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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Kintpuash?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Kintpuash?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 11. April 1873 erschoss der Häuptling der Modoc-Indianer in Nordost-Kalifornien, Kintpuash, besser bekannt als „Captain Jack“, den General Edward Canby und den Reverend Eleazer Thomas.

Canby war der einzige amerikanische General und Departmentskommandeur, der von Indianern getötet wurde. (Custer am Little Bighorn war Lieutenant Colonel.)

Die Modoc hofften, die Amerikaner mit dieser Tat aus ihrem Gebiet zu vertreiben. Das Gegenteil war der Fall. Der „Modoc-Krieg“, „Modoc-Feldzug“ oder „Krieg in den Lava Beds“ kostete die USA rd. 500.000 Dollar. Es war, proportional gemessen an den Ergebnissen, einer der teuersten und sinnlosesten Indianerkriege überhaupt.

Seit europäische Kolonisten Kalifornien und die Westküste Nordamerikas erreicht hatten, begann für die zahlreichen kleinen Indianervölker dieser Region ein absolutes Schreckensszenario, das sich von den ersten Spaniern bis zu den Goldsuchern über Jahrhunderte hinzog. Unterwerfungen, Vertreibungen, Versklavungen, Massenmord – es war eine ungebrochene Kette von Gewalt. Kulturelle Ignoranz, Gier, Menschenverachtung charakterisierten ganze Perioden der kalifornischen Geschichte.

1864 schlossen die Modoc und Klamath einen Vertrag mit der Regierung, bei dem sie auf gewaltige Landflächen verzichteten. Dafür wurde ihnen regelmäßige Versorgung durch Indianeragenturen zugesagt. Kintpuash (Captain Jack) war gegen diese Vereinbarung. Als sein älterer Bruder und Häuptling den Vertrag unterschrieb, begann er mit gut 40 Anhängern Überfälle auf weiße Siedler im alten Stammesgebiet. 1869 kam es zu einem Verhandlungstreffen, das scheiterte. Kintpuash und seine Krieger flüchteten und ließen ihre Frauen und Kinder zurück, die auf die Reservation nach Oregon geschafft wurden. Kurz danach ergab Kintpush sich und ging mit seinen Kriegern ebenfalls auf die Klamath-Reservation.

Zwar waren die Klamath und Modoc kulturell miteinander verwandt, ansonsten aber waren sie erbitterte Feinde. Die Klamath begannen, die Modoc zu drangsalieren und ihnen das Bauholz ihrer Häuser zu stehlen. 1870 verließ Kintpuash mit etwa 200 Anhängern frustriert die Reservation und zog wieder zurück in das alte Stammesland am Lost River in Kalifornien.

Der zuständige Indianeragent appellierte an Washington, den Modoc eine eigene Reservation zu geben, weil ein Zusammenleben mit den Klamath unmöglich war. Die Indianerbehörde in Washington ignorierte diese Bitte. General Edward Canby erhielt als Kommandeur des militärischen „Department of the Columbia“ die Anweisung, die Modoc zu stellen und zurück nach Oregon zu schaffen.

Am 3. April 1872 kam es zu einem Council, bei dem Kintpuash den Behörden vorwarf, es zugelassen zu haben, dass die Klamath sein Volk unterdrückten. Die Indianerbehörde blieb unerbittlich. Die Modoc sollten zurück.

Kintpuash erklärte sich schließlich einverstanden. Aber während der Kapitulation kam es zum Streit zwischen dem Krieger Scarfaced Charley und einem Leutnant der 1. Kavallerie. Beide Männer zogen ihre Revolver und schossen aufeinander. Beide verfehten ihr Ziel. Die Modoc ergriffen die Flucht. Bei dem dabei entstehenden Scharmützel wurden 1 Soldat getötet und 7 verwundet.

Die Modoc entkamen in die zerklüfteten Lava Beds. Eine kleine Kriegergruppe unter Hooker Jim griff von hier aus im November mehrere Farmen an und tötete 18 Siedler.

Die Modoc richteten in den Lava Beds Verteidigungsstellungen ein, während die Armee starke Kräfte aufbot, um die Indianer herauszutreiben. Im Januar 1873 hatten schon über 400 Soldaten die Lava Beds eingeschlossen. Es kam zu ersten Kämpfen, bei denen die Indianer – nur 52 Krieger stark – die überlegenen Truppen erfolgreich zurückschlugen.

