem Buch „The Spy of the Rebellion“ geschrieben, dass er Sklaverei hasste und stets dagegen gekämpft habe.

Zunehmend wandten sich auch einige prominente ehemalige Pinkerton-Mitarbeiter gegen die Methoden der Agentur, wie der populäre „Cowboy-Detektiv“ Charles Siringo.

Viehzüchtervereinigungen wurden Kunde von Pinkerton, die nicht nur die ausufernden Rinderdiebstähle eindämmen, sondern die Ansiedlung von kleinen Farmern in den Weidegebieten im Westen verhindern wollten. Zu Pinkertons Männern gehörten so dubiose Gestalten wie Tom Horn, der gegen Kopfprämien Kleinsiedler ermordete.

Neben diesen fragwürdigen Einsätzen der Pinkerton-Detektive, steht der Name Allan Pinkertons aber auch für bedeutende kriminalistische Reformen und Erneuerungen. Er war wohl der erste, der die Fotografie für Fahndungszwecke nutzte. Er legte eine zentrale Verbrecherkartei an, die zu seiner Zeit einzigartig in den USA war. Er sammelte akribisch alle erreichbaren Daten über Straftäter. Sein gewaltiges, zentralisiertes Archiv gilt als Vorläufer der heutigen FBI-Kartei.

In den 1890er Jahren übertraf die Kopfstärke der Pinkerton-Mitarbeiter die Zahl der gesamten US-Armee jener Zeit.

Bei einer Reise nach Südamerika hatte er sich mit Malaria infiziert. Angeblich erlitt er 1883 einen leichten Schlaganfall. Im Juni 1884 stürzte er auf der Straße vor seinem Agenturgebäude und biss sich dabei in die Zunge. Er lehnte eine ärztliche Behandlung ab, und wenig später setzte Wundbrand ein. Daran starb er am 1. Juli 1884.

Allan Pinkerton, der sein Leben lang Atheist war, wurde auf dem Graceland-Friedhof in Chicago bestattet. Seine Söhne Robert und William führten die Detektiv-Agentur weiter. Sie existiert noch heute als global arbeitendes Sicherheitsunternehmen und gehört seit 2003 zur schwedischen Firma „SECURITAS“. Auch auf deutschen Straßen sind Securitas-Geldtransporte unterwegs. Dieses Unternehmen hat Niederlassungen in 53 Ländern der Erde und mehr als 300.000 Angestellte. Die Pinkerton-Abteilung hat noch immer das alte Markenzeichen, ein weit geöffnetes Auge, wenn auch grafisch moderner gestaltet, und das Motto lautet nach wie vor: Wir schlafen nie.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die kommende Ausgabe

Kommentare  

#1 purdurus 2020-09-28 19:19
Zitat:
Am 1 Juli 1894 – vor 126 Jahren
Tatsächlich - wie es auch weiter unten im Artikel steht - 1884; daher vor 136 Jahren.
#2 Harantor 2020-09-28 19:25
Jetzt ist es oben im Text korrigiert. Danke für den Hinweis

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