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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit dem »ersten Rendezvous«?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit dem »ersten Rendezvous«?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 16. Juli 1830 kam es mitten in den Rocky Mountains des heutigen US-Staates Wyoming zu einem eher unauffälligen Ereignis, dessen weitreichende Bedeutung sich erst Jahre später herausstellte. An jenem Tag erreichte eine Gruppe von Pelzhändlern und Trappern unter Führung von William L. Sublette mit einem Frachtwagen, der von einem Zehner-Maultiergespann gezogen wurde, und zwei Dearborn-Buggies in einem Tal der Rocky Mountains das große jährliche Rendezvous von Hunderten von Mountain Men, Indianern und Händlern des Pelzhandels.

Zum erstenmal hatten sich damit Händler mit einem schweren Transportfahrzeug in die Berge getraut. Bis dahin hatte die Überzeugung vorgeherrscht, dass die Rocky Mountains allenfalls mit Packtieren zu bewältigen seien.

Sublette war am 10. April 1830 von St. Louis aus aufgebrochen. Nach einer Fahrt von 3 Monaten war es ihm gelungen, den South Pass zu überqueren. Bis dahin hatten die Rocky Mountains als völlig unüberwindbar für Fahrzeuge gegolten. Immerhin erkannte Sublette die Bedeutung seines Unternehmens; denn er informierte nach seiner Rückkehr im Herbst den amerikanischen Kriegsminister John H. Eaton. William Sublette hatte damit die Behauptung widerlegt, dass Fahrzeuge schon am Rande der Felsengebirge scheitern würden. Allerdings hatte er die Rockies nicht überquert und war noch vor der Kontinentalscheide zum Stehen gekommen. Einer seiner Begleiter notierte: „Es war das allererste Mal, dass Fahrzeuge in die Rocky Mountains vordrangen, und die Leichtigkeit und Sicherheit, mit der das gelungen war, belegen die Möglichkeit des Verkehrs über Land bis zum pazifischen Ozean.“

Der Redakteur Charles Keemle der Zeitung „St. Louis Beacon“ schrieb nach Rückkehr Sublettes im Oktober: „Die Wagen haben zwar die Gebirge nicht überquert, aber es gab nichts, was sie davon hätte abhalten können.“

William Sublette war zu jener Zeit bereits eine bekannte Gestalt im amerikanischen Pelzhandel. Er war am 21. September 1798 in Kentucky geboren worden und an der Wildnisgrenze aufgewachsen. Mit seinen vier Brüdern – Milton, Andrew, Pinkney und Salomon – war er ab 1823 in die Dienste der Rocky Mountain Fur Company eingetreten und war 1826 Miteigentümer der Firma geworden. William war ein fähiger Mountain Men und Trapper, sowie ein guter Geschäftsmann, der mithalf, gangbare Wege für die ersten Pioniere, die nach Oregon zogen, zu schaffen. Mit großem Geschick schuf er ein Netzwerk im westlichen Pelzhandel, das bis nach Kanada im Norden und nach Mexiko im Süden reichte.

Seine Fahrt zum Rocky Mountain Rendezvous war ein Durchbruch, wurde von ihm aber nicht mehr wiederholt. So leicht, wie es von einigen Zeitgenossen beschrieben wurde, war der Weg offenbar nicht gewesen. 1831 benutzte er wieder Packtiere.

Den endgültigen Beweis, dass die Rocky Mountains mit Wagen zu überqueren waren, erbrachte ein Mann, der vom Pelzhandel im Grunde ebenso wenig Ahnung hatte wie vom amerikanischen Westen – der Abenteurer und ehemalige Offizier Captain B. L. E. Bonneville. Es war wohl reine Naivität, dass Bonneville sich traute, 1832 mit nicht weniger als 20 vollgepackten Frachtwagen über den South Pass zu fahren und die Rocky Mountains zu überqueren. Bonneville hatte einfach logisch gedacht: Fahrzeuge konnten weitaus mehr Tauschwaren und Pelze transportieren als Packtiere – und man benötigte nur einige Zugtiere pro Wagen, nicht eine ganze Herde Packtiere. Ferner konnten die Wagen als Festung dienen, wenn es zu Indianerangriffen kam. Ein Wagentreck sparte auch Zeit, denn die Fahrzeuge mussten nicht jeden Abend abgeladen und jeden Morgen aufgeladen werden. Bonneville mochte keine großen Kenntnisse vom Westen haben, aber er war vernünftig genug, keine Pferde, sondern Maultiere und Ochsen als Zugtiere einzusetzen.

Er folgte wohl teilweise dem Sublette-Trail und träumte davon, eine eigene Wagenstraße anzulegen.

In der Theorie hatte Bonneville mit allem recht – in der Realität erwies sich der Weg aber als weitaus schwerer als erwartet. Bei Regenwetter sanken die Räder der schweren Fahrzeuge tief im Schlamm ein. Bei Erreichen der Great Plains brachte die mörderische Trockenheit das Holz der Wagen zum Schrumpfen. Die Achsen mussten feucht gehalten werden, um sich nicht zu verziehen, so dass die Räder sich lockerten. Das Durchfurten der wenigen Wasserläufe erwies sich als extrem gefährlich. Aber Bonneville gab nicht auf. Am 24.Juli 1832 – vor genau 188 Jahren – hatte er mit seiner Mannschaft den Sweetwater River durchquert und befand sich jetzt auf der Route, die später den Oregon Trail bilden sollte. Er kämpfte sich 7 Stunden lang mit seinem Treck zum South Pass hoch. Irgendwann ging es wieder abwärts, und dann tauchten schmale, klare Bergströme auf, die westwärts flossen. Bonneville berichtete, dass seine Mannschaft anhielt und „eine Anzahl feine Forellen fischte“ – jetzt wussten sie, dass sie die Kontinentalscheide überwunden hatten, „denn nur in den westlichen Flüssen der Rocky Mountains können Forellen geangelt werden.“

Bonneville schlussfolgerte mit einigem Stolz, dass er damit bewiesen habe, dass man „von den Wassern des Atlantik bis zu jenen des Pacific mit Fahrzeugen gelangen“ könne.

Die Überquerung der Rockies mit so vielen Fahrzeugen sollte der einzige bedeutende Beitrag Captain Bonnevilles zum Pelzhandel bleiben. Den erhofften Reichtum erlangte er nicht, aber man kann ihm ohne weiteres das Verdienst anrechnen, zu den Wegbereitern der Planwagentrecks zu gehören.

Der erste Mann, der den Weg in die Felsengebirge mit Fahrzeugen gewagt hatte, zog sich in eben jenem Jahr, 1832, aus der Wildnis zurück: Beim Rendezvous dieses Jahres war es im Pierre‘s Hole zu einem Kampf zwischen Trappern und Indianern gekommen. Dabei war William Sublette verwundet worden. Es gibt Zeitzeugen die meinen, dass er diesen Kampf selbst ausgelöst hatte. Nachdem er sich in St. Louis erholt hatte, war er der Überzeugung, dass die Rendezvous nicht die Lösung für den Pelzhandel darstellten. Er errichtete mit seinen Partnern am Laramie River „Fort William“ – das später als Fort Laramie berühmt werden sollte. Damit schuf er den Anfang der großen Pelzhandelsposten im Westen, die – wie Fort Bent, Fort Union, Fort Benton und andere zu Handelszentren in der Wildnis wurden und die Besiedelung vorantrieben.

William Sublette, einer der großen Pioniere des Pelzhandels und der Westwanderung, setzte sich in St. Louis zur Ruhe und starb hier am 23. Juli 1845 – vor 175 Jahren.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die kommende Ausgabe

 

 

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