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Sieben gegen die Hölle - Torven Farbauti 1. Teil

Sieben gegen die HölleSieben gegen die Hölle

Torven Farbauti (Folge 1)
„Sehr schön, Ihre Bilder, Herr Farbauti. Hatten Sie schon immer eine starke Affinität zu nordischer Mythologie?“, fragte Hansen den neuen Illustrator.

„Hm, ja, eigentlich schon immer. Wurde mir sozusagen in die Wiege gelegt.“

„Ach was? Ihre Eltern waren auch Künstler?“


„Hm, mein Vater ist wohl auf seine ganz spezielle Art auch ein Künstler. Aber mit Illustrationen hat er sich meines Wissens nie abgegeben.“

„Die Thor-Bilder gefallen mir sehr gut. Aber dieses Loki-Porträt finde ich überragend. Diese Ausdruckskraft ... dieser fiebrige, unstete Blick, den haben Sie toll eingefangen. Hatten Sie dafür ein Modell?“

„Ja. Ein sehr passendes. Geradezu perfekt.“

Hansen nickte und betrachtete noch einmal das in kräftigen Acrylfarben gemalte Bild.

Farbautis Loki hatte ein schmales, beinah asketisch wirkendes Gesicht. Die großen, hypnotischen Augen, die einen femininen Strich hatten, beherrschten es. Eine lange Nase, deren Rücken gänzlich Messerschärfe aufwies, und ein schmallippiger, verkniffener Mund verliehen ihm gleichzeitig eine Spur Melancholie als auch Bitterkeit. Dennoch konnte man eine überspreizte Selbstsicherheit und einen feinen Spott dieser Person spüren.

„Wo haben Sie den Mann nur aufgetrieben, Farbauti? So einer läuft einem nicht alle Tage über den Weg …“

„Oh, ich musste nicht lange suchen. Ich kenne ihn schon mein ganzes Leben.“

„Hehe, das klingt, als wäre das Modell der Herr Papa …“

„Ja? Irre, nicht?“

***

Torven Farbauti verließ das Verlagsgebäude mit seiner Zeichenmappe unter dem Arm.

Auf dem Weg ins Hellgrün-Cafè begegneten ihm in Frankfurt drei Vampire, ein Schwarzmagier und ein Wesen, das seinen Opfern bevorzugt die Augen auslutschte, bevor es sich am Gedärm gütlich tat.

Die ersten beiden Vampire waren Wesen, die Jahrhunderte überdauert hatten. Sie hatten Geduld als auch Mäßigung gelernt und waren damit gut gefahren.

Der dritte Blutsauger war noch vergleichsweise jung und hatte sich dermaßen mit Blut vollgepumpt, dass seine Gesichtshaut einen satten Rotton aufwies und seine Lippen den Teint eines dunklen Burgunders angenommen hatten.

Die Übersättigung ließ ihn beinah taumeln. Ja, er war sogar so unachtsam davon geworden, dass er einige Schlieren getrockneten Blutes nicht aus seinen Mundwinkeln gewischt hatte.

Als er bemerkte, dass Farbauti ihn unverhohlen anstarrte, wankte er auf diesem zu, öffnete leicht seinen Mund und ließ sein Gegenüber die spitzen Eckzähne sehen.

Torven gähnte gespielt in seine Hand und machte eine Geste, als würde er einen Fangzahn im Mund abbrechen.

Der Vampir stieß einen grunzenden Laut der Empörung hervor, was die Passanten in seiner näheren Umgebung auf ihn aufmerksam machte. Irritierte Blicke hefteten sich auf ihn. Die plötzliche Aufmerksamkeit, die er nun auf sich zog, weckte ihn aus seiner Trunkenheit. Er warf Torven noch einen zornigen Blick zu, dann schlich er davon.

Torven grinste ihm hinterher.

‚Was für ein Trottel‘, dachte sich Torven, ‚der wird’s nicht lange machen. Dein Holzpfahl ist schon geschnitzt, Kumpel!‘.

