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Professor Zamorra 1191 - 999

Professor Zamorra - Der Orden der Tausend

(Amulette-Zyklus, von Adrian Doyle)

1191 999

London, 1883. Ray Gumble hat ein Geschwür am Kopf, er steht kurz vor der Selbstaufgabe, ein letzte verzweifeltes Aufbäumen lässt ihn Hilfe suchen bei der als Heilerin bekannten alten Frau, so kämpft er sich durch ein Unwetter zu ihrem Haus. dort angekommen, wird er von Carrie Bird getötet, sie verbrennt ihn mit einem Strahl aus ihrem Amulett. die gute Fee hat sich zur Hutzelhexe gewandelt...

was sich schon in der letzten Geschichte abgezeichnet hat: Carrie Bird nimmt 1866 nach gewonnener Schlacht das Amulett vom Unhold Algernon Crawry an sich, und bringt es heimlich mit aufs Schloss. und sie hat es wohl zu manipulieren gelernt, in der langen Zeit in der Vergangenheit. sie kann es verwenden, um letztendlich die Transmitterblumen vulgo Varnen zu zwingen, sie zurück in die Gegenwart zu schleudern. doch wer manipuliert hier eigentlich wen? langsam aber stetig vergiftet das Amulett Carries Seele, das Werkzeug des Bösen macht seine Trägerin zu einem ebensolchen. die Regenbogenblumen erkennen das, daher verweigern sie Carrie ja auch ihre Dienste. da Carrie mithilfe ihres neuen Artefakts immer stärker wird, suchen die Varnen verzweifelt nach Hilfe, die sie beim Zeitenwanderer Dylan McMour zu finden glauben. Fehlanzeige...

wir sind bei Zamorras auf dem Schloss. das im Wortsinne eigen-willige Amulett, über das Carrie nun verfügt, transportiert sie eines Nachts in eine Höhle unter dem Schloss Montagne. dort erwacht gerade ihr alter Feind aus jahrzehntelangem Schlummer - Rufus Agadir! die Überraschung ist auf beiden Seiten groß, Carrie versucht noch einen Kampf, doch er, der Tausendste, der Meister der Amulette, nimmt ihr das Artefakt mühelos ab. bevor es zu Weiterungen kommt, flieht Carrie mittels ihrer Gabe. Rufus ist ebenso erstaunt wie Carrie, er hat offenbar von 1916 bis 2019 in seinem Versteck geruht.

erstmals wird von einem ORDEN geredet. Rufus will ihn reaktivieren, ein neues Zeitalter einläuten. einen Stern hat er Carrie abgenommen, verbleiben noch 332 in ihrem Depot - und für jeden Stern braucht Rufus eine Seele.

Nici & Zammy bekommen von alledem nix mit, die haben in Saint-Cyriac, dem Dorf unterm Schloss, andere Sorgen, da hängt nämlich im Kirchenturm der Küster tot unter der Glocke (die aufgrund von Schäden schon seit längerem nicht mehr in Betrieb ist). Zamorra findet mithilfe seines Amuletts rasch heraus, dass hier Magie im Spiel ist. sein Gefühl ist dasselbe wie damals auf Haiti, als eine erste Welle an Zaubersternen freigesetzt wurden. er fürchtet, in der Dorfkirche könnte sich ähnliches nochmal ereignen.

zurück auf dem Schloss entdecken sie, dass Carrie mit Dylan verschwunden ist. Carrie hat festgestellt, dass sie Dylans Lebensenergie anzapfen kann, indem sie mit ihm "springt", also teleportiert. es dauert nicht lange, bis sie wieder eine 30 Jahre junge Frau ist, wohingegen Dylan zum Greis mutiert, der dem Tode immer näher kommt. sie verbirgt sich mit ihm in einem leer stehenden Haus im Dorf.

