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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit dem Memorial Day?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit dem Memorial Day?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 25. Mai wird in den USA der MEMORIAL DAY begangen, einer der höchsten Feiertage der Vereinigten Staaten. Es handelt sich um einen nationalen Feiertag in allen 50 Staaten, an dem der Soldaten und Offiziere gedacht wird, die im Dienst gefallen sind.

Ursprünglich wurde dieser Tag einmal “Decoration Day” genannt, weil die Kriegsgräber geschmückt wurden. Von 1868 bis 1971 fand er stets am 30. Mai statt. Seither ist immer der letzte Montag im Mai "Memorial Day”.

Angehörige von gefallenen Soldaten, aber auch andere, die das Militär ehren wollen, gehen an diesem Tag auf die Nationalfriedhöfe und schmücken die Gräber mit Blumen und kleinen Flaggen. (Der Tag ist nicht zu verwechseln mit dem „Armed Forces Day“, der ebenfalls im Mai begangen wird. An diesem Tag werden die lebenden Angehörigen der Streitkräfte geehrt.)

Die Geschichte des Memorial Day ist schwierig zu umreißen und teilweise umstritten. Es gibt mindestens 25 Orte und Regionen in den USA, die für sich reklamieren, diesen Tag „erfunden“ oder zumindest als erste zelebriert zu haben. Es gibt an der Universität von Columbus in Georgia sogar ein eigenes „Center fo Memorial Day Research“.

Die meisten Geschichten über die Anfänge dieses Feiertages sind Mythen und Legenden. In Virginia wird angegeben, dass es schon 1861 weibliche Angehörige von gefallenen konföderierten Soldaten gab, die damit begannen, die ersten Kriegsgräber besonders zu dekorieren. Aber auch Pennsylvania beansprucht die Ehre für sich, einen Memorial Day zelebriert zu haben, und zwar schon 1863 mit Eröffnung des Gräberfeldes von Gettysburg. Ferner nennt sich die kleine Gemeinde Boalsburg in Pennsylvania als „Ursprungsort des Memorial Days“; hier will man erstmals am 4. Juli 1864 Soldatengräber geschmückt haben: es gibt dafür keine sicheren Belege.

Im April 1866 entschieden vier Frauen aus Columbus (Mississippi), die Gräber ihrer gefallenen Männer zu dekorieren – und als sie einmal dabei waren, schmückten sie auch alle anderen erreichbaren Gräber von konföderierten Soldaten. Manche Chronisten nehmen dieses Verhalten als Inspiration für den dann folgenden Feiertag.

Am 5. Mai 1868 schlug der General John A. Logan einen jährlichen „Decoration Day“ vor. Logan war damals der Kommandant der GRAND ARMY OF THE REPUBLIC, der vielleicht größten Veteranenorganisation in der Geschichte der USA; hier hatten sich alle ehemaligen Soldaten und Offiziere der Unionsarmee des Bürgerkrieges zusammengeschlossen, um ihre Forderungen gegen den Staat nach Ende des Krieges durchzusetzen. (Es ging u. a. um Pensionsansprüche, die Versorgung von Invaliden, um Arbeitsplätze für Veteranen, usw.) die GAR hatte zeitweise fast 500.000 Mitglieder. Sie wurde 1956 aufgelöst, als der letzte noch lebende Civil-War-Veteran mit 106 Jahren starb.

Gerechterweise muss man sagen, dass dieser „Decoration Day“ in einigen Südstaaten bereits existierte – wenn auch nur regional. Der Norden übernahm Logans Forderung sofort. 1868 wurden bereits 183 Soldatenfriedhöfe in 27 Bundesstaaten besonders geschmückt. Ein Jahr später waren es schon 336. Warum ausgerechnet ein Datum im Mai für diesen Feiertag ausgesucht wurde, ist Gegenstand von Spekulationen. Einige Autoren nennen als sehr prosaischen Grund, dass im Mai besonders viele Frühjahrsblumen zur Blüte gelangten und daher als Grabschmuck gut geeignet waren.

Die schnelle Ausbreitung dieser Praxis zeugte von der Popularität der Idee. Ab 1865 gab es eine besondere Kriegsgräber-Verwaltung im „United States National Cemetery System“ – das erleichterte die Systematisierung der Ehrung für die Gefallenen.

Ab den 1880er Jahren gab es sogar kleine „Handbücher“ für die GRAND ARMY OF THE REPUBLIC, wie dieser Tag zu begehen sei. Der Besuch der entsprechenden Friedhöfe mit möglichen Paraden wurde empfohlen, das Vortragen von Gedichten, Reden und Bibelzitaten an den Gräbern, sowie Musik. In Orten, in denen sich Militärposten befanden, marschierte die Besatzung mit Flaggen und Blaskapellen zu den Friedhöfen. Die Zeremonie endete dann mit Salutschüssen.

Waren diese nationalen Zeremonien zunächst ausschließlich für die Unionssoldaten gedacht, trat mit Anfang des 20. Jahrhunderts eine Änderung ein. Jetzt wurden alle Teilnehmer am Bürgerkrieg geehrt. Und auch die Diskriminierungen verschwanden nach und nach – Soldaten mit bestimmtem ethnischen oder religiösen Hntergrund waren zeitweise ausgeschlossen gewesen. Damit war der „Decoration Day“ zeitweise auch in die politische Auseinandersetzung geraten.

Im Laufe der Zeit wurden auch die Gefallenen anderer Kriege miteinbezogen. Ab 1913 paradierten lebende Veteranen des Nordens und des Südens in Washington. Damit wurde dieser Tag eine Art Symbol für die Versöhnung beider Landesteile.

Schon 1882 war erstmals vom „Memorial Day“ gesprochen worden. Diese Bezeichnung setzte sich endgültig aber erst nach Ende des 2. Weltkrieges durch. Nicht vor 1967 wurde dieser Name durch Beschluss des Congresses „offiziell“.

Schon Anfang des 20. Jahrhunderts beklagten die letzten noch lebenden Veteranen der GRAND ARMY OF THE REPUBLIC, dass dieser Feiertag seiner ursprünglichen Würde entkleidet wurde und zunehmend Freizeitaktivitäten diente. Das dürfte aber auf alle Feiertage in der ganzen Welt – ob religiös, patriotisch oder profan/säkular – zutreffen. Der besondere Schmuck von Militärfriedhöfen ist allerdings bis heute fester Bestandteil dieses Tages in den USA, so wie an vielen Orten auch noch immer Paraden stattfinden. Die kleinen Städte Rochester (Wisconsin) und Doylestown (Pennsylvania) beanspruchen für sich, die älteste Tradition der Paraden zum Memorial Day zu haben. Sie begannen damit 1867, bzw. 1868.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2019Die aktuelle Ausgabe

 

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