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Larry Ballard Akte 6: Der Dschinn

Larry Ballard - Meine unheimlichen FälleDer Dschinn

Larry Ballard betrachtete die verschlossene Amphore. Es handelte sich dabei um eine solide Handwerksarbeit, die ohne Verzierungen, Schnörkel und sonstigen Schnickschnack auskam. Das Gefäß überzeugte durch seine Schlichtheit.

Jahrhunderte alt sollte das zerbrechlich wirkende Teil sein. Er kannte sich zu wenig aus, um dies bestätigen zu können. Jahrhunderte oder nur eine Woche, ihm war es egal. Sein Interesse an der Amphore begründete sich ja auch nicht aus dem Alter; eigentlich bezog es sich gar nicht auf den Gegenstand selbst.

Vielmehr interessierte ihn der Inhalt.


Eine in Ehren ergraute Museumsleiterin, wahrscheinlich bereits selbst unverkäuflicher Bestandteil des von ihr verwalteten Gebäudes, hatte ihm das Wertstück unter dem Siegel der Verschwiegenheit gegeben. Bei der Amphore handelte es sich um eine an das Museum gerichtete Spende, und nur schwer konnte die Frau sich von dem einmal in den Händen gehaltenen Unikat trennen.

Aber sie hoffte, dass der in diversen Dingen als Erfahren geltende Larry Ballard ihr bei einem Problem helfen oder es gar für sie aus der Welt schaffen konnte: Wurde die Amphore geöffnet, drangen feine Rauchschwaden aus dem kleinen Spalt; der tönerne Körper vibrierte dabei unheilvoll, so als würde sich darin etwas regen.

Etwas, das in seiner Ruhe gestört wurde? fragte sich Larry Ballard. Oder gab es doch eine rationelle Erklärung dafür?

Der zuständige, mit der Untersuchung betraute Museumsmitarbeiter hatte den hölzernen Verschluss beim ersten Rumoren sofort wieder darauf gepresst, wobei er seine gesamte Körperkraft aufwenden musste. Was auch immer da ins Freie wollte, es verfügte über mehr Kraft, als es gewöhnlichem Rauch zustand.

Larry Ballard kam zu einem Entschluss. Es brachte nichts, länger über den Inhalt zu spekulieren und über phantastische Möglichkeiten nachzudenken, ohne die Amphore jemals ganz zu öffnen.

Die Antwort lag darin!

Seine Hände griffen vor, umfassten den schlanken Hals. Die Amphore wirkte so zerbrechlich und hatte doch die Jahrhunderte unversehrt überstanden. Wahrscheinlich war sie in irgendeinem Keller abgestellt und letztlich vergessen worden.

Larry ließ seine Hände höher gleiten zu dem passgenau eingefügten hölzernen Verschluss, der die runde Öffnung abdeckte.

Sollte er es wirklich tun? Ganz allein, ohne Beistand? Was, wenn giftige Gase herausströmten, die tödlich sein mochten?

Er schüttelte den Kopf. Selbst wenn die Amphore giftige Gase enthalten mochte, so würden sie sich im großen Raum verteilen und unschädlich werden. Nein, eine Gefahr daraus war auszuschließen!

Er berührte den Verschluss. Spürte er nicht bereits ein vages Vibrieren? Kurz hielt er inne, um diesem Verdacht nachzugehen. Nein, noch regte sich nichts.

Erst als er an dem Verschluss zog, bestätigten sich die Worte der Museumsleiterin. Die Amphore wackelte. Fast kam es ihm als Aufforderung vor, den Deckel ganz abzunehmen. Noch bevor er den Gedanken zu Ende dachte, tat er es.

Grauer Rauch wallte aus der freigewordenen Öffnung. Schnell trat er einige Schritte zurück, den Verschluss in der Hand. In diesem Moment hätte er vielleicht noch handeln und das vom Rauch verdeckte Loch schließen können. Er versäumte diese Gelegenheit.

So nahmen die Dinge ihren Lauf.

Weiterhin drang Rauch hervor, mehr und mehr, ohne sich wie vorgesehen im Raum zu verlieren. Er verdichtete sich vielmehr, nahm Konturen an.

Larry Ballard beobachtete es verblüfft, merkte dann, dass es sich um einen menschlichen, zumindest menschenähnlichen, Körper handelte.

Ein Geist! dachte er, ein Flaschengeist! Ohne dieses noch nicht ganz entstandene Wesen aus den Augen zu verlieren näherte er sich seinem geöffneten Waffenkoffer, der alles notwendige für seine Einsätze enthielt: Silberkugel- und Weihwasserpistole, Eichenpfahl und dazugehörenden Hammer, das magische Schwert und die Dämonenpeitsche. Allesamt Dinge, die gegen einen Geist nicht das Mindeste bewirken würden. Er musste wohl wieder auf die klassischste aller Waffen vertrauen: das Kruzifix.

Er legte den Deckel weg und nahm das geweihte Kreuz in die Hand, betrachtete das Geschehen dabei weiterhin.

Die aus dem Rauch entstehenden Konturen wurden schärfer, der sich abzeichnende Körper verdichtete sich, ohne jedoch die menschliche Festigkeit ganz anzunehmen.

Ein weiblicher Körper! Nur von fast durchsichtigen Schleiern bekleidet. Larry Ballard fühlte das Kreuz in seiner Faust.

„Ich grüße dich, Meister“, wurde er angesprochen. Sie verschränkte die Arme und schaute ihn trotzig an. „Du warst es, der mich befreit hat?“ Ekel zeigte sich auf ihren fein gezeichneten, hübschen Gesichtszügen. Nun musste sie etwas machen, dass sie hasste und anwiderte.

„Ja!“ antwortete er knapp.

„So hast du einen Wunsch frei!“ Auffordernd sah sie ihn an, musterte ihn von oben bis unten, währen er überlegte.

„Du...“

Noch bevor er aussprechen konnte, unterbrach sie ihn: „Keine Wünsche sexueller Art, bitte!“

„Du bist ein Flaschengeist?“ wurde er seine Frage dann doch los, bevor er ihre Einschränkung bewusst registrierte.

Ärger zeigte sich in ihren Augen. „Ich bin ein Dschinn, stehe weit über einen Flaschengeist.“

„Soso...“ murmelte er gedankenverloren. Was hatte sie gesagt? ‚Keine Wünsche sexueller Art!’

„Hat den bereits jemals jemand sexuelle Wünsche geäußert?“

Bitterkeit mischte sich zum Ärger. Was musste der Meister soviel reden? Er sollte seinen Wunsch äußern und ihn erfüllt bekommen, damit ein jeder seiner Wege gehen konnte.

„Ja, die meisten.“ Sie starrte ihm tief in die Augen. „Keiner davon hat die Stunden der Liebe mit mir überlebt. Ihr Menschen seit so schwach!“

Jetzt starrte er sie betroffen an, brachte einige Sekunden lang keinen Ton hervor. Gut, dass er keine Selbstmordgedanken hegte, denn einen glücklicheren Tod konnte er sich nicht vorstellen.

„Der Wunsch, Meister. Du musst ihn äußern!“

Er räusperte sich verlegen. „Alles ist erlaubt?“

Sie seufzte. „Ja. Du kennst die Gefahr!“

„Ich wünsche mir eine geeinte Erde ohne Konflikte, dafür Friede und Glück für jeden.“ Dann lächelte er. Gab es etwas herrlicheres?

„Ich sagte, ich erfülle dir einen Wunsch. Das heißt nicht, dass ich Wunder vollbringen kann!“

„Also kein Friede und Glück für jedermann!“ stellte der ernüchterte Larry Ballard fest.

„Nein“, sagte sie energisch.

Ich habe es probiert, dachte Larry. Ich habe es wirklich probiert. Niemand soll mir vorwerfen, ich hätte nicht an alle gedacht! Aber jetzt...

“Es gab mal eine Heftromanserie namens ‚Vier Musketiere’ Die würde ich gerne haben!”

Nun sah der weibliche Dschinn den Mann verblüfft an. „Du willst...“

„...das, was ich gesagt habe“, ergänzte Larry Ballard. „Ich bin dein Meister. Ich befehle es dir!“

„Dein Wunsch sei hiermit erfüllt!“ Der Dschinn lächelte, gehörte dies doch zu ihren einfachsten Übungen, schnippte einmal mit den Fingern und nickte ihm zu. Dann zog sie überrascht die Augenbrauen zusammen, unheilvolle Falten zeigten sich auf ihrer Stirn. Plötzlich strahlte sie so etwas wie Panik aus. Sie schnippte noch einmal.

Und noch einmal.

Und ein letztes Mal.

Schließlich warf sie einen hilflosen Blick auf die Amphore, als wolle sie sich schleunigst wieder in Rauch auflösen und dorthin zurückkehren. Dann warf sie stolz den Kopf zurück, sah ihn wie bereits einmal trotzig an und fragte dann ihrerseits: „Meister, wie lautete dein erster Wunsch?“


ENDE

Kommentare  

#1 Mikail_the_Bard 2010-06-13 22:06
Also die Geschichte kenn ich auch... aber anstelle der hübschen "Dshinn" erscheint ein mit Pickeln und Pusteln übersäater männliche Dschinn mit Hängebauch. Der erst Wunsch war wie in der Geschichte erwähnt eben dieser, daher nur noch männliche Dshinn. Schreckte der Kerl aber nicht ab!

Ähh und endet jetzt hier die Serie... wegen, naja... ehm dem Überleben uns so... hüstel...
#2 Laurin 2010-07-11 15:02
Ein weiblicher, hübscher Dschinn und dann kein Sex?! Also, einen besseren Tod gibts nicht und Steuern muß man nach dem ableben ja auch nicht mehr zahlen, wen kümmert da der Weltfriede :lol: !

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