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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Walter McClintock?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Walter McClintock?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Wer immer sich mit der Geschichte der Blackfoot-Indianer beschäftigt, kommt an einem Namen nicht vorbei: WALTER McCLINTOCK. Er steht ein wenig im Schatten anderer großer Fotografen der amerikanischen Pionierzeit wie Matthew Brady, Alexander Gardner, William Jackson, Edward S. Curtis, u.a. aber McClintocks Werk ist sowohl für Völkerkundler als auch für das Volk der Blackfoot selbst von überwältigender Bedeutung.

Geboren am 25. April 1870 – vor genau 150 Jahren – als Sohn eines wohlhabenden Teppichhändlers in Pittsburgh (Pennsylvania), erhielt er eine gediegene Ausbildung an der Yale-Universität, die er 1891 abschloss. Seine Leidenschaft war das Fotografieren. Auf keinen Fall wollte er in das väterliche Geschäft eintreten.

In der Zeit gegen Ende des 19. Jahrhunderts verklärte der amerikanische Westen mehr und mehr zu einer nationalen Legende. Romantik und Abenteuer wurden zu beherrschenden Elementen der Sichtweise, wenn die Amerikaner im alten Osten in Richtung der Großen Ebenen und der Rocky Mountains schauten. So empfand McClintock es als einen Glücksfall, als er von der Nationalen Waldbehörde angestellt wurde, um die Nationalforsten im amerikanischen Westen fotografisch zu dokumentieren. 1896 erreichte der junge Mann mit einem Zug der Great Northern Railroad die Siedlung Browning auf der Blackfoot-Reservation. Hier wurde ihm der Scout Siksikakoan (auch unter dem christlichen Namen Billy Jackson bekannt) zugeordnet, der ihn durch Nordwest-Montana führen sollte. Ein hochangesehener Mann in seinem Stamm und bei der Indianerbehörde. Er war Sohn eines Pelzhändlers der „Hudson’s Bay Company“ und einer Blackfoot-Frau. Als junger Mann war er als Scout für die 7. Kavallerie geritten. Jetzt arbeitete er u.a. als Dolmetscher für die Indianeragentur. Er hatte schon berühmten Forschern wie George Bird Grinnell als Führer gedient.

Binnen kurzer Zeit wurden die beiden Männer Freunde, und McClintock geriet mehr und mehr in den Bann der Kultur der Blackfoot, zu der Siksikakoan ihm Zugang verschaffte. Er lud ihn ein, auf der Reservation zu leben und am traditionellen Leben seines Volkes teilzunehmen. Mehr noch – auch die einflußreichen Männer der Blackfoot, die McClintock kennenlernte – Stammesälteste wie Mad Wolf – forderten ihn auf, die Lebensweise ihres Volkes mit der Kamera zu bewahren.

McClintock hatte – wie viele seiner Zeitgenossen – die Befürchtung, dass die indianischen Kulturen sehr rasch vollständig verschwinden würden. Die Blackfoot-Führer, die er traf, hatten ganz ähnliche Ängste und wollten ihr Erbe bewahren. So entstand eine überaus fruchtbare Zusammenarbeit.

Für mehr als 20 Jahre kehrte McClintock ständig zu den Blackfoot zurück und fertigte Tausende von Fotos an, die heute ein einzigartiges Panorama dieser nordwestlichen Plainskultur zeigen. Mad Wolf adoptierte den jungen Amerikaner in den Stamm und in seine Familie.

McClintock fotografierte nicht nur, er sprach mit vielen älteren Stammesmitgliedern, die ihm die alten Lebensweisen beschrieben, und er zeichnete getreulich alles auf. Geschichten aus dem Familienleben, den Ablauf von Zeremonien, die Struktur der sozialen und politischen Führung des Volkes, die materielle Kultur. McClintock hielt Vorträge, schrieb Artikel und Bücher. Sein Buch THE OLD NORTH TRAIL: LIFE, LEGENDS, AND RELIGION OF THE BLACKFEET INDIANS erschien erstmals 1910. Es ist eines der beeindruckendsten Dokumente über die Kultur dieses Volkes und bis heute ein maßgebliches Quellenwerk für Völkerkundler.

McClintock gehörte zu den ersten Erforschern des Gebiets des heutigen Glacier Nationalparks; einer der imposanten Gipfel der dortigen Bergwelt ist nach ihm benannt, der McClintock Peak am Two Medicine Lake.

Walter McClintock starb am 8. April 1949 – vor 71 Jahren – in seiner Geburtsstadt Pittsburgh. Er hinterließ ein gewaltiges dokumentarisches Werk über die Blackfoot, eines der bedeutendsten Völker der nordwestlichen Plains.

Die Auswahl der Bilder, die ich hier zeige, entstand - bis auf die Schwarz-Weiß-Aufnahmen - überwiegend als Belichtungen kleiner Glasscheiben, größtenteils von Hand koloriert, die mit einer „Laterna Magica“ auf eine Leinwand geworfen werden konnten – ähnlich einem frühen Dia-Projektor. Diese Bilder liegen heute in der „Beinecke Rare Books and Manuscript Library“ der Yale University.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2019Die aktuelle Ausgabe

 

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