in ebendieses Dorf werden Zamorra und Nicole wieder gerufen, nicht von Menschen, sondern durch magische Umstände - sie hören die eigentlich nicht mehr funktionstüchtige Kirchturmglocke läuten! der Schock ist groß - das ganze Dorf, immerhin an die 350 Einwohner, sitzt in der Kirche - aber alle mausetot! Zamorra aktiviert seinen Stern, der brennt ein Loch in den Altarstein, groß genug, damit unsere beiden Helden in eine Kaverne hinabsteigen können. unten angelangt, stoßen sie auf Rufus Agadir, der gerade dabei ist, die Seelen der Toten in die Zaubersterne zu bannen. wären nicht diese 333 anderen Sterne, deren Kraft er anzapfen kann, er hätte Zamorras Angriff und der Macht dessen Sterns nichts entgegenzusetzen. Nicole attackiert ihn mit dem Dhyarra Kristall, sie will ihn für seine unerhörte Tat - denn nur er kann die Dorfbewohner getötet haben - zermalmen. doch das misslingt, ihre Gewaltfantasie wird zurückgeworfen. Zamorra versucht, mit seinem Amulett die anderen Sterne der Hölle zu zerstören, auch das misslingt, doch kann er wenigstens die Seelen der Einwohner befreien. es kämpfen Stern gegen Sterne, und schließlich verschwindet Rufus von der Bildfläche. wie durch ein Wunder sind die Dorfbewohner wieder am Leben, und verfügen auch wieder über ihre Seelen - offenbar hat Nicole das mit ihrem Dhyarra bewirkt.

Carrie wird letztlich von Rufus zu sich gerufen. Dylan lässt sie sterbend in einem Versteck zurück, wo er von einem Dorfbewohner gefunden wird. Nicole und Zamorra kommen zu spät im Krankenhaus an, Dylan ist verstorben, konnte aber noch eine Nachricht hinterlassen. was unsere Helden bereits vermutet hatten, wird bestätigt - Carrie war die Missetäterin, die ihn, den Zeitenwanderer, der den Regenbogenblumen zu Hilfe eilen sollte, unter ihre Knute gebracht und letztlich ermordet hat. dabei kommt heraus, dass Carrie auch eine Trägerin eines Zaubersterns ist. für Zamorra sind mittlerweile drei Truhen mit jeweils 333 Amuletten geöffnet worden - also 999 Höllensterne. auf den Kopf gestellt 666 - die Zahl des Teufels. Nicole ist verzweifelt: aus ihrem kleinen Mädchen ist ein Monster geworden!

im Epilog eröffnet sich Carrie noch die wahre Identität des Mächtigen, des Tausendsten - er heißt so wie der Ort unterm Schloss, Saint-Cyriac.

Fazit

bäms, wieder ein Knaller von Herrn Weinland. schon die Einstiegsgeschichte mit dem unglücklichen Ray ist Grusel pur. in einem Blogpost gesteht Herr Weinland, dass er "die Viktorianische Epoche und auch den Schauplatz London extrem gerne mag. Geschichten, die ich dort ansiedeln kann, sind jedes Mal ein kleines Highlight für mich und gehen oft lockerer von der Hand als Themen, die gegenwartsgebunden sind." in diesem Roman bleiben wir allerdings nicht lange im alten England.

der Autor bringt uns die Wandlung Carries vom lieben Mädchen mit gutem Herzen zur Hutzelhexe mit bösen Absichten in einer Art und Weise nahe, die fast sympathisch wirkt. ich kann die Entwicklung, die Vergiftung der Seele sehr gut nachvollziehen. auch, dass sie Dylan als Jungbrunnen verwendet, ist ja eigentlich nur menschlich. sie kann ja nix dafür, sie kommt ja unter die Fuchtel des Amuletts!

schön geschildert sind auch die Begegnungen zwischen Rufus und Carrie bzw. später Zamorra & Nicole. beide Seiten sind jeweils überrascht von den Ereignissen. das gefällt mir, dass Rufus nicht der allwissende Bösewicht ist, der alles unter Kontrolle hat, sondern selbst eine Entwicklung durchläuft, und über die Jahrhunderte hinweg Wissen anhäuft.

die Szene im Dorf, als der Küster tot in Glockenturm gefunden wird, erinnert mich natürlich stark and den Horror-Klassiker "Ein Zombie hing am Glockenseil", auch da begeht zu Beginn der Dorfpfarrer Selbstmord am Friedhof, und erweckt so die Toten.

