Dungeons & Dragons – Spielerhandbuch 2024
Dungeons & Dragons – Spielerhandbuch 2024
Im Jahr 2014 brachte Wizards of the Coast (WotC) die fünfte Edition des bekannten Rollenspielsystems „Dungeons & Dragons“ (kurz D&D, oder auch DnD) auf den Markt. Nachdem die beliebte 3. Edition (bzw. die überarbeitete 3.5 Edition) im Jahr 2008 von der vierten Edition abgelöst wurde, wandten sich viele Spieler dem System „Pathfinder“ zu, welches die 3.5 Regeln weiter ausbaute und hinter vorgehaltener Hand auch als D&D 3.75 bezeichnet wird.
Mit nur 6 Jahren aktiver Zeit war D&D 4 nicht nur die unbeliebteste, sondern auch die kürzeste Regelvariante des Rollenspiels (zum Vergleich: D&D 1 = 1974 – 1989; AD&D 2 = 1989 – 2000; D&D 3 = 2000 – 2008).
Doch das System wurde noch einmal von Grund auf überarbeitet, verschlankt, in seiner Regelstruktur erheblich leichter spielbar gemacht und kam schließlich im Jahr 2014 mit der fünften Edition auf den Markt.
Sehr erfolgreich, im Übrigen, denn die neue Version zog auch einige Produkte von Drittanbietern nach sich und erfreut sich auch heute noch größerer Beliebtheit als alle Vorgängerversionen von D&D. Das liegt einerseits sicher an dem eingängigen System, andererseits aber auch – machen wir uns da nichts vor – an einer geübten Werbemaschinerie.
Doch D&D 5e macht vieles richtig und ist nicht ohne Grund die Version, die seit der Übernahme des Systems durch WotC im Jahr 1997 am längsten auf dem Markt ist.
Vielen ist die Marke „Dungeons & Dragons“ wahrscheinlich ein Begriff. Entweder, weil sie selbst schon Fantasyrollenspiele gespielt haben, einen der Kinofilme gesehen haben (zuletzt „Ehre unter Dieben“), oder auch Videospiele wie „Baldur’s Gate 3“ gespielt haben.
Wer noch keine Berührung damit hatte, dem sein unsere Kolumne „Spielt das eine Rolle“ empfohlen, in der wir dem Thema Stück für Stück auf den Grund gehen (Links dazu am Ende des Artikels). Kurzum, bei Fantasyrollenspielen geht es darum, dass sich eine Gruppe von Spielern Fantasyhelden erschafft – Zwergenkrieger, Elfenmagier, Barbaren, Diebe und noch viel mehr. Diese Helden bestehen nur in der Fantasie, ihre Spielwerte werden auf einem sogenannten Charakterbogen festgehalten. Ein Spieler übernimmt die Rolle des Spielleiters und führt die Gruppe durch ihr Abenteuer. Immer wenn eine Aktion ansteht ist er derjenige, der darauf achtet, dass die Regeln eingehalten werden um festzustellen, ob eine Aktion gelingt, oder auch fehlschlägt. Das kann von dem Versuch, jemanden zu überreden gehen, über eine sogenannte „Kletterprobe“, bis hin zu einem Kampf gegen Monster. Der Spaß darin besteht, gemeinsam eine Fantasygeschichte zu erzählen, die von den Mitspielern gemeinsam beeinflusst wird.
Die Regeln für D&D 5e sind einfach. Obwohl Dungeons & Dragons bis heute zu den komplexeren Systemen gehört, wurden Fallstricke aus vorherigen Versionen bereits 2014 ausgemerzt und so ein Regelgerüst geschaffen, das in sich sehr harmonisch und ausgewogen ist. Die Einstiegshürde, die es zu überwinden gilt, sind die vielen Kombinationsmöglichkeiten aus Volk und Klasse und den daraus resultierenden Unterklassen. Bei manchen Varianten kommen dann noch Zauber hinzu, was durchaus herausfordernd, aber auch ungleich belohnend sein kann.
