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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit der Bombe und der James Farm?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit der Bombe und der James Farm?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler werden wir diese Beiträge im Zauberspiegel übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Der Name Jesse James wurde mehr als 10 Jahre lang nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg zum Synonym für politische Kriminalität in den USA. Die Brüder Frank und Jesse James und die Brüder Younger, ehemalige Guerillas der Südstaatenarmee, bildeten ab 1866 eine Räuberbande, die mit großer Brutalität vorwiegend Banken und Eisenbahnen überfiel, deren Inhaber mit Politikern der siegreichen Nordstaatenarmee verbunden waren. Nach fast jedem Überfall erfolgten Bekennerschreiben an die örtliche Presse, wie man es später von politischen Terroristen gewöhnt war.

Als Kämpfer gegen die als höchst ungerecht empfundene „Rekonstruktion“ in den Südstaaten, genossen die James und Youngers jahrelang Unterstützung innerhalb der Bevölkerung ihres Heimatstaates Missouri.

1874 engagierte die „Adams Express Company“, eine der großen Geldtransportfirmen der USA, die „PINKERTON NATIONAL DETECTIVE AGENCY“, um den Terror der James-Youngers zu beenden.

Allan Pinkerton (1819-1884), ein gebürtiger Schotte, war zu jener Zeit bereits eine nationale Berühmtheit. Manche Historiker sehen die von ihm aufgebaute private Detektivagentur als eine Art Muster für das später entstehende FBI an. Bei Beginn des Bürgerkrieges baute er den ersten Geheimdienst der Nordstaaten auf.

Pinkerton entwickelte erstaunlich fortschrittliche kriminalistische Methoden.

Die Pinkerton-Agentur, deren Hauptquartier sich in Chicago befand, hatte bis dahin überwiegend im kriminellen Milieu der größeren Städte im Osten gearbeitet. Sie sollte ihre Aktivitäten in den folgenden Jahrzehnten zunehmend nach Westen ausdehnen und auch im ländlichen Raum, auf Überlandstraßen, in Ranchgebieten und entlang der großen Eisenbahnlinien tätig werden.

Der Auftrag, die James-Youngers zu stellen, war eine Herausforderung. Allan Pinkerton versuchte mit bewährten Methoden, die Bande zu unterwandern und die Familie auszuspionieren. Es war bekannt, daß die James-Brüder sich häufig unbehelligt auf der Farm ihrer Mutter in Kearny (Missouri) aufhielten.

Pinkerton unterschätzte zweifellos den Rückhalt, den die James-Bande in den Nachkriegsjahren in den Südstaaten genoß. Der erste Agent, der sich an die Farm von Zerelda Samuels – der Mutter der James-Brüder – heranmachte, Joseph Whicher, wurde tot aufgefunden. Die Agenten Louis Lull und John Boyle kamen bei einer Schießerei mit den Younger-Brüdern am 17. März 1874 ums Leben. Mit ihnen starb der Sheriff Edwin Daniels.

Nach diesen peinlichen Niederlagen, wurde der Fall für Allan Pinkerton zur Prestigeangelegenheit. Mit Hilfe von feindlich gesonnenen Nachbarn der James‘ bereitete er einen Anschlag auf die Farm der Mutter vor. Aufgrund der Information, daß die James-Brüder sich daheim aufhalten würden, umzingelten in der Nacht vom 25. auf den 26. Januar 1875 – vor 143 Jahren – Pinkerton Agenten die Farm bei Kearny und schleuderten eine Brandbombe in das Haus.

Die Information war falsch. Weder Jesse noch Frank James waren zuhause. Die Bombe riß der Mutter der Brüder einen Arm ab und tötete den Halbbruder der James‘, Archie Samuel.

Der Anschlag war ein blamabler Fehler. Das Parlament von Missouri verabschiedete einen offiziellen Protest. Es hätte nicht viel gefehlt, und die Regierung von Missouri hätte als Reaktion auf den Anschlag eine Generalamnestie für die James-Younger-Bande ausgesprochen.

Für den Rest seines Lebens versuchte Allan Pinkerton, die Affäre als Eigenmächtigkeit seiner Agenten herunterzuspielen. Inzwischen ist durch persönliche Korrespondenz des Detektivs nachgewiesen, daß er selbst die Anweisung gegeben hatte, die Farm „niederzubrennen“.

Drei Monate später wurde in der Nähe der James-Farm die Leiche von Daniel Askew gefunden, einem Nachbarn, der im Verdacht stand, mit den Pinkerton-Agenten zusammengearbeitet zu haben.

Der Brandanschlag vom 25. Januar 1875 sollte die letzte Sympathiewelle für die James-Younger-Banditen auslösen. Am 7. September 1876 erlebten die Räuber in der kleinen Stadt Northfield (Minnesota) bei dem Versuch, die First National Bank, die sich im Besitz eines ehemaligen Unionsgenerals und Militärgouverneurs von Mississippi befand, auszurauben, ein Fiasko. Zwei der Banditen starben sofort im Feuer der mutigen Bürger. Die Younger-Brüder landeten im Gefängnis. Frank und Jesse James konnten entkommen, aber ihre große Zeit als die letzten Guerillas der Konföderation war vorbei.

Meine Bilder zeigen Allan Pinkerton, Zerelda James-Samuel vor dem Anschlag, als sie noch beide Arme hatte, und die James-Farm bei Kearny (Missouri) von vorn und hinten. (Die Brandbombe wurde durch ein hinteres Fenster ins Haus geschleudert.) Ferner das Grab von Archie Samuel und das Grab von Zerelda James-Samuel.

Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, März 2018Die aktuelle Ausgabe

 

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