Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit »Wild Bill« in Deadwood?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit »Wild Bill« in Deadwood?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler werden wir diese Beiträge im Zauberspiegel übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Gestern, vor genau 141 Jahren, am 2. August 1876, starb eine der spektakulärsten Gestalten des sogenannten “Wilden Westens”: James Butler “Wild Bill” Hickok wurde an einem Spieltisch in der boomenden Goldrush-Stadt Deadwood in den Black Hills (South Dakota) hinterrücks erschossen. Sein Mörder, Jack McCall, wurde am 1. März 1877 gehenkt.

Hickok gehört bis heute zur populären Folklore des amerikanischen Westens. Kolportiert werden meistens die frei erfundenen, fantasievollen Geschichten, die sein tatsächliches Leben völlig verzerren, die aber die Vorstellungswelt des amerikanischen Ostens im 19. Jahrhundert reflektieren. Hier wollte man genau solche Geschichten über Blut und Gewalt, Gesetzlosigkeit und Faustrecht lesen.

„Wild Billl“ Hickok war klug genug, sich diese Erwartungshaltung zunutze zu machen. Sie brachte ihm nicht nur zweifelhaften Ruhm, sondern zeitweise auch Geld ein. Seine tatsächliche Geschichte war weitaus komplexer. Der 1837 auf einer Farm in Illinois geborene Abenteurer arbeitete in seinem Leben als Kutscher, Wagenboß, Soldat, Spion der Nordstaaten im Bürgerkrieg, Scout, Deputy US Marshal, Town Marshal, Spieler und „Schauspieler“. Er fütterte die fleißigen Autoren von Dime Novels und der frühen „Yellow Press“, während er in den westlichen Gebieten Nordamerikas äußerst kontroverse Gefühle auslöste.

Tatsächlich bediente er das schon frühzeitig entstehende Western-Klischee. Am 21. Juli 1865 lieferte er sich in Springfield (Missouri) auf offener Straße ein Duell mit dem Spieler David Tutt – es war vermutlich das erste Revolverduell dieser Art im amerikanischen Westen. Es wurde zum Muster für Zehntausende solcher Zweikämpfe in Filmen und Romanen. Auf solchen Vorfällen – die tatsächlich insgesamt eher selten waren – baute sich Hickoks Ruhm auf. Er galt als „der schnellste Schütze“ seiner Zeit, der „über 100 Männer erschossen“ hatte.

Natürlich völliger Unsinn. Da es niemals Messungen über die Schnelligkeit von Revolverschützen im amerikanischen Westen gab, weiß kein Mensch, wem dieser „Ehrentitel“ wirklich zukam. Ein Mann wie Wyatt Earp erklärte in einem Interview, daß es ziemlich egal gewesen sei, wie schnell jemand seine Waffe während einer Auseinandersetzung zog: Nicht die Schnelligkeit, sondern die Treffsicherheit war entscheidend, und die hing von der Nervenstärke und Kaltblütigkeit der Beteiligten an einem solchen Duell ab. Daran mangelte es Hickok nicht. Allerdings sind höchstens 6 oder 7 derartige Kämpfe in seinem Leben dokumentiert. Das gab ihm den Ruf eines „Gunfighters“. Als Town Marshal von Hays und Abilene in Kansas sorgte er für Schlagzeilen. Einen so berühmt-berüchtigten Mann zu töten – das war wohl das Motiv von Jack McCall. Aber sein Mut reichte nur, Hickok von hinten in den Kopf zu schießen. Dabei war der 39jährige Hickock zu diesem Zeitpunkt nicht einmal mehr gesund – durch eine Syphilis in jüngeren Jahren war seine Sehkraft inzwischen stark eingeschränkt.

Er wurde auf dem Mount Moriah Friedhof von Deadwood beigesetzt. Die Behauptung, die in unmittelbarer Nähe liegende „Calamity Jane“ sei seine Ehefrau gewesen, ist genauso eine unsinnige Erfindung wie die meisten Heldentaten, die ihm angedichtet wurden. Aber das immer noch bestehende Charisma seines Namens ist unbestritten.

Die Stadt Deadwood ist heute – Dank Glücksspiellizenzen – eine einzige Spielhölle; das würde Hickock vielleicht sogar gefallen. Den „No. 10 Saloon“ würde er nicht mehr wiedererkennen; denn das Gebäude wurde längst neu erbaut. Sein Grab ist aber zweifellos ein Anziehungspunkt des Ortes.

Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, Dezember 2017
Die aktuelle Ausgabe

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.