Torven lief gemütlich zum Hellgrün-Cafè und bestellte sich dort einen Cappuccino und etwas Knabbergebäck. Aus einem Zeitschriftenständer nahm er sich eine Zeitung und blätterte sie durch.

Ein Minister gab mal wieder zu, kräftig bestochen worden zu sein und versprach sofortige Besserung. Lindsay Lohan wurde dabei fotografiert, wie sie vollgekokst eine Kinderparade vollkotzte, worauf sie sofort für drei Filme engagiert wurde. Einige unbekannte Wissenschaftler rechneten vor, wie viele Todesopfer die Klimakatastrophe in den nächsten 5 Jahrzehnten fordern würden.

All der tägliche Wahnsinn und noch viele kleine Katastrophen des Alltags.

„Du solltest dem Artikel auf Seite 5 etwas mehr Beachtung schenken.“

Torven blickte von seiner Zeitung auf. Ein schlanker Mann hatte sich ihm gegenüber platziert. Lautlos und wie aus dem Nichts war er aufgetaucht.

Er war schlank, ja wirkte regelrecht dünn in seinem eng anliegenden dunklen Anzug, der maßgeschneidert und sündhaft teuer war.

Statt einer Krawatte hatte er ein auffälliges Amulett als Binder, das nordische Runen zeigte, die von Flammen umkränzt waren.

Sein rabenschwarzes Haar war akkurat frisiert und glänzte leicht ölig.

Große imponierende Augen beherrschten ein Gesicht, das Torven Farbauti Dutzende Male zu Papier gebracht hatte.

„Warum sollte mich der Artikel mehr interessieren als das andere Gewäsch?“

Torven Farbauti war nicht überrascht von dem urplötzlichen Erscheinen seines Gegenübers. Der Mann und seine Marotten waren ihm wohlbekannt.

„Na komm‘ schon. Deine Neugier konntest du doch immer schwer im Zaum halten.“

Die Stimme des Anzugträgers hatte ein wohlklingendes Timbre mit einem kaum hörbaren zischenden Nachklang. Es war eine Stimme, der man gern zuhörte, und die Vertrauen und Zuversicht signalisierte.

„Wie gut du mich doch kennst!“

Torven blätterte zurück.

„Kannst du dir vorstellen, welchen Artikel ich meine?“, sagte der Fremde.

„Es ist der Bericht über den Hohen Meissner. Ein Teil des Hangs droht abzurutschen, und man hat die Leiche eines Mannes in diesem Abschnitt gefunden …“

„Fantastisch. Du hast also dein Gespür für das Offensichtliche nicht verloren.“

„Der Mann … es war jemand … deiner Art, nicht?“

„Oh ja. Uller ist … oder besser gesagt: war ein Ase, ein wahrhaft fabelhaftes Exemplar, ohne Zweifel. Aber weder das noch sein Winterschwert haben ihn davor bewahrt, auseinander gerissen zu werden.“

„Auseinander gerissen?! Hui, wer oder was könnte solch einen fabelhaften Burschen denn ein Härchen krümmen?“

Ein amüsiertes Grinsen strich über die Lippen des Anzugträgers.

„Etwas, das größer, kräftiger und viel mächtiger ist und ein Schwert nicht fürchten muss, das Eisen gewordene Winterkälte beherbergt. Was sonst?“

„Eine typische Antwort von dir. Was hatte Uller mit seinem Schwert dort oben zu suchen?“

„Rate doch!“

„Dein Lieblingsspielchen. Aber ich mache dir die Freude. Mmmh, in Anbetracht, dass er dort bewaffnet herumlief, hat er etwas gesucht oder etwas bewacht. Da ihr Typen im Allgemeinen lieber reagiert als agiert, tippe ich auf das Zweite …“

„Dümmlich argumentiert, aber trotzdem korrekt. Er hat etwas bewacht …“

Der Fremde erwartete offenbar, dass Torven weiter spekulierte, aber Farbauti tat ihm den Gefallen nicht. Er schwieg und starrte beinah desinteressiert seitwärts, wobei er müßig an seinem Cappuccino schlürfte.

Das Schweigen dauerte zwei Minuten an, dann verkniff der Fremde verärgert den Mund.

„Na schön. Uller bewachte diesen Ort, weil sich hinter dem blanken Gestein ein Mundus befindet …“

„Mundus? Was soll das denn sein?“

„Beim Allvater, weißt du denn gar nichts? Ein Mundus verriegelt die Tore zur Hölle.“

„Hölle? Ihr glaubt an ein solches Konzept? Ihr aufgeputzten Überfutzis mit all eurem Unsterblichkeitspathos und eurer überbordenden Hybris?“

Der Fremde lächelte, trotzdem merkte Torven, dass er sich hinter seiner glatten Oberfläche ärgerte.

„Unsterblichkeit und Vernichtung sind keine Konzepte, die sich gegenseitig ausschließen. Und die Ausgeburten der Unterwelt sind von einer Kraft erfüllt, die uns Asen fremd ist und die uns verwirrt.“

„Schön dass ihr einseht, doch nicht so allmächtig zu sein, wie ihr euch gerne gebt …“

„Mancher ist mächtiger als der andere …“

„… und Uller war wohl nicht gerade der Mächtigsten einer!“

„Spotte nur, Uller war ein prächtiger Krieger, nur übertroffen von Thor, Balder und Heimdall selbst.“

„Na, wer auch immer ihn auseinander genommen hat, war wohl auch kein Weichei …“

„Wie dem auch sei, der Mundus ist nun unbewacht, der Stein vor ihm weicht mit jedem schwindenden Augenblick. Der einzige Weg, die Öffnung des Tores zu verhindern, ist die Errichtung einer Irminsul, einer Säule aus dem Holz Yggdrasils, des Weltenbaums. Sieben Teile der Irminsul sind über Midgard verstreut, und diese Teile müssen von sieben Streitern gesammelt werden, um das Eindringen Utgards in diese Sphäre zu verhindern …“

„Wenn ich dein Hiersein richtig interpretiere, glaubst du, dass ich einer dieser armen Tröpfe sein soll, die bei diesem Spielchen den Hampelmann geben …“

„Tztz, was für eine schnoddrige Ausdrucksweise. Ich gebe dir die einmalige Chance, aus dieser trostlosen Existenz auszubrechen, um eine wahrhafte Heldentat zu vollbringen. Ist dies nicht, was du immer wolltest, hm? Aus dem Schatten Deines Erzeugers zu treten und ihm zu beweisen, was für ein wertvoller Gutmensch du bist, hm?“

Torven lächelte gequält.

„Geh zur Hölle, Vater! Ach ja, das wird wohl gar nicht so lange dauern, was?“

„Überleg es dir, Torven. Dein Teil des Irminsul ist im Eggegebirge bei den Teutoniaklippen.“

„Woher weißt du, wo diese Teile zu finden sind? Woher weißt du überhaupt von der ganzen Angelegenheit?“

Loki grinste amüsiert und stand auf. Er tippte mit dem Finger zum Gruß an die Stirn.

Die Sonne blitzte in diesem Moment hinter einem Wolkenberg auf und blendete Torven für einen Augenblick. Als er wieder klar sehen konnte, war sein Vater verschwunden.

Der Kellner kam an Torvens Tisch und sah ihn mit einem besorgten Blick an.

„Geht es Ihnen gut, mein Herr? Ist alles in Ordnung?“

„Wie meinen Sie das?“

„Ähem, Sie haben ungefähr zehn Minuten mit sich selbst geredet …“

„Ach ja, eine liebenswerte Macke von mir. Bin eben ein seltsamer Kauz.“

Der Kellner blickte ihn noch eine Spur besorgter an, dann wischte er geschäftig mit einem Tuch den Tisch ab.

***

Torven lag auf seiner Couch und versuchte die Zeitung zu ignorieren, die er aus dem Cafè mitgenommen hatte.

Eine halb fertige Skizze harrte einer weiteren Bearbeitung und lag vernachlässigt auf einem Couchkissen.

Schmutziges Geschirr stapelte sich in der Küchenspüle. Einige Mülltüten neben dem Kühlschrank fingen schon das Müffeln an.

Mit einem Glas Bourbon, der in schmelzenden Eiswürfeln ertrank, zog sich Torven an das einzige Fenster in seiner Wohn-Küche zurück und hoffte, der räumliche Abstand würde die Flausen in seinem Kopf vertreiben.

„Was geht’s mich an, wenn die Welt zum Teufel geht? Ich lass mich nie mehr vor den Karren deiner schwachsinnigen Plänkeleien spannen, Väterchen!“, flüsterte er zu sich selbst.

Winston Churchill lag auf der Couchlehne und sah seinen Wohngefährten mit stoischer Miene an. Er war von seinem Ernährer keine großen Monologe gewohnt und wusste, dass sich dessen Vokabular nach einigen Gläsern Bourbon bald erschöpft haben sollte.

Gerade als sich Torven allzu sehr mit dem Alkohol anfreunden wollte, klingelte es an der Tür. Winston Churchill wandte sich interessiert um.

Torven erwartete keinen Besuch. Er war im Laufe der Jahre zum Einsiedler geworden. Seine letzte Beziehung lag zwei Jahre zurück und nur Winston Churchill leistete ihm Gesellschaft, dieser jedoch war kein emsiger Gesprächspartner und kam seinem Namensgeber nur an Leibesfülle gleich.

Eigentlich hätte Torven erwartet, seinen verschlagenen Vater im Türrahmen stehen zu sehen, bereit, ihn weiter zu verwirren und zu necken.

Aber der riesige Mann an der Tür hatte keinerlei Ähnlichkeit mit ihm.

Er war nicht nur ein breitschultriger Hüne, sondern auch begnadet mit einer beinah schmerzhaft anzusehenden Schönheit. Seine Haut hatte einen goldenen Schimmer, den keine Sonnenbank dieser Welt veredeln konnte. Nicht die Spur eines Bartstoppels verunreinigte sie. Ihre Glätte und Ebenheit waren übernatürlich. Die Symmetrie seines Gesichts schien perfekt ausgewogen zu sein. Die Farbe seiner hellen Augen entzog sich jeglicher Definition. Am ehesten hätte man noch von einem matten Silber sprechen können, aber auch ein goldenes Glitzern und ein blaues Strahlen ging von ihnen aus.

Als er den Mund zum Reden öffnete, enthüllten sich makellose Zähne, die einen wunderbaren Einklang mit seinen zarten Lippen abgaben.

„Guten Abend, Herr Farbauti. Darf ich eintreten?“

Seine Stimme hatte nicht den verführerischen Tonfall seines Vaters. Dennoch war sie sehr angenehm zu hören, hatte aber einen stolzen und gebieterischen Tonfall, der jeden Widerspruch verblassen ließ.

Torven wusste, dass er ein überirdisches Wesen vor sich hatte, konnte den Mann aber in keiner Weise klassifizieren, was überaus seltsam und noch nie geschehen war.

„Sollten wir uns kennen?“, fragte Torven mit einiger Anstrengung. Fast hätte er den Fremden ohne jegliche Erwiderung in seine Wohnung gelassen, so groß war seine einnehmende und gebieterische Ausstrahlung.

Der Fremde lächelte amüsiert über Torvens Widerstandskraft.

„Nein, wir kennen uns noch nicht, Herr Farbauti. Ich hätte gern ein paar Worte über die Geschehnisse am Hohen Meissner mit ihnen gewechselt, wenn es Ihnen nichts ausmacht?“

„Heute scheint jeder etwas über diesen komischen Berg mit mir zu bequatschen haben. Nur herein mit ihnen … ich bin ja so gespannt …“

Der Mann betrat mit elegