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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie ist das mit dem Reenactment in Northfield?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie ist das mit dem Reenactment in Northfield?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler werden wir diese Beiträge im Zauberspiegel übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Ich habe diese Geschichte schon einigemale veröffentlicht – es ist aber immer wieder wert, daran zu erinnern:

In dieser Woche – wie immer in der Woche nach Labor Day, einem der wichtigsten Feiertage der USA – findet in Northfield (Minnesota) das große Reenactment des Überfalls der James-Younger Gang auf die First National Bank statt.
Seit 1948 erinnern die Bürger von Northfield mit diesem Reenactment an das blutigste Ereignis ihrer Stadtgeschichte – also in diesem Jahr seit genau 71 Jahren.

Am 7. September 1876, vor 143 Jahren, ritt Jesse James mit seiner Bande in die wohlhabende Kleinstadt und versuchte, die FIRST NATIONAL BANK auszurauben, die sich im Besitz von zwei ehemaligen Unionsgenerälen des Bürgerkrieges befand. Adelbert Ames und Benjamin Butler. Nicht umsonst werden die Ereignisse von Northfield gelegentlich als „die letzte Schlacht des Amerikanischen Bürgerkrieges“ bezeichnet.
Jesse James war in jenen Tagen der meistgesuchte Kriminelle Amerikas. Der Erfolg seiner Raubzüge lag u. a. im Überraschungsmoment, einer regelrecht militärischen Planung und der brutalen Einschüchterung der Betroffenen.

In Northfield erlebte er ein Desaster. Frank James, Bob Younger und Charlie Pitts betraten die Bank. Clell Miller und Cole Younger hielten vor der Tür Wache, bzw. behielten die Division Street im Auge. Jesse James, Jim Younger und Bill Stiles warteten in einer Seitengasse, um gegebenenfalls als "Nachhut" eingreifen zu können.

Einigen Bürgern waren die vorgeblichen Viehhändler, die alle in lange, weiße Staubmäntel gekleidet waren, aufgefallen. Einer folgte ihnen zur Bank und wurde von Clell Miller angegriffen. Er ergriff die Flucht und brüllte aus Leibeskräften: „Get your guns, boys, they are robbing the bank!“

Innerhalb von Sekunden brach die Hölle los. Jeder Mann, der eine Waffe halten konnte, stürmte auf die Straße und begann zu schießen. Die Banditen galoppierten die Division Street auf und ab und feuerten ebenfalls aus allen Rohren. In der Bank spielte sich ein Drama ab: Der mutige Kassierer Joseph Lee Heywood weigerte sich, den Safe zu öffnen. Er wurde von Frank James kaltblütig erschossen.
Die Banditen flüchteten im Kugelhagel. Clell Miller und Bill Stiles starben auf der Straße. Der junge schwedische Einwanderer Nicolaus Gustafson geriet zwischen die Banditen und wurde erschossen. Der Kampf dauerte nur 7 Minuten.
Fast 1.000 Mann in Minnesota schlossen sich zum größten Aufgebot der amerikanischen Pionierzeit zusammen. Zwei Wochen später wurden die 3 Younger-Brüder bei Mankato gestellt. Sie landeten für 30 Jahre im Zuchthaus. Frank und Jesse James waren verwundet entkommen.
1948, als noch immer Augenzeugen des dramatischen Geschehens lebten, begannen die Bürger von Northfield, das Ereignis wieder aufzuführen um daran zu erinnern, wie ihre Väter und Großväter sich mutig dem Terror einer Räuberbande entgegengestellt hatten. Sie hatten damit ein Beispiel für Zivilcourage gesetzt, das bis heute wirkt.
2004 nahm mich die James-Younger-Gang von Northfield als „Mitglied auf Lebenszeit“ auf – eine besondere Ehre; denn in diese Gruppe kann man nicht „eintreten“, man wird von den Männern ausgesucht und eingeladen. Ich bin stolz, noch immer der einzige Nicht-Amerikaner zu sein, der zur Gang gehört. 25mal habe ich in der Rolle des Clell Miller am Reenactment teilgenommen. Vor Zehntausenden von Zuschauern.

Die „Defeat of Jesse James Days“ sind das größte Volksfest von Minnesota mit rd. 100.000 Besuchern in der kleinen Stadt.

Alles Gute an meine Freunde! Ich wünsche Euch gutes Gelingen, ohne Stürze und Verletzungen. Euer Anliegen, an den Mut der Northfielder zu erinnern, ist heute noch so aktuell wie vor 71 Jahren!

Kleine Ergänzung: Dieses kurze Video zeigt, wie wir 2008 nach einem Reenactment unter dem Jubel der Zuschauer aus der Division Street reiten.

Ich bin der letzte Reiter der ersten Gruppe.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2019Die kommende Ausgabe

 

 

 

 

Kommentare  

#1 Mainstream 2019-09-08 08:50
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In diesem Zusammenhang sei der Film THE LONG RIDERS von Walter Hill empfohlen.
Angeblich soll der Showdown in Northfield ziemlich authentisch inszeniert sein, was ich
nach Dietmar Kueglers Ausführungen weitgehend bestätigen kann. (Kleine, künstlerische
Freiheiten müssen aus dramaturgischen Gründen einfach sein)

Tolles Novum: Alle Filmbrüder werden tatsächlich von Schauspielbrüdern verkörpert.

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