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Ego-Update: Unsere digitale Identität

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneEgo-Update:
Unsere digitale Identität

Die Frage nach der Zukunft der digitalen Identität hat sich das NRW-Forum in Düsseldorf gestellt. Das Thema liegt momentan in Luft, etliche Ausstellungen in Deutschland beschäftigen sich mit der Frage nach dem, was Identität eigentlich ist, was Maschinen eventuell an Identität erlangen können und wie sich unsere Identität im Zeitalter des Internets verändert hat. Es gibt da durchaus einige spannende Anregungen - allerdings die Frage, wie sich unsere Identität in der Zukunft gestalten wird ist irgendwie nicht dabei.


Das ist ja auch schwierig, denn nichts ist so unvorhersehbar wie die Zukunft. Sicher. Man kann einige Modelle erstellen und voraussagen, dass das Ruhrgebiet bald eine Meeresküste hat wenn wir mit der Erwärmung des Planeten so weitermachen, ebenso kann man Modelle für die Nutzung von Straßen erstellen oder auch die Entwicklung von Städte in hübsche Grafiken packen. Im Grunde ist die Zukunft aber dennoch das unbekannte Land. Plötzlich ploppen Dinge wie Facebook auf. Smartphones und Tablets hat niemand in den 90er Jahren vorhergesagt. Und auch das Selbstporträt mit eben diesem Smartphone ist wie aus dem Nichts entstanden - möglich aber auch erst in und mit der zweiten Geräte-Generation, das erste 3G-Gerät von Apple hatte ebenso wie alle anderen ja nur eine Kamera und die war hinten, was aber kreative Nutzer nicht davon abhielt sich einfach vor den Spiegel zu stellen. Heute erscheinen solche Bilder schon mit der Aureole der Nostalgie umgeben. Die Zukunft der digitalen Identität als Untertitel für eine Ausstellung zu wählen ist daher problematisch. Die Zukunft überrascht uns. Und ist ja bekanntlich laut William Gibson ungleich verteilt.

Die Feststellung, dass das Internet #Neuland sei - was haben die angeblichen Digital Natives nicht über diesen Begriff geschmunzelt, wenn nicht gar gelästert - hat was das Thema Identität anbelangt durchaus seine Berechtigung. Zwar wissen wir schon lange, dass im Internet keiner bemerkt, dass du ein Hund bist - seit 1993 übrigens und selbst das ist im Zeitalter der Algorithmen nun anzweifelbar - aber das Nachdenken darüber was digitale Identität nun wirklich bedeutet und was der Charme daran sein mag, wenn man seinen Avatar bei World of Warcraft halt nicht nach seinem Passbild gestaltet sondern nach seinen Vorstellungen und Wünschen; diese Frage nach dem was Identität im Zeitalter des Versteckens hinter Monitoren bedeutet, diese wurde gesellschaftlich wenig diskutiert.

Insofern ist das Selfie ein Glücksgriff: Es mag sein, dass der Hype mit der Erfindung des Selfie-Sticks wieder abgeklungen ist, das heißt aber eventuell nur, dass das Selfie sich zum Alltagsgegenstand verwandelt hat. Alltägliche Dinge brauchen keinen Hype. Am Selfie machen sich aber Fragen fest, die einerseits teilweise schon seit der Erfindung von Photoshop in der Luft liegen, andererseits sich mit dem Selfie auch neu ergeben. Dass Bilder lügen wissen wir - spätestens seit Forrest Gump. Dennoch hinterfragen wir kaum in Sozialen Netzwerken ob ein Bild auch wirklich echt oder manipuliert wurde. Dass ein Selfie eine Selbstinszenierung ist und kein Schnappschuss wissen wir. Dennoch scheinen uns Selfies persönlicher und direkter anzusprechen - sie erzeugen eine Nähe, die mit keinem anderem Medium greifbarer ist.

Gerade deswegen aber, weil Bilder lügen, weil Bilder Inszenierungen sind ist die gesellschaftliche Diskussion über das, was sich darstellen lässt und was auch nicht, weil Bilder emotionale Gehalte so unmittelbar vermitteln - gerade deswegen ist eine gesellschaftliche Diskussion über das was Identität ist und wie wir uns darstellen notwendig. Die Facetten reichen dabei von der Frage, was die Motivation für Cosplayer ist über das Nachdenken, warum Avatare in Computerspielen uns ähnlich sehen oder auch nicht bis hin zur Feststellung, dass wir in Zukunft vielleicht schon in der Grundschule lernen müssen, wie man seine digitalen Identitäten managt. Vermutlich ist das auch wichtiger als Programmierkurse oder das Lehren der Technik, was die Politik so gerne in den Mittelpunkt stellt. Zuerst sollten wir aber selber uns fragen, ob das, was wir im Netz sind auch wirklich wir sind. Was letztendlich auf die Frage abzielt, die die Philosophie seit längerem beschäftigt: Wer bin ich? Und wieviele? Und wie bekomme ich alle diese Rollen und Identitäten unter einen Hut? Hmmmm...

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