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... Carsten Steenbergen über Steampunk, alternate history und Florance Bell

Carsten Steenbergen... Carsten Steenbergen ...
...über Steampunk, alternate history und Florance Bell

Carsten Steenbergen kenne ich seit - ähm ... wie lange kennen wir uns eigentlich schon, Carsten? Gefühlt schon eine ganze Weile.

Carsten gehört für mich zu einer Gruppe deutscher Autoren, die tolle Projekte, Romane, Geschichten abliefern, aber denen bisher das "deutsche Buchbusiness" den "Schritt" zu "echter Bekanntheit" versagt ist.

Viele Anführungszeichen um zu sagen, dass er wirklich gute Sachen schreibt, aber nicht in die Kategorie der deutschen Erfolgsfantasyautoren aufsteigen, wie es anderen bekannten Autoren gelungen ist.

In Zusammenhang mit seinem zuletzt erschienen Abenteuerroman "Florance Bell und die Melodie der Maschinen" habe ich mal wieder etwas ausführlicher mit ihm gemailt.

Carsten SteenbergenZauberspiegel: In welches Genre und für welche Altersgruppen würdest du die Geschichte einordnen?
Carsten Steenbergen: Gedacht war „Florance Bell und die Melodie der Maschinen“ als klassischer Abenteuerroman, mit einer Verschwörung, Rebellen, einem König, den es zu befreien gibt, Luftschiffen und einer mutigen, jungen Frau, die sich nichts sagen lässt. Da ich von Kind an ein großer Fan der „Schatzinsel“ bin, war es eigentlich längst an der Zeit, selbst eine Abenteuergeschichte zu verfassen. Wo es von „klassisch“ eben abrückt, ist die alternative Zeitlinie, in der die Geschichte spielt.

Zauberspiegel:  Es tauchen ja jede Menge "Versatzstücke" auf, die man klassisch im Steampunk verorten würde, erstaunliche Erfindungen, mit Dampf betriebene Maschinen.... Was ist es, das dafür sorgt, dass Steampunk so faszinierend zu sein scheint, dass man die Versatzstücke reichlich einsetzt, aber Steampunk als Genrebegriff nicht so nennt?
Carsten Steenbergen: Die vielen Versatzstücke sind natürlich meinerseits beabsichtig. 😊 Ursprünglich stammt die Idee zum Roman aus dem Jahr, in dem es fast eine Steampunk-Welle in Deutschland gegeben hätte, literarisch betrachtet. Und da ich selbst gern mit diesen Elementen in meinen Geschichten spiele, ist es also nicht zu verwunderlich.
Naja, so reichlich eingesetzt sehe ich die Versatzstücke im Allgemeinen eigentlich nicht. Klar, sie tauchen gern in Filmen auf, besonders in welchen, die sich der viktorianischen Zeit annähern, in Mangas, in Sherlock Holmes nahen Filmen und anderem. Das Spiel mit dem Gedanken der alternativen Zeit und dem „Was wäre wenn“ ist durchaus spannend und hebt sich von den üblichen Betrachtungsweisen ab. Zudem ermöglicht es, bekannte Geschichten ein Stück weit anders zu erzählen.
In Büchern ist das eher schwieriger, nach meiner Erfahrung, und geholfen hat hier sicherlich, dass „Florance Bell“ ein Jugendbuch ist. In der Fantasy-Abteilung findet man Steampunk eher selten, würde ich behaupten.

Zauberspiegel: Wie würdest du es einschätzen, ist es so, dass die Verlage inzwischen immer weniger konkrete Genres auf seine Bücher kleben, und stattdessen mixen und mischen? Oder ist es eher so, dass Begriffe wie Steampunk, Urban Fantasy, etc in der Welt des Buchverkaufs selbst nicht auftauchen, im Hintergrund aber durchaus benutzt werden?
Carsten Steenbergen: Ob das aktuell bei den Verlagen über die Genres so gehandhabt wird, kann ich gar nicht mal sagen. Da fehlt mir der Überblick.
Bei Steampunk ist es womöglich aus dem besagten Jahr hängen geblieben, dass Buchhändler und Leser mit dem Begriff „Steampunk“ nichts anfangen konnten, und so die erhofften Verkaufszahlen ausblieben. Zudem gibt es zwar durchaus eine große Steampunk-Szene in Deutschland, was aber nicht gleichzusetzen ist mit einer großen Steampunk-Leserschaft. Die Erfahrungen waren also wohl eher so, dass Steampunk auf dem Buch eher Garant dafür war, dass die Zahlen am Ende nicht so ausfielen, wie sie gern hätten sein sollen. Daher verzichtet man sogar selbst als Autor mittlerweile darauf. Außer, man verfügt über eine entsprechende Fangemeinde, die das Buch dann trägt. Zumindest ist das mein Eindruck.