Leben und Tod ist überhaupt das große Thema dieser Geschichte. zwischendurch philosophieren Nicole und der Professor über die Nachteile der relativen Unsterblichkeit, über die nicht nur sie, sondern auch Dylan verfügt. mit der als Mädchen verschwundenen und als alte Frau zurückgekehrten Carrie stehen sie wieder einmal vor der Situation, dass geliebte Menschen altern und sterben, während sie selbst unverändert bleiben. Nicole spricht von ihrem Hass auf die Zeit, die alles ringsum zerstört und verzehrt. Zamorra denkt lange nach, bevor er antwortet, Hass nie die Antwort sein kann. alles durchaus nachvollziehbar, ich stelle mir das auch nicht sonderlich prickelnd vor, family & friends der Reihe nach zu verabschieden, während ich selbst ein vitaler Geck bleibe.

ein wenig Kritik habe ich dennoch. Zamorra meint, dass sei jetzt die dritte Truhe mit 333 Amuletten. aber außer Haiti hätte ich keine zweite in Erinnerung? da waren ja nur zwei Romane dazwischen, ich habe da keine weitere Sternentruhe in Erinnerung?.

die ganze Geschichte hindurch wird das Dorf unterm Schloss als das Dorf ohne Namen bezeichnet, immer wieder fällt unterschiedlichen Protas plötzlich ganz bewusst der Name des Dorfes ein, nämlich Saint-Cyriac. da ich kein Stammleser bin, weiß ich natürlich nicht, ob dieses Dorf tatsächlich bislang keinen Namen hatte? jedenfalls diente dieser Kunstgriff für den Knalleffekt am Ende des Romans. so wird bei mir dann auch folgerichtig aus dem "häh" ein "aha", aber insgesamt ist mir das doch zu deutlich gekünstelt.

wirklich gestört hat mich aber, dass die - praktischerweise gerade mal 350 - Dorfeinwohner alle über die Klinge springen, um Seelen liefern zu können, nur um gleich darauf durch eine Intervention von Nicoles Dhyarra wieder zum Leben erweckt zu werden. das finde ich dann schon stark übertrieben.

summa summarum aber wieder eine tolle Geschichte, spannend geschrieben, mit Einsprängseln zum Nachdenken. kriegt 5 von 6 möglichen Gruselroman-Forum Punkten.

das Titelbild ist vom tschechischen Künstler Zdenek Sasek, und hat mal wieder nur mit sehr, sehr viel gutem Willen was mit der Geschichte zu tun, es zeigt offenbar einen Friedhof mit einer Kapelle?

Professor Zamorra
1184 Zeit der Phantome

Autor: Adrian Doyle (Manfred Weinland)
Titelbild: Zdenek Sasek
Verlag: Bastei
Erscheinungsdatum: 21.01.2020

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Kommentare  

#1 Andy 2025-07-26 23:18
ch würde immer noch gerne wissen, warum der Autor jeden Absatz (wie im Artikel Damona King 6) "klein" anfängt. Eigentlich ergibt so ein Stil ja keinen wirklichen Sinn, außer man wäre etwas exentrisch, aber es wird auch sehr schnell langweilig,

Das soll jetzt keine Provokation sein, nur eine ernstgemeinte Nachfrage. Ist es wirklich so schwer, darauf eine Antwort zu geben?
#2 Cartwing 2025-07-27 08:38
Sagte er doch schon mal. Künstlerische Freiheit.
Finde ich jetzt nicht so tragisch.
Die Beiträge gefallen mir und haben mein Interesse an der Serie wieder geweckt.
#3 Andy 2025-07-27 11:29
Hab ich wohl übersehen - ich finde den Beitrag ja auch nicht schlecht. Vielleicht lese ich mich mal in die Romane rein.

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