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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit John Charles Fremont?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit dem John Charles Fremont?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Man nannte ihn den “Pfadfinder” – es war eine populäre Übertreibung, aber tatsächlich stand JOHN CHARLES FREMONT jahrelang als Symbolgestalt für die Eroberung des amerikanischen Westens, für den Beginn der großen Planwagenzüge, im Fokus der Öffentlichkeit. Am 13. Juli 1890 – vor genau 130 Jahren – starb er; fast vergessen.

Es ist nicht möglich, das ungemein komplexe Leben Fremonts in einem Facebook-Artikel darzustellen, ein Leben, dass von extremen Erfolgen und katastrophalen Mißerfolgen, von großartigen Leistungen und völligem Versagen geprägt war. Diese Erinnerung an ihn kann daher nur die wichtigsten Stationen seiner Existenz umreißen.

John Charles Fremont wurde am 21. Januar 1813 in Savannah (Georgia) geboren. Er war ein uneheliches Kind, was ihn im damaligen puritanischen Amerika fast zum Aussätzigen machte. Seine Mutter, Anne Whiting, versuchte zwar, seinen Vater, einen Franzosen namens Charles Fremon, zu heiraten. Ihr wurde aber die Scheidung von ihrem ersten Mann nicht genehmigt.

Fremont wuchs in Charleston (South Carolina) auf. Er war ein hochintelligenter, aber exzentrischer Mensch, der sich mit vorschnellen, undurchdachten Entscheidungen oft selbst im Wege stand. Aber er war charmant und redegewandt und gewann daher Förderer. Etwa den Kriegsminister Joel Poinsett, der ihm Zugang zum Topographischen Korps verschaffte, wo er ohne militärische Ausbildung zum 2nd Lieutenant ernannt wurde. Dieses Korps war am 5. Juli 1838 vor 182 Jahren – geschaffen worden und sollte das Gebiet der USA vermessen und kartographieren.

Fremont vertrat schon früh die Auffassung, dass die USA den gesamten Kontinent beherrschen sollten. Damit stieß er auf offene Ohren bei dem mächtigen Senator von Missouri, Thomas Hart Benton. Fremont und dessen Tochter verliebten sich und heirateten 1841 gegen den Willen des Vaters. Senator Benton fand sich schließlich damit ab und setzte seinen Einfluss ein, seinen Schwiegersohn zu fördern. Fremont enttäuschte ihn nicht. Er wurde zum Bannerträger der Westeroberung.

1842 erhielt er den Auftrag, eine Wagenroute nach Oregon zu erforschen. Fremont hatte das Glück, zwei erstklassige Begleiter für seine Expedition zu finden, den deutschen Kartographen Karl Preuss und den jungen, aber sehr erfahrenen Trapper Kit Carson, der sein Scout wurde.

Während der gesamten Reise wurden geologische und botanische Untersuchungen, Klimamessungen und genaue Kartographierungen vorgenommen.

Mit dem Enthusiasmus eines Eroberers kehrte Fremont nach St. Louis zurück und verfasste einen euphorischen Bericht, der noch im März 1843 der topographischen Behörde und dem zuständigen Senatsausschuss vorlag.

Mit einem Schlag war Fremonts Name in aller Munde. Wissenschaftlich gesehen war der Nutzen der Expedition nicht mit dem bahnbrechenden Unternehmen der Captains Lewis und Clark zwischen 1804 und 1806 zu vergleichen. Aber das mitreißende Temperament Fremonts sprang auf Politiker und Bevölkerung über. Die Expansionisten im Parlament gewannen an Stärke. Allen die davor warnten, Siedlerfamilien in den Rocky Mountains zugrunde gehen zu lassen, erwiderte Fremont: "Die Überquerung der Rockies über den South Pass ist so leicht und ungefährlich wie die Anfahrt auf den Capitol-Hügel in Washington.“ Viele Pioniere werden ihn verflucht haben.

Fremont wurde zum idealen Propagandisten der politischen Expansionsbewegung: Charismatisch und visionär, fesselte er die amerikanische Öffentlichkeit.

In höchster Eile wurden weitere Finanzmittel genehmigt, um dem „Pfadfinder“ eine weitere Expedition zu ermöglichen.