Carsten SteenbergenZauberspiegel: Deine Geschichte spielt ja in einer "alternate history", wo die Weltgeschichte in zentralen Punkten einen anderen Weg genommen hat. Wie bist du an diese geschichtlichen Dinge herangegangen? Geschichte hat in manchem etwas von einem Netz, was dafür sorgt, dass eine Veränderung notwendigerweise andere Veränderungen nach sich ziehen muss. Wie wichtig war es dir, dass deine veränderte Welt irgendwie doch noch möglich gewesen sein könnte, oder hast du dich vollständig davon gelöst und fabulierst munter vor dich hin?
Carsten Steenbergen: Um eine alternate history sinnreich schreiben zu können, muss man meines Erachtens schon wissen, wie es in der Realität bzw. Vergangenheit zugegangen ist. Aufgrund des Ausgangspunktes war mein Zeitfenster recht klar. Und darin habe ich zunächst recherchiert. Wie war das damals mit Napoleon, welche Gesetze herrschten, warum ist die Schlacht 1805 gescheitert, welche Technologie gab es, wie war die Gesellschaft in Europa bzw. Frankreich aufgebaut, welche Mode gab es und und und. Dadurch bekam ich ein ziemlich gutes Bild, welche Dinge ich zwangsläufig anpassen musste, um eine entsprechende Entwicklung, wie sie in meiner Geschichte geschah, nachvollziehbar und logisch zu machen. Ein Beispiel: Zu der damaligen Zeit waren Reifröcke durchaus noch in der Mode, für ein fortschrittliches Zeitalter mit Dampfdroschken und anderen wilden Maschinen eher unpraktisch. Also ist mit der Technik auch die Frage der Kleidung ein gutes Stück nach vorne gesprungen. Woran dann wieder im gewisser Weise auch die Rechte der Frauen hingen. Bis hin zu Erbschaft, verheiratet werden usw. Man kann in der Recherche und der Konzeption durchaus Zeit verbringen. 😊
Wie du siehst, es war mir schon wichtig, einen gewissen Realismus in meiner Alternative hinzubekommen. Allerdings habe ich mir an der ein oder anderen Stelle auch historische Freiheiten genommen. Wo es womöglich logisch gewesen wäre, weitere historische Persönlichkeiten einzubauen, habe ich darauf lieber verzichtet und lieber ausgedachte Personen in die Handlung mit aufgenommen. Unter anderem auch, weil es ja kein historischer Roman werden sollte. 😊

Zauberspiegel: Woher kam die Idee für deine Geschichte, und wie bist du ans Schreiben herangegangen? Planst du detailliert, oder lässt du die Charaktere an langer Leine laufen und schaust, wohin sie dich treiben?
Carsten Steenbergen: Die Idee für die Geschichte kam tatsächlich bei einer gedanklichen Spielerei. Was wäre eigentlich, wenn Napoleon 1805 gegen die englische Armada gesiegt hätte. Und wie wäre ihm das auf jeden Fall gelungen? Naja, in jedem Fall mit technischer Überlegenheit, womit wir wieder bei Dampftechnologie wären. Daran schlossen sich dann weitere Fragen, z.B., wie hätten die Engländer gegen eine solche Besetzung reagiert?
Ich halte mich eigentlich immer für einen Mix-Schreiber. Also ich plane die Eckpunkte, die wichtigsten Ereignisse und kenne natürlich den Start und das Finale. Dazwischen lasse ich dann meine Figuren agieren, die mich ab und an dazu bringen, anders zu meinen Schlüsselszenen zu kommen, als ich das zu anfangs überlegt habe. Das macht für mich allerdings auch den Reiz aus.

Zauberspiegel: Welche Mittel der kreativen Arbeit nutzt du beim Schreiben - Mindmap, Tafel, Autorensoftware? Schreibst du direkt los, oder planst du deine Geschichten genau, in den Computer?
Carsten Steenbergen: Schreibsoftware steht natürlich ganz oben auf der Liste. Da in der Regel aber auch ein Exposé vom Verlag erwartet wird, in welchem steht, wie der Roman aussehen wird, erstelle ich mir einen groben Szenenplan, der aus einem Wust von Ideen entsteht. Dazu nutzt mir schon mal eine Tafel mit handgeschriebenen Kärtchen, mal ein digitales Mindmap. Da bin ich nicht festgelegt.