Im Januar 1873 ernannte das Innenministerium eine Friedenskommission, die mit den Modoc verhandeln sollte. Vorsitzender sollte der Superintendent für Indianerangelegenheiten in Oregon werden, Jesse Applegate. Als Berater war General Edward Canby vorgesehen. Canby war ein fähiger Verwaltungsoffizier, der den Ruf hatte, stets friedliche Verhandlungslösungen zu bevorzugen. Er wollte keine militärische Lösung. Die Kommission verpflichtete den Richter Elijah Steele als Vermittler, der Kintpuash freundschaftlich kannte.

Steele wagte sich in die Lava Beds und überredete Kintpuash, Verhandlungen aufzunehmen. Aber er warnte auch, dass die Modoc äußerst zornig seien und ihnen nicht zu trauen sei.

Am 2. April kam es zu einem ersten Treffen, bei dem Kintpuash mehrere Bedingungen stellte: 1. Keine Anklagen gegen ihn, andere Häuptlinge und seine Krieger. 2. Abzug aller Truppen. 3. Eine eigene Reservation.

Die Kommission sagte eine Reservation zu, allerdings sollten jene Krieger, die Siedler getötet hatten, vor Gericht gestellt werden. Das Treffen endete ohne Vereinbarung.

Kintpuash war geneigt, sich auf eine Lösung zu verständigen. Seine Krieger und Unterführer aber waren dagegen. Sie verlangten von ihm, die Abordnung der Regierung zu töten. Sie waren überzeugt, dass die Amerikaner dann aufgeben würden. Es war eine klassische Fehleinschätzung kultureller Werte, wie sie oft genug auch vonseiten der Weißen getroffen wurde. Kintpuash fürchtete um seinen Status innerhalb des Stammes und gab den Forderungen nach.

Am 11. April erschienen Kintpuash, Boston Charley, Bogus Charley, Schonchin John, Black Jim und Hooker Jim zum Treffen mit der Kommission am sogenannten „Friedenszelt“. Hier teilte Canby Kintpuash mit, dass die Kommission nicht ohne Genehmigung der Regierung auf seine Bedingungen eingehen könne. Die Modoc-Delegation zeigte sich verärgert. Kintpuash entfernte sich einige Schritte und gab seinen Kriegern plötzlich Befehl zum Feuern. Dann drehte er sich um, zog einen Revolver, tötete General Canby mit dem ersten Schuss und feuerte auf Reverend Thomas. Danach ergriffen die Modoc die Flucht.

Am 15. April griff die Armee die Lava Beds an. Die Modoc kämpften mit großem Geschick. Am 17. April mussten sie der Übermacht weichen. Am 26. April griffen 22 Modoc die Stellungen der Armee erfolgreich an. Die Truppen gerieten in größte Bedrängnis. 13 Soldaten fielen, 16 wurden verwundet. Ein weiterer Modoc-Angriff auf das Armee-Lager am Dry Lake am 10. Mai scheiterte. Als die Truppen zurückschlugen, mussten die Modoc am 4. Juni kapitulieren.

Kintpuash und einige Unterhäuptlinge wurden nach Fort Klamath gebracht, am 8. Juli vor ein Militärgericht gestellt und mit 3 weiteren Unterhäuptlingen zum Tode verurteilt.

Die Hinrichtung wurde am 3. Oktober 1873 vollzogen. Die überlebenden Modoc – 39 Männer, 64 Frauen und 60 Kinder – wurden ins Indianerterritorium Oklahoma geschickt. 1909 wurde ihnen die Rückkehr auf die Klamath-Reservation in Oregon gestattet. Nur 29 nutzten diese Möglichkeit. Die anderen entschieden sich, in Oklahoma zu bleiben. Somit gibt es heute 2 Modoc-Abteilungen, eine in Oregon und eine in Oklahoma.

Im Modoc-Krieg kämpften mehr als 500 Soldaten gegen 53 Krieger. Die US-Armee verlor nicht weniger als 73 Soldaten, darunter 7 Offiziere, und hatte 47 Verwundete.

Die Modoc hatten 17 Gefallene.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2019Die aktuelle Ausgabe

 

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