1846 brach der Krieg mit Mexiko aus. Fremont befand sich zu dieser Zeit im Norden Kaliforniens. Er setzte sich an die Spitze einer amerikanischen Miliz, vielleicht 100 bis 200 Mann stark, und führte die sogenannte „Bärenflaggenrevolte“ an. Zusammen mit dem Marineoffizier Robert F. Stockton vertrieb er die mexikanische Verwaltung. Es gab keinen nennenswerten Widerstand. Bis heute wird spekuliert, ob Fremont auf geheimen Befehl des US-Präsidenten Polk handelte. Stockton ernannte Fremont eigenmächtig zum Militärgouverneur. Wenig später traf auf dem Landweg die „Westliche Armee“ unter Brigadegeneral Stephen W. Kearny ein, der Fremont klarmachte, dass er sich ihm zu unterstellen habe. Als Fremont sich weigerte, wurde er arretiert, in den Osten transportiert und vor ein Militärgericht gestellt. Er entging einer unehrenhaften Entlassung durch den Austritt aus der Armee.

Fremont erwarb ein Stück Land in Kalifornien, auf dem kurz darauf reiche Goldvorkommen entdeckt wurden. Im Dezember 1849 wählte ihn das Parlament des Territoriums zum Senator. Er amtierte etwa 10 Monate, bis Kalifornien Bundesstaat der USA wurde.

Fremont war 1856 einer der Mitbegründer der Republikanischen Partei. Am 17. Juni 1856 wurde er in Philadelphia zum ersten Präsidentschaftskandidaten der Republikaner nominiert. Es war einer der letzten Triumphe in Fremonts Leben. Im Wahlkampf wurden wieder Fremonts uneheliche Geburt und seine Zugehörigkeit zur katholischen Kirche vorgebracht. Er unterlag dem Demokraten James Buchanan.

Bei Ausbruch des Amerikanischen Bürgerkrieges 1861 wurde Fremont zum General ernannt. Zeitweise stand er mit einer Armee in Tennessee. Als er eigenmächtig, ohne Rückendeckung des Präsidenten, die Sklavenbefreiung in Missouri verkündete, wurde er seines Postens enthoben.

Nach dem Krieg verlor Fremont durch finanzielle Fehlspekulationen den größten Teil seines Vermögens. Jessie, seine Frau, hielt in aufopferungsvoller Weise zu ihm. Sie war es, die mit Büchern und Zeitungsartikeln über die Erlebnisse und Leistungen ihres Mannes im Wesentlichen den Lebensunterhalt der Familie bestritt, die Erinnerung an ihn wachhielt und zugleich an seiner Legende mitschrieb.

1878 wurde Fremont zum Gouverneur des Territoriums Arizona ernannt. In den heftigen Auseinandersetzungen in der Region um Tombstone, die in der Schießerei am OK Corral gipfelten, verhielt Fremont sich unentschlossen. Die Kritik an ihm wurde immer heftiger.1881 trat er von seinem Amt zurück.

1887 erschienen seine Memorien, aber kaum jemand wollte seine Geschichte noch lesen. Noch im selben Jahr erkrankte er schwer. 1890 musste sich der immer gebrechlicher werdende Fremont zu ärztlicher Behandlung von Kalifornien nach New York begeben. Alte Freunde in der Regierung bemühten sich darum, die bescheidene finanzielle Situation der Familie zu verbessern. Der Kongress setzte Fremont wieder in den Rang eines Generalmajors der US-Armee ein, damit war eine jährliche Rente von ca. 2.000 Dollar verbunden. Am 13. Juli 1890 starb er in einer kleinen Pension in Manhattan.

Auch wenn Fremonts Leistung als Forscher und Entdecker überschätzt worden ist, war er eine Ausnahmeerscheinung: Charismatisch, ambitioniert, risikofreudig und von missionarischem Enthusiasmus. Viele maßgebliche Entscheidungen, die um die Mitte des vorigen Jahrhunderts das Gesicht Amerikas veränderten, gingen auf seine Reiseberichte zurück.

Seine Gegner sahen in ihm einen Opportunisten. Seine Freunde priesen ihn als kühnen Visionär und rückhaltlosen Patrioten. Derartige Polarisierungen sprechen eher für als gegen ihn; denn sie belegen, dass er eine starke Persönlichkeit gewesen sein muss. Solche Menschen zahlen meist einen hohen Preis für ihren Ruhm.

Man kann John Charles Fremont nicht mit den Captains Lewis und Clark vergleichen. Folgende Feststellung ist aber erlaubt: Lewis und Clark zeigten Amerika den Weg nach Westen, John C. Fremont stieß der Nation das Tor auf.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die kommende Ausgabe

 

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