Was das neue Spielerhandbuch hier ganz hervorragend löst, ist die Übersichtlichkeit der einzelnen Kapitel und deren Anordnung. Seit 50 Jahren wird zuerst das Volk und danach die Klasse ausgewählt. Manchmal will das nicht so recht passen und muss wieder überdacht werden. In früheren Editionen konnte man manche Kombination auch gar nicht auswählen. Die neue Struktur des 2024er Spielerhandbuchs leitet die Spieler nun sehr geordnet durch den Schaffungsprozess des gewünschten Charakters. Besonders sinnvoll ist hier die Priorität auf die Klasse gesetzt. Nun endlich wählt man zuallererst die Klasse aus. Will man einen Kämpfer spielen, oder doch lieber einen Zauberer? Einen Dieb, oder vielleicht mal einen Druiden? Im Grunde ist das die wichtigste Entscheidung bei der Erschaffung des Charakters, und endlich wird diesem Punkt auch Rechnung getragen. Tatsächlich stellt sich erst nach der Klassenwahl die Frage, welches Volk man spielen möchte und anschließend die weiteren Optionen. Diese Struktur ist sinnvoller als zuvor und damit auch übersichtlicher.
Ganz am Anfang werden erstmal die Regeln erklärt. Das ist mehrfach gut gelöst. Denn zum Einen können sich neue Spieler hier einen ersten Überblick verschaffen, ohne das gesamte Buch durchblättern zu müssen. Andererseits ist aber genau das auch für erfahrene Spieler sehr hilfreich. Denn nun endlich weiß man, dass gesuchte Regeln am Anfang des Buches stehen. Das war bislang anders gelöst. Da gab es die Grundregeln vorne, die weiteren Regeln kamen dann aber in späteren Kapiteln zur Sprache.
Alle Informationen zu einer Klasse komprimiert in einem Seitenbereich zu haben, ist ein großer Pluspunkt. Das ist grundsätzlich nicht neu, in diesem Buch aber konsequenter durchgeführt. Das Buch wartet hier mit den bereits 2014 etablierten zwölf Klassen auf (Barbar, Barde, Druide, Hexenmeister, Kämpfer, Kleriker, Magier, Mönch, Paladin, Schurke, Waldläufer, Zauberer) und ordnet alle zugehörigen Klasseninformationen übersichtlich an. Dazu gehören auch die Unterklassen (auch Archetypen genannt) und die - sofern vorgesehen – jeweils zur Verfügung stehenden Zauber.
Soweit so gut. Und während jede nichtmagische Klasse mit wenigstens einer neuen Unterklasse aufwartet, die es im Spielerhandbuch 2014 noch nicht gab, so werden ausgerechnet die zauberbegabten Klassen unverständlicherweise enorm beschnitten. Allen voran der Magier und der Kleriker.
Konnten sich die Magier noch 2014 über mehrere Zauberschulen spezialisieren, ist dem nun ein Riegel vorgeschoben, indem die Auswahl stark verringert wurde. Damit eröffnen sich vielleicht breitere Anwendungsmöglichkeiten von Zaubern, hier wird aber ein Problem deutlich, das im nächsten Abschnitt näher erläutert wird.
Als altgedienter D&D-Spieler und Spielleiter (immerhin schon seit 1989 aktiv dabei), habe ich die Entwicklungen mit jeder neuen Version des Systems mitbekommen und aus der Erfahrung heraus bewertet.
Was mir gerade bei der 2024er Version auffällt ist der Umstand, dass das System noch weiter ausbalanciert wurde, als es bereits 2014 war. Diese Anpassung mag zwar dazu führen, dass jeder Charakter letztlich die gleichen Chancen hat eine Herausforderung zu bestehen, die individuellen Stärken und Schwächen einzelner Helden werden damit aber auch verwischt. Die Auswahl eines Hintergrundes, der den Charakter dann noch etwas individualisieren soll, gleicht bei weitem nicht aus, wie unterschiedlich Charaktere wirklich sein können. Im Spiel führt das zu einer ausgewogenen Chancengleichheit, was letztlich für den Spielfluss gar nicht so schlecht ist, um im Abenteuer weiterzukommen. Rollenspieler müssen sich hier allerdings ganz bewusst auf die Schwächen ihrer Helden einlassen, um ihnen mehr Profil geben zu können.
„Geht nicht, gibt’s nicht“, ist hier ein übergeordnetes Konzept, das durchaus zwiespältig gesehen werden kann.
Halbelfen, ein sehr beliebtes Volk bei Rollenspielern schon seit Jahrzehnten und auch Halborks, Nachkommen eines schweren Erbes, weil sie weder von Menschen, noch von Orks wirklich akzeptiert werden. Beide Völker fehlen im neuen Spielerhandbuch vollständig. Dafür wartet die Auswahl nun mit Orks und Goblins auf, die eigentlich zu den Monstervölkern gehören. Der Gedanke mag hier Pate gestanden haben, jemanden nicht einfach nach seiner Herkunft zu beurteilen. Das entspräche in Teilen auch der Auswahl von Tieflingen, oder Drachenblütigen als Spielervölker. Diese Änderung stellt aber zugleich auch die Frage in den Raum, ob im Spiel dann Orks und Goblins weiterhin einfach als böse Monster angesehen werden können?
Diese Frage wird letztlich in den Spielrunden entschieden. Meine Empfehlung für Spielleiter wäre, die Wahl dieser Völker für Spieler nicht leichtfertig zu erlauben. Hier können schnell moralische Konflikte entstehen, die dem einfachen Zweck von Orks und Goblins in einer Fantasywelt entgegenstehen.
Grundsätzlich ist das neue Buch weitaus besser strukturiert als sein Vorgänger. Dadurch, dass beide Bücher die fünfte Edition bedienen, sind sie insgesamt miteinander kompatibel, wobei sich einige Änderungen im neuen Handbuch abzeichnen. Insgesamt sind Charaktere nach dem 2024er Werk etwas stärker als noch nach den Regeln des 2014er Spielerhandbuchs. Dafür sorgen beispielsweise die neuen Hintergründe, die im 2024er Buch im Gegensatz zum Vorgänger konkrete Auswirkungen auf die Attribute des Charakters haben. Aber auch die Aufstiegstabellen der einzelnen Klassen bieten einige Merkmale, die darauf hindeuten, dass sich zumindest einige Klassen hier stärker entwickeln, mehr Möglichkeiten bekommen. So werden im neuen Handbuch auch schon sogenannte „Epische Talente“ auf höheren Stufen vergeben. Eine Regelbesonderheit, die nach den bisherigen Regeln nur Charaktere vorgesehen waren, die bereits die höchste Stufe (Stufe 20) erreicht haben und weitergespielt werden.
Als der Ulisses Verlag damals die D&D Bücher auf den Deutschen Markt brachte, wurde oft die Nase über deren fehlerhafte Übersetzung gerümpft. Mit dem Entzug der Lizenz und der Lokalisation in Eigenregie, hat WotC bisher allerdings kein glückliches Händchen gehabt. Schon die Neuveröffentlichung des 2014er Spielerhandbuchs hatte mehr Fehler als die Erstveröffentlichung durch Ulisses, und auch das neue Spielerhandbuch weist an manch entscheidender Stelle Übersetzungsfehler auf, die im schlimmsten Fall das Spiel unnötig ausbremsen können. Wer nach bestimmten Begriffen sucht, sollte vorsichtshalber im Hinterkopf behalten, dass der Begriff ein paar Seiten weiter eine andere Bezeichnung haben kann, die dem Sinn zumindest grob entspricht.
Das neue Spielerhandbuch für die fünfte Edition von Dungeons & Dragons macht insgesamt vieles richtig, ist sehr übersichtlich und gut strukturiert. An manchen Stellen bietet es mehr Möglichkeiten als vorher, an manch anderen weniger. Wer das Spielerhandbuch von 2014 hat, kann beide Bücher ergänzend nutzen, denn zumindest in der Auswahl für die Charaktererstellung bietet das Buch von 2014 noch ein paar andere Varianten bezüglich der Archetypen, oder auch der spielbaren Völker.
Zauber sollten im Zweifel miteinander verglichen werden. Im neuen Buch gibt es mehr Zauber, aber es ist nicht klar, ob alle Zauber aus dem 2014er Buch unverändert übernommen wurden.
Übersetzungsfehler trüben leider den Gesamteindruck. Die fallen vor allem in Regeldefinitionen auf, bei denen eine genaue Auslegung wichtig ist. Hier hätte sich WotC mehr Mühe geben müssen.
Das 2024er Spielerhandbuch von Dungeons & Dragons erhält 4,5 Sterne im Zauberspiegel, weil es sehr viel wirklich besser macht, als das ursprüngliche Spielerhandbuch von 2014.
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