Zauberspiegel: Die Geschichte hat ja jede Menge Action, Kämpfe in den unterschiedlichsten Formen. Wie choreografierst du diese Szenen, ohne selbst in solche Kämpfe verwickelt zu sein?
Carsten Steenbergen: Zum Teil greife ich auf meine eigene Kampfsporterfahrung zurück, wobei diese keine Schusswechsel oder ähnliches mitbringt. 😊 Wichtig ist, die Umgebung zu kennen, in der ein Kampf stattfindet, egal, ob in der Realität oder ausgedacht. Und die Mittel, die den Kämpfenden zur Verfügung stehen. Dann ergibt sich schon sehr viel. Den Rest mische ich dann aus filmischen Kampfszenen dazu.

Zauberspiegel: Wird das Buch ein Einzelabenteuer sein, oder ist eine Fortsetzung denkbar? Es gibt ja jede Menge Anknüpfungspunkte für eine Weiterentwicklung der Handlung.
Carsten Steenbergen: Eine Fortsetzung ist bereits überlegt, wobei diese in St. Petersburg stattfinden könnte. Allerdings ist noch kein zweiter Band konkret mit dem Verlag geplant. Aber ich hoffe, dass Florance noch ein weiteres Abenteuer bestehen darf.

Zauberspiegel: Habe ich das richtig verfolgt, dass du inzwischen Vollzeitautor bist, also deinen ursprünglichen Beruf aufgeben konntest. Wie ist dir das deiner Meinung nach gelungen?
Carsten Steenbergen: Nein, da muss ich dir widersprechen. Ich bin weiterhin Vollzeitjobber mit einem „normalen“ Beruf, und betreibe die Schreiberei nebenher. Das wird sicherlich auch so bleiben.

Zauberspiegel: Wie siehst du den deutschen Autorenmarkt heute? Es hat sich ja unglaublich viel verändert in den letzten Jahren, was Buchvermarktung angeht, und mir scheint, dass es immer weniger große deutsche Autoren im Unterhaltungsbereich gibt, die von Verlagen abgefeiert werden (z.B. Heitz, ...). Ist das so? Wenn ja, was denkst du warum das so ist?
Carsten Steenbergen: Die Buchvermarktung liegt deutlich mehr beim Autor selbst, so mein Eindruck. Natürlich ist es hilfreich, wenn man da bereits eine ansehnliche Fangemeinde hat, die man z.B. in den social medias entsprechend mit Infos über neue Projekte und Bücher versorgt. Das unterstützt den Buchverkauf und wird bei den Verlagen gern gesehen. Das Werbe-Budget wird allerdings in der Regel, und das hat sich nicht wirklich geändert, lieber für die Big Player verwendet. Man darf halt nicht vergessen, dass Verlage Wirtschaftsunternehmen sind.
Gerade der Unterhaltungssektor ist schwer umkämpft. Das einfache Konsumieren von Geschichten ist über die streaming-Plattformen oder das Internet viel stärker vertreten. Gerade die potentiellen Nachwuchsleser verbringen ihre Zeit mehr in Apps und allgemein vor dem Bildschirm. Weniger mit Büchern. So mein subjektiver Eindruck. Ein weiterer Schwerpunkt ist der verstärkte Bedarf an Audiobooks. Das macht es schwerer, mit Papier-Romanen zu punkten. Was im übrigen auch große deutsche Autoren merken.

Zauberspiegel: Welche Bedeutung haben deiner Meinung nach Agenten darin, das eigene Buch an den Verlag zu bringen? Hat man als unbekannter/bedingt bekannter Autor ohne Agentur überhaupt noch eine Chance das Buch zu verkaufen?
Carsten Steenbergen: Meines Erachtens kaum noch, es sei denn, es ist wirklich ein Kracher oder eben, weil schon die Fangemeinde vorhanden ist. Agenturen funktionieren für die Verlage als qualitative Vorauswahl, so dass es wesentlich einfacher ist, einen passenden Stoff zu finden und einzukaufen. Zudem muss man im Verlag niemanden damit beschäftigen, die Flut an direkt eingesandten Skripten zu sichten.

Zauberspiegel: Was können wir von dir erwarten in den kommenden Monaten? Woran arbeitest du gerade?
Carsten Steenbergen: Seit einigen Monaten arbeite ich leider eher schleppend an einem neuen Roman, der sich mit dem Thema Glück beschäftigen wird. Schleppend deswegen, weil mir dann doch immer andere Projekte dazwischen huschen. Zum einen wird es eine 2. Staffel von „Die schwarze Stadt“ geben, einer Audioserie, zum anderen durfte ich mich im Pummeleinhornhörspiel-Universum herumpumm … äh, versuchen. Ende des Jahres gibt es also ein Pummeleinhornhörspielabenteuer. Und im Sommer wartet schon ein weiteres, großes Hörspielprojekt, das ich zusammen mit einem sehr geschätzten Kollegen bearbeite. In dem Fall ich dann als Dialogbuch-Autor.

Bettina von Allwörden

 

Die Fragen für den Zauberspiegel stellte: Bettina Meister

 

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