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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Edward L. Schieffelin?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Edward L. Schieffelin?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 27. Mai 1847 wurde in der Bergwerksregion Wellsboro in Pennsylvania ein Mann geboren, der vom verspotteten Bettler zum Millionär aufstieg und nicht nur eine ganze Region im amerikanischen Westen prägte, sondern eine Legende schuf: EDWARD L. SCHIEFFELIN gründete TOMBSTONE, Arizona, die Stadt, die von sich selbst sagt, sie sei „zu zäh zum Sterben“.

Sein kurzes aber abenteuerliches Leben in wenigen Sätzen zu beschreiben ist fast unmöglich. Schieffelin stammte aus einer wohlhabenden, alten Familie, die allerdings während der amerikanischen Revolution aufseiten des englischen Königs stand. Dafür wurde Eds Großvater inhaftiert. Er entkam nach Kanada, wo er zum Leutnant der Queens Rangers ernannt wurde.

Erst 1794 kehrte er aus Montreal zurück nach New York und gründete mit seinem Bruder eine Drogerie, die unter dem Namen „Schieffelin & Somerset“ als Importeur hochwertiger Spirituosen noch heute in der Park Avenue existiert.

Im Januar 1849 machte sich sein Sohn Jacob mit seinen beiden Söhnen, Alfred und Edward auf den Weg zur Westküste, nachdem die Nachrichten von fantastischen Goldfunden in Kalifornien nach New York gelangt waren. Von hier aus begann der 17jährige Ed in verschiedenen Minencamps zu arbeiten und lernte viel über geologische Formationen. Ab 1865 zog er selbst als Prospektor durch den Westen. Er schürfte nach Erz in Idaho, Nevada, imTal des Todes, in Colorado und New Mexico.

1876 schrieb ein Zeitgenosse, der Schieffelin in Phoenix (Arizona) begegnete: „Er ist wohl das seltsamste Exemplar unter allen menschlichen Wesen, dass ich je gesehen habe.“

Der 30jährige Schieffelin war völlig mittellos und kurz vor dem Verhungern als er 1877 hörte, dass die US-Armee am Rande des Gebiets der Chiricahua-Apachen ein neues Fort errichtete, um die Mexiko-Grenze zu sichern. Das war Fort Huachuca.

Schieffelin fand Arbeit bei der Armee. Auf diese Weise verdiente er ein paar Dollars. Zugleich begann er nebenbei in der Region am San Pedro River, einem Gebiet, das von den Apachen von Cochise, Geronimo und Victorio durchstreift wurde, wieder nach Erz zu suchen.

Der berühmte Chief of Scouts, der deutschstämmige Al Sieber sagte zu ihm: „Das einzige, was du da draußen finden wirst, ist dein Grabstein.“

Nachdem Schieffelin auf eine hoffnungsvolle Silberader stieß und am 21. September 1877 einen Claim eintragen ließ, hatte er noch 30 Cents in der Tasche. Er ging auf die Suche nach seinem Bruder Al, um sich Geld für Werkzeuge zu borgen. Al war skeptisch. Aber es gab den Minenexperten Richard Gird, der von Eds Erzmustern elektrisiert war. Er kam zu dem Schluss, dass der Claim mindestens 2.000 Dollar pro Tonne bringen dürfte. Ed Schieffelin, Al Schieffelin und Richard Gird bildeten auf der Stelle eine Partnerschaft – per Handschlag.

Gird finanzierte die Ausrüstung. Sie zogen zu Schieffelins Claim. Binnen weniger Tage entdeckten sie weitere Silberadern. Die erste Mine nannte Ed Schieffelin „TOMBSTONE“ (Grabstein), im Gedenken an den Spott, dem er in Fort Huachuca ausgesetzt gewesen war. Die nächste Ader erhielt den Namen „Lucky Cuss“ – sie sollte eine der reichsten Silberminen Arizonas werden. Der dritte Claim wurde „Tough Nut“ getauft. Die drei Partner gründeten jetzt offiziell die „Tombstone Gold and Silver Mining Company“.

Am 17. Juni 1879 fuhr Ed Schieffelin mit einem blauen Frachtwagen voll mit Silbererz nach Tucson – und verkaufte die Ladung für 18.744 Dollar – das entspricht einem heutigen Wert von mehr als einer halben Million.

Der Erfolg von Schieffelin und seinen Partnern sprach sich in Windeseile herum. Binnen weniger Wochen wurde die Region von Erzsuchern überrannt. Am 5. März 1879 wurde auf einer Hochebene namens Goose Flats das Areal für den Ort „Tombstone“ vermessen.

Binnen kürzester Zeit wurden weitere Erzvorkommen entdeckt. Die Gewinne waren vom ersten Tag an exorbitant. Das Erz brachte bis zu 15.000 Dollar pro Tonne.

Die glücklichen Finder aber gerieten damit in Probleme. Silberabbau ist aufwändig. Man benötigte schon damals dafür teure Maschinen.

Am 13. März 1879 verkauften Al und Ed Schieffelin ihre zwei Drittel Anteile an den Claims an die Corbin Brothers, eine große Minenfirma in Philadelphia und Boston. Jeder erhielt dafür 1 Million Dollar – das wären nach heutigem Wert fast 30 Millionen. Richard Gird blieb und wurde einer der Minendirektoren im Tombstone-Distrikt. Ed Schieffelin verließ Arizona und zog nach Oregon. Al Schieffelin investierte in die rasch wachsenden Geschäfte und errichtete die „Schieffelin Hall“, das größte Adobegebäude im amerikanischen Südwesten, als Theater und Veranstaltungszentrum. (Das Gebäude ist noch heute im Besitz einer Großnichte von Al Schieffelin.)

Auf dem Höhepunkt des Erfolgs von Tombstone lebten hier um die 15.000 Menschen. Die Minen produzierten damals zusammengenommen Silber für mehr als 85 Millionen Dollar – das entspricht einem heutigen Wert von fast 2 Milliarden.

Ed Schieffelin war ein wohlhabender Mann. Aber er war nicht glücklich; er versank in Depressionen. Er vermisste das Leben in der Wildnis. Als er am 12. Mai 1897 starb, war er gerade 49 Jahren alt. In seinem Testament bestimmte er, dass er auf dem allerersten Claim, den er bei Tombstone abgesteckt hatte, in seiner zerschlissenen Kleidung als Prospektor beerdigt werden sollte. So geschah es. Ihm wurden Spitzhacke, Schaufel und Wasserflasche in den Sarg gelegt. In seinem Testament schrieb er: „Ich wollte niemals reich werden. Ich wollte einfach nur nahe der Erde sein und das Gold von Mutter Natur sehen.“


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2019Die aktuelle Ausgabe

 

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