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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Commodore Perry Owens?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Commodore Perry Owens?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: In Kürze wird das DEUTSCHE WAFFEN-JOURNAL einen längeren Artikel von mir über den Arizona-Sheriff COMMODORE PERRY OWENS veröffentlichen. Ich habe an dieser Stelle schon einmal über ihn geschrieben und will diese Gelegenheit nutzen, diesen bemerkenswerten Mann noch einmal zu erwähnen.

Am 10. Mai 1919 – vor genau 101 Jahren, starb Commodore P. Owens in Flagstaff, Arizona. Er war niemals so berühmt wie etwa die Brüder Earp, Wild Bill Hickok oder Billy the Kid. Aber Owens repräsentierte mit einer einzigen spektakulären Tat das Klischee vom „Wilden Westen“ in geradezu epischer Weise. Er wurde damit zum Muster des exzentrischen Revolvermannes mit dem Polizeistern, wie es ihn nur an der amerikanischen Frontier geben konnte..

Owens bediente zudem hervorragend das Klischee vom Western-Helden. Bei genauerem Hinsehen entdeckt man zwar einen großen Teil Wahrheit, aber auch einige Prinzipien der wilden Pionierzeit im amerikanischen Westen, die sowohl Hollywood-Western als auch unzählige Western-Romane lieber verschweigen.

Bekannt wurde Owens durch einen Vorfall, der sich am 4. September 1887 abspielte. Er war zu dieser Zeit gewählter Sheriff des Apache County mit Amtssitz in Holbrook, Arizona. Owens hatte am Vormittag jenes Tages erfahren, dass sich der mit Haftbefehl gesuchte Andy Cooper-Bevins bei seiner Familie aufhielt. Obwohl Owens allein war, ging er entschlossen zum Haus der Familie, um den Haftbefehl zu vollstrecken.

Owens, am 29. Juli 1852 auf einer Farm in Tennessee geboren, arbeitete Anfang der 1870er Jahre als Cowboy in Texas. 1882 gründete er im Arizona-Territorium eine eigene kleine Pferdezucht. Von seinen Nachbarn unterschied er sich dadurch, dass er viel Geld für Munition ausgab und regelmäßig mit Colt und Winchester übte. Viehdiebstahl gehörte zu den großen Problemen der Region. Owens wusste, wie er sich gegen „Rustlers“ zu schützen hatte. Das war wohl der Grund, weshalb er 1886 zum Sheriff des Bezirks gewählt wurde

Zwar gingen die Viehdiebstähle danach erheblich zurück, aber ansonsten legte Owens keine besondere Aktivität an den Tag. Viele hielten ihn für faul. Das war er nicht. Schon im „Wilden Westen“ gab es Bürokratie und juristische Feinheiten. Owens zog daher schnelle Entscheidungen vor.

Am 1. Juni 1887 erschoß einer seiner Deputies keinen Geringeren als Ike Clanton aus Tombstone. Clanton war als notorischer Viehdieb bekannt, aber eine Verurteilung war bislang keinem Gericht gelungen. Der Historiker Glenn Boyer schrieb: „Wahrscheinlich hatte Owens … seine Deputies angewiesen, Ike sofort zu erschießen, wenn sie ihn erwischten.“

Seit 1886 tobte im benachbarten Tonto Basin eine erbitterte Weidefehde zwischen Rinder- und Schafzüchtern, konzentriert auf die Familien Tewksbury und Graham. Die Rinderzüchter versuchten in jenen Jahren mit allen Mitteln, das Vordringen von Schafzucht im Westen zu verhindern. Aufseiten der Rinderrancher stand auch die Familie Blevins. Es kam zu einem blutigen „Weidekrieg“, der mindestens 26 Todesopfer forderte.

Im Februar 1887 ermordete Andy Cooper-Blevins einen Schafhirten. Seine Stiefmutter und Brüder lebten in Holbrook, wohin er sich häufig zurückzog. Als er am 4. September 1887 nach Holbrook kam, hatte er gerade zwei Tage zuvor an einem blutigen Kampf teilgenommen, bei dem 2 Männer getötet worden waren.

Cooper-Blevins sattelte sein Pferd, als er Owens kommen sah. Er verschwand im Haus. Owens sprach durch die offene Tür mit ihm. Dann fielen Schüsse.

An diesem Punkt bekommt die Geschichte zwei Facetten – die Version der Legende und die Version der Augenzeugen, die Commodore Owens mit seiner eigenen Aussage vor Gericht bestätigte.

Die Legende beschreibt, dass der Sheriff ins Haus rief, dass er einen Haftbefehl für Andy Cooper habe. Daraufhin hätten Cooper und dessen Brüder das Feuer eröffnet. Owens konnte sich nur mit einem Sprung auf die Straße retten.

Tatsächlich verlief der Kampf ein wenig anders. Wie nach jeder Schießerei gab es eine gerichtliche Untersuchung. Die Akten belegen, was geschah. Owens erklärte Cooper an der Haustür für verhaftet. Cooper antwortete, dass er nicht mitkommen werde. Daraufhin hob der Sheriff ohne ein weiteres Wort seine Winchester und schoss ihn nieder.

Danach tauchten John Blevins, Moses Roberts und Sam Houston Blevins seitlich vom Haus und durch eine zweite Tür auf. Owens feuerte sofort weiter. 5 Schüsse = 3 Tote, 1 Verwundeter.

Der bekannte Historiker Wayne Gard schrieb 1968: „Sheriff Owens, die rauchende Winchester in der Hand, hatte keinen Kratzer davongetragen. … Der Leichenbeschauer schlussfolgerte, dass er in Erfüllung seiner Pflicht gehandelt habe.“

Derart spektakuläre Kämpfe – trotz der in Filmen und Romanen verbreiteten Klischees – waren keineswegs häufig. Männer wie Owens überlebten solche gefährlichen Situationen nicht, weil sie ihren Gegnern eine „faire“ Chance gaben, sondern weil sie ohne zu zögern sofort schossen. Das in Filmen glorifizierte „Duell“ zwischen Sheriff und Bandit war Unsinn. Ein Sheriff der zuließ, dass ein Outlaw zur Waffe griff, war so gut wie tot.

Owens hatte sehr gefährliche Männer vor sich, die mehrfach getötet hatten. Er handelte entschlossen, schnell und zielgerichtet. Der schwerverletzte John Blevins wurde wegen des Angriffs auf den Sheriff zu 5 Jahren Haft im Zuchthaus Yuma verurteilt. Er kam 1928 bei einem Autounfall (!) in Phoenix ums Leben.

Owens arbeitete später als Sicherheitsbeamter für die Eisenbahn, war als Wells-Fargo-Detektiv tätig und amtierte als Sheriff des Navajo County und als Deputy US Marshal. 1896 ließ er sich in der kleinen Gemeinde Seligman nieder. Hier heiratete er 1902 Elizabeth Barrett. Er starb am 10. Mai 1919 – ganz friedlich im Bett. Er liegt in Flagstaff begraben. (Das Todesdatum auf seinem Grabstein ist falsch.)


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2019Die aktuelle Ausgabe

 

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