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›Starwars‹ - September 2012

Eine Frage an Dietmar Kuegler›Starwars‹

In Western gibt es viele Sternträger. Es gibt Marshals, Deputys, Sheriffs, Townmarshalls, Texas Ranger ... Da ist ein ganzes Sammelsurium  von Männer der Exekutive mit einem Stern auf der Brust.

In Western wird es oft nicht so genau genommen mit den Bezeichnungen. Wir wollen das mal tun. Daher ... kannst du den Sternträger-Dschungel mal für unsere Leser entwirren?
Und warum trugen die Herrschaften überhaupt Sterne?


Dietmar Kuegler: Das amerikanische Polizeisystem ist in der Tat auf den ersten Blick verwirrend und birgt auch eine Reihe von unkalkulierbaren Abläufen, weil es nicht nur viele Bezeichnungen, sondern auch Zuständigkeiten und Kompetenzen gibt, die von den einzelnen Behörden exakt und eifersüchtig beobachtet und bewacht werden.

Die Tradition des amerikanischen Polizeisystems basiert auf dem englischen Mittelalter. Der „Sheriff“ war im alten England der „Shire Reeve“ (auch „Reef), der „Landvogt“. Daher ist der Sheriff bis heute für den Regierungsbezirk, das „County“, zuständig. Er ist nicht nur mit Polizeiaufgaben betraut, sondern auch mit der Eintreibung von Steuern, und in der Pionierzeit überwachte er auch den ordentlichen Ablauf der Gerichtsverhandlungen und fungierte gelegentlich als Henker.

Der Sheriff wurde gewählt, damals entweder für 2 oder für 4 Jahre, heute generell für 4 Jahre. In alterZeit waren es in der Regel tatkräftige Männer, die aus der Mitte der Bevölkerung kamen, oder – je nach Kriminalitätslage in einem Bezirk – Männer, denen man es zutraute, Ordnung zu schaffen, wie Wild Bill Hickok, Bill Tilghman, Bat Masterson, o. ä.  Heute sind die meisten Sheriffs Juristen oder haben langjährige Polizeiarbeit als Erfahrungshintergrund. Der Posten ist lukrativ, da er anteilsmäßig aus den Steuereinnahmen bezahlt wird. In der Pionierzeit etwa 10%, was in einem County mit Goldminen, reichen Viehzüchtern, usw. recht einträglich sein konnte. Noch heute ist der Posten eines Sheriffs in einem großen County mit lebhaftem Geschäftsleben und Industrie sehr gut bezahlt und von daher begehrt. Er ist heute und war schon im 19. Jh. nicht nur ein Polizeiamt, sondern auch ein einflussreicher politischer Posten, um den die großen Parteien stritten. Die Zugehörigkeit zu den Demokraten oder den Republikanern war für einen Sheriffs-Kandidaten in den meisten Fällen nicht unwichtig. Die Bewerber lieferten sich damals wie heute Wahlkämpfe, und sie hatten ihrer Unterstützterfraktionen, etwa große Rancher oder Wirtschaftsunternehmen, die den Kandidaten Geld spendeten – in der Pionierzeit ebenso wie heute. Der Sheriff berief seine Deputies. Heute ist er eher Verwaltungschef als Polizist. Die eigentliche Polizeiarbeit machen meist die Deputies oder andere Beamte. In alter Zeit musste der Sheriff auch selbst mit „auf die Straße“.

Dann gab es den „Constable“, im alten England der „Comes Stabuli“ – der Stallmeister der Adeligen. Er gehörte zu den eher untergeordneten Polizisten, die die praktische Arbeit auf der Straße machten. Constables gab es in der Regel nur auf Ortsebene. Das gilt auch für den „Marshal“, der Polizeichef einer Stadt war. Er wurde seltener gewählt, sondern meistens vom Stadtrat/Bürgermeister ernannt. Seine Bezahlung richtete sich nach der Finanzlage der Stadt, konnte aber recht bescheiden sein, weshalb viele Stadtpolizisten ihr Salär durch Nebenjobs aufbesserten, etwa durch Glücksspiel oder auch in anderen Rotlichtberufen. Markantes Beispiel dafür sind die Brüder Earp, die als Spieler und Zuhälter tätig waren – das wurde aber klaglos akzeptiert, solange diese Beamten ihre Arbeit gut verrichteten.

Ferner gab es die US Marshals, für jeden Staat und jedes Territorium einen, der dem jeweils zuständigen Bundesrichter zugeordnet war. Dieser stellte nach Bedarf Deputies ein. Die größte Streitmacht an Deputy US-Marshals gab es unter dem Bundesrichter Parker in Fort Smith (Arkansas) für das Territorium Oklahoma. Parker hatte wohl ständig um die 120 Marshals zur Verfügung.

Die US Marshals waren die erste eigenständige amerikanische Polizei, die keine englische Tradition hatte. Sie wurden 1789 unter Präsident George Washington eingeführt. Sie unterstanden – und unterstehen noch immer – dem Präsidenten der USA, der sie auch ernennt. Ihre Zuständigkeit waren/sind Verbrechen gegen die Bundesgesetze, die Verwaltung der Bundesgefängnisse (Zuchthäuser) und der Schutz von Bundeseinrichtungen, wie z.B. der US-Post und andere Bundesbehörden. Sie sind daher den Bundesgerichten zugeordnet, sind hier als Gerichtsdiener eingesetzt, haben aber auch eigene Programme zur Klärung von Kapitalverbrechen, Drogenbekämpfung, u. ä.

In Territorien, also Gebieten, die noch nicht zum eigenständigen Bundesstaat der USA erhoben worden waren, hatten sie die oberste und exklusive Polizeigewalt.

Ansonsten war/ist es ihnen nicht gestattet, in die Kompetenzen von Sheriffs und Town-Marshals einzugreifen, und letztere wiederum achteten ebenfalls argwöhnisch darauf, daß sie sich nicht in die Quere kamen – auch ein Sheriff musste sich erst mit dem Town-Marshal ins Benehmen setzen, bevor er in den Grenzen einer Stadt tätig wurde, und der Marshal musste die Zuständigkeit des Sheriffs auf County-Ebene respektieren. Es war immer ein Diskussionspunkt, ob ein Verbrechen das County oder die Kommune anging und wer zuständig war. Um wieder auf das klassische Beispiel der Earps zu kommen: In Tombstone lagen sich Town-Marshal Virgil Earp und County-Sheriff John Behan ständig in den Haaren. Behan wollte die Earps nach dem Gunfight im OK Corral verhaften, traute sich aber letztlich nicht.

Zusätzlich schufen einige Bundesstaaten im 19. Jh. eigene Staatspolizeien, wie etwa die Ranger-Trupps. Die bekanntesten waren die Texas Rangers, aber es gab auch Rangers in Arizona, Colorado, New Mexico, u. a. Staaten. Sie unterstanden dem Gouverneur und konnten sowohl selbständig als auch in Zusammenarbeit mit den lokalen Polizisten eingesetzt werden.

Im Laufe der Geschichte sind noch andere Polizeibehörden dazugekommen. Es gibt heute noch die Highway Patrol (speziell für das Straßensystem zuständig), die Border Patrol (Grenzpolizei), die State Troopers (vergleichbar mit den alten Rangers), und natürlich die Reservationspolizei, die in den Indianergebieten amtiert.

Besonders zwischen letzteren und den County Sheriffs gibt es bis heute gelegentlich Spannungen, weil die Sheriffs nicht berechtigt sind, ohne Erlaubnis der Stammesbehörden in Reservationen tätig zu werden. Es ist häufig vorgekommen, daß Reservationspolizisten einen Sheriff verhaftet haben, der beispielsweise einen betrunkenen indianischen Autofahrer in die Reservation verfolgt hat. Hier wird scharf auf die Souveränität und die Kompetenzen geachtet.

Neben den US-Marshals existiert heute auch das 1908 gegründete FBI (diesen Namen hat es erst seit den 1930er Jahren), das im Grunde ähnliche Aufgaben wahrnimmt, aber inzwischen weitaus populärer ist als die US Marshals. Auch das FBI ist nur für Verbrechen gegen die Bundesgesetze zuständig, dazu gehört auch die organisierte Kriminalität, und hat zugleich auch nachrichtendienstliche Aufgaben, etwa die Abwehr fremder Agenten innerhalb der USA und Terrorismusfahndung.

Übrigens sind US Marshals und FBI Agenten die einzigen Polizisten, die ohne Erlaubnis der Stammesbehörden auf Indianerland tätig werden dürfen, nach dem Prinzip, Bundesrecht ist stärker als staatliche oder regionale Gesetzgebung.

Diese scheinbar unübersehbare Zersplitterung basiert auf der Kolonialzeit, als die Amerikaner die zentrale Gewalt der englischen Verwaltung fürchten gelernt hatten. Nach Gründung der USA wollten sie vermeiden, daß es jemals wieder Behörden geben würde, die zu viele Kompetenzen auf sich vereinigten und diktatorische Herrschaft ausüben konnten. Es wurden jede Menge Kontrollmechanismen und Kompetenzteilungen vorgenommen, um die Machtfülle einzelner Behörden zu beschneiden.

Die Abzeichen der verschiedenen Organisationen sind ein Kapitel für sich. Der Stern war merkwürdigerweise das populärste, aber keineswegs das bedeutendste Abzeichen. Es gab/gibt über 60 verschiedene Abzeichenformen, und die am meisten verbreitete Form ist nicht der Stern, sondern das Wappen – ebenfalls traditionell aus dem mittelalterlichen England abgeleitet. Das Wappen ist die symbolhafte Verkleinerung des ritterlichen Schilds. Die Sternform kam erst viel später auf. In der amerikanischen Umgangssprache wird – wie in England auch – das Polizeiabzeichen deshalb auch nicht „Star“, sondern „Badge“ genannt – eben „Abzeichen, Kennzeichen, Marke“.

Über das amerikanische Polizeisystem wäre noch mehr zu sagen – aber in der Kürze dieses Rahmens ist das ein skizzenhafter Überblick

Kommentare  

#1 Thomas Jeier 2013-05-18 10:34
Ergänzend sei noch erwähnt, dass die US-Marshals auch für die Personen im Zeugenschutzprogramm verantwortlich zeichnen. Und dass es in Alaska überhaupt keine Sheriffs gibt. Dort sind vor allem State Troopers tätig.
#2 Beate 2013-05-22 13:11
Helft mir mal. Bitte - Danke im Voraus!

Wenn z.B. eine Leiche mit Kopfdurchschuss und abgetrenten Fingern von zwei Leuten gefunden wird in Nevada/USA am Fuße des Boundary Peak.
WER kommt wenn diese Leute das melden? und an wen melden sie es?
An die Reanger oder an die US-Marchals?
und wenn sich dann bei den Ermitlungen herausstellt, das die Lage heikel werden kann - sich die Ermitlungen auf drei Bundelländer beziehen die weit auseinander liegen, wir da der Fall von den Marchals ans FBI abgegeben?
#3 Pisanelli 2013-05-22 14:16
Also:
die US-Marshals werden wohl nicht einbezogen, außer bei der Leiche handelt es sich um einen geschützten Zeugen oder einen Gefangenen - denn dafür sind die zuständig, alles, was mit der Justiz und dem Vollstreckungssystem zu tun hat.
Das FBI wird eingeschaltet, wenn etwas auf Bundesland passiert, z.B. Flughäfen oder wenn ein Verbrechen bearbeitet wird, das sich über mehrere Bundesstaaten verteilt.
Ich würde mal sagen, als erstes kommt die stinknormale Polizei. Die werden es, da es sich um ein Kapitalverbrechen handelt, vermutlich an die Staatspolizei übergeben, also die Polizeiinstitution des jeweiligen Bundesstaates.
Die Ranger haben, soweit ich weiß, gar keine Polizeibefugnisse und sind nur für den Wald oder ein Landschaftsschutzgebiet zuständig. Zum Teil dürfen die, glaube ich, noch nicht einmal Schußwaffen tragen.
#4 Dietmar Kuegler 2013-05-22 19:11
Die Sache ist dann eigentlich recht einfach: Beim Auffinden einer Leiche kommt zunächst mal der County Sheriff. Je nachdem, wie groß das Polizeidepartment des Counties ist, wird er entweder die eigene Mordkommission benachrichtigen, oder – was eher der Fall sein wird - die State Police von Nevada hinzuziehen.
Nebenbei: Rangers gibt es nur in Texas, und die Kompetenzen zwischen US Marshals und FBI sind sehr kompliziert verteilt. US-Bundesstaaten sind keine "Bundesländer", sondern wirklich "Staaten" mit weitreichender Verwaltungskompetenz, in die die US-Regierung oder deren Behörden nicht ohne weiteres eingreifen können.
Die Staatspolizei wird ihre Mordkommission ansetzen.
FBI oder US Marshals werden nur dann hinzugezogen, wenn es sich um ein Verbrechen gegen das Bundesgesetz handelt, also beispielsweise wenn Rauschgift im Spiel ist. Ansonsten bleibt der Fall auf regionaler und staatlicher Ebene, es sei denn, die Staatspolizei bittet explizit um Mithilfe einer Bundesbehörde.
Werden andere Bundesstaaten involviert, werden auch hier die zuständigen Abteilungen der jeweiligen Staatspolizei angesprochen.
US Marshals oder das FBI sind immer die allerletzte Instanz, und auch nur, wenn die einzelnen Bundesstaaten um Hilfe bitten.
Anders liegt der Fall, wenn der Tote Bundesbeamter ist, wenn er in Verbindung mit Bundesbehörden gestanden hat, wenn er selbst als Gesetzesbrecher auf Bundesebene verfolgt wurde (beispielsweise ein Mafiosi), wenn das Land, auf dem er gefunden wurde, im Besitz der Bundesregierung ist, oder auf einer Indianerreservation liegt. Dann ist das FBI zuständig. Ansonsten regeln die Staaten ihre Kriminalität selbst und arbeiten auch untereinander zusammen.

Grüße
Dietmar
#5 Beate 2013-05-23 16:34
Dietmar, du hast mir sehr geholfen. Aus deinem Text konnte man sich wehnigstens was entnehmen. Doch eine Frage hätte ich da noch, sonst komme ich in meinem Buch nicht weiter.
- wenn der Sheriff zur Leichenfundstelle kommt, was fragt der die "Finder" außer
- wann haben sie den gefunden?
- haben sie etwas berührt?
- kennen sie den Mann?
Müssen dann die Leute mit auf das Revier um etwas zu unterschreiben?
-Und ist das jetzt richtig oder unvollständig bei der Tatortsicherung durch die State Police
-Mit Fluchtband umspannen (Tatort mit Leiche)
-fotografieren
-Fingerabdrucke abnehmen
-Dreck unter den Fingernägeln für DNA-Spuren sichern
-Fußabrücke fotografieren
sich nach Schleifspuren umschauen
-abgetrente finger einpacken
-sämtliches beweismatterial sichern
dann Leiche abtransportieren lassen (da ist die Frage -wer tut das und womit-
dann den in in die Pathologie/Kriminaltechnik bringen
dort
-Gebiss röntgen und nach Narben oder anderen erkennungszeichen suchen um herauszufinden um wem es sich handelt
-Fingerabdrücke in PC-Scanner-Such-Datenbank einscannen (auch dazu)
Kopfschuss war Durchschuss - also kein Projektil - also Balisticker fallen aus
-szizieren
-Mageninhalt untersuchen
Weiter fällt mir erst mal nichts ein. Fehlt da etwas?

Mein Buch dankt!
_
#6 Dietmar Kuegler 2013-05-23 21:03
Hallo Beate, es läuft im Prinzip alles so ab wie bei uns auch - Kriminalistik ist international inzwischen ziemlich gleich. Die Finder der Leiche sind "Zeugen", und die werden natürlich befragt. Es wird ein Protokoll gemacht, und im Anschluß wird der Finder natürlich auch von der Polizei "durchleuchtet", weil er ja theoretisch etwas mit dem Mord zu tun haben könnte und durch die Anzeige sein eigenes Verschulden tarnen könnte.
Alles läuft ansonsten so ab wie beschrieben: Absperrung des Tatorts, Spurensicherung, Abtransport der Leiche durch die Polizei zur nächsten größeren Pathologie. Es müssen ja auch evtl. Angehörige festgestellt und benachrichtigt werden. Wenn nicht, bleibt die Leiche so lange im Gewahrsam der Polizei, bis das Gericht sie zur Bestattung freigibt.
Also es gibt keine Unterschiede zu unserer Mordkommission. Die Differenzen treten nur durch die etwas anders gelagerten Kompetenzen der Polizeibehörden auf, aber das ist ja schon in meiner ersten Mail angesprochen worden. Wobei: In den USA ist der Gen-Test inzwischen schon weiter entwickelt als bei uns. Die Amerikaner sind insgesamt technikfreundlicher. Der Einsatz modernster Kriminaltechnik ist auch in entlegenen Gebieten etabliert. Es werden immer die nächstgelegenen Labore kontaktiert.
Probleme treten eigentlich nur auf, wenn es unter den beteiligten Beamten persönliche Kompetenzrangeleien gibt, vielleicht weil gerade eine Sheriffswahl ansteht und der Amtsinhaber unbedingt einen spektakulären Fall braucht, um sich zu profilieren. Dann kann es sein, daß er versucht, die anderen Polizeibehörden ein wenig auszugrenzen. Aber das ist nicht die Regel.
Grüße, Dietmar
#7 Beate 2013-05-24 19:46
Vielen Dank an Dietmar!

Beate

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