Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Heros von Borcke?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Heros von Borcke?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 10. Mai 1895 – vor 125 Jahren – starb in Berlin eine der interessantesten Persönlichkeiten amerikanisch-preußischer Militärgeschichte: HEROS VON BORCKE.

Der als Johann August Heinrich Heros von Borcke am 23. Juli 1835 gebürtige Sohn aus pommerschem Adel diente zeitweilig als Stabschef des legendären konföderierten Kavalleriegenerals J. E. B. Stuart im Amerikanischen Bürgerkrieg.

Die Familie von Borcke wurde erstmals 1186 aktenkundig. Sie besaß mehrere große Landgüter in Pommern und Brandenburg. Heros trat 1855 in die preußische Kavallerie ein und stieg bis zum Leutnant der Garde-Kürassiere im 2. Brandenburgischen Dragoner-Regiment auf.

Die militärische Disziplin war ein Problem für ihn. Er war als leichtlebig bekannt, sowohl dem Alkohol als auch dem Glücksspiel zugeneigt. Das führte zu Schwierigkeiten mit seinem strengen Vater, der irgendwann keine Neigung mehr hatte, die Spielschulden seines Sohnes zu begleichen. Einige Quellen sprechen von über 15.000 Talern – eine gewaltige Summe in jener Zeit.

1862 entschied Heros von Borcke sich daher, den Militärdienst zu quittieren und nach Amerika zu gehen, wo gerade der Bürgerkrieg zwischen Nord und Süd tobte. Im Mai 1862 traf er in Charleston (South Carolina) ein und meldete sich zur Konföderierten Armee.

Als ehemaliger preußischer Offizier wurde er im Lager der Virginia-Kavallerie unter J. E. B. Stuart herzlich willkommen geheißen und sofort im Rang eines Majors eingestellt. Mit Stuart, der ihn zu seinem Stabschef ernannte, verband ihn bald eine enge Freundschaft.

Borcke war eine eindrucksvolle Erscheinung. Über 1,90 m groß, wurde er als „Giant dressed in Gray“ beschrieben, der „Riese in Grau“. Er gewann eine große Popularität in der Konföderierten Armee. Seine Fähigkeiten als Offizier wurden ebenso hoch geschätzt wie seine persönliche Tapferkeit. Eine New Yorker Zeitung schrieb: "Der feindliche Angriff wurde von einem Riesen geführt, der auf einem ungeheuren Pferde sitzend, ein Schwert, so lang und so breit wie ein Zaunpfahl, wütend um seinen Kopf schwang und einen erschreckenden Eindruck auf unsere Leute machte." Das war Heros von Borcke.

Borcke nahm an mehreren von Stuarts sogenannten „Raids“ hinter die feindlichen Linien teil und focht in einigen der bedeutendsten Schlachten des Bürgerkrieges, vor allem im Kampf von Brandy Station, der größten Kavallerieschlacht des Civil War am 9. Juni 1863. Aber am 19. Juni stießen Konföderierte und Unions-Reiter bei Middleburg (Virginia) zusammen, und Borcke wurde von einer Musketenkugel in den Hals getroffen. Die Kugel prallte auf einen Knochen und rutschte durch die Luftröhre in die Lunge. Hier blieb sie bis zum Ende seines Lebens stecken und verursachte eine schleichende Bleivergiftung.

Welche Bedeutung Borcke für die Konföderierte Armee hatte ist auch daran ersichtlich, dass er und seine Verwundung ausdrücklich auf der Gedenktafel auf dem Schlachtfeld erwähnt werden:

„Am 19. Juni 1863 kämpfte hier die Kavallerie unter Generalmajor J. E. B. Stuart gegen eine Brigade der Unionskavallerie unter General David M. Gregg. … In diesem Kampf wurde Major Heros von Borcke, ein preußischer Offizier und Adjutant von Stuart, von einer Kugel in den Hals getroffen. Er erholte sich und stand am 12. Mai 1864 an Stuarts Totenbett.“

Trotz seiner Genesung, musste Borcke den aktiven Militärdienst zunächst aufgeben. Die konföderierte Regierung beförderte ihn am 20. Dezember 1864 zum Oberstleutnant im Adjutant-General’s Department und schickte ihn als diplomatischen Botschafter nach England. Durch die Kapitulation des Südens im April 1865 wurde seine Mission obsolet.

Bevor er Amerika verließ, verabschiedete das Parlament der Konföderierten Staaten eigens eine Resolution zu seinen Ehren: „Der Dank des Kongresses gebührt … Major Heros von Borcke für seinen selbstaufopfernden Dienst für unsere Konföderation und für seine hervorragenden Dienste zur Unterstützung unserer Sache.“

Bis heute ist Borcke in Virginia unvergessen. Er taucht auch in dem Film „Gods and Generals“ auf. Sein gewaltiger Säbel, den er sich wegen seiner Körpergröße regelrecht „nach Maß“ schmieden ließ, liegt heute im konföderierten Museum in Richmond.

1866, nach seiner Rückkehr nach Preußen, diente er als Leutnant im 3. Dragoner-Regiment in der preußischen Armee im Krieg gegen Österreich und nahm an der Schlacht von Königgrätz teil. Seine Verwundung aus dem Bürgerkrieg machte aber einen weiteren Militäreinsatz unmöglich. Im Rang eines Rittmeisters entlassen, kehrte er auf eines der Güter seiner Familie heim und schrieb seine Erinnerungen, „Zwei Jahre im Sattel und am Feinde“, die auch ins Englische übersetzt und ein großer Erfolg wurden.

1867 heiratete er Magdalena Honig, die schon 1883 verstarb. Zwei Jahre später heiratete Borcke die jüngere Schwester seiner ersten Frau, Tony Honig.

1884 reiste Borcke noch einmal in die USA und besuchte seine alten Freunde aus den Tagen des Bürgerkrieges. Danach schrieb er anläßlich der Neuauflage seiner Kriegserlebnisse in dem Nachwort „Zwanzig Jahre später“ diese bemerkenswerten Sätze: „Der Süden … hatte meine wärmsten Sympathien. … Humanitäre Gründe hätten mich jedoch auf die Seite der Gegner der Sklaverei bringen müssen, doch zur Zeit meiner Entscheidungen in der Sturm- und Drangperiode meines Lebens beeinflußten mich andere Gedanken.“

Borcke wurde in Amerika wie ein Staatsgast empfangen. Seine Popularität war ungebrochen. Er kehrte tief bewegt nach Preußen zurück und schrieb weitere Bücher und Berichte über seine Kriegserlebnisse. Sein Gut Giesenbrügge im Landkreis Soldin musste er schließlich verkaufen. Er lebte bis zu seinem Tod in Berlin.

Historiker sehen seine Schriften bis heute als ungemein nützliche Quellen über die Geschichte der südstaatlichen Kavallerie an, haben allerdings auch immer wieder erhebliche Übertreibungen festgestellt.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2019Die aktuelle Ausgabe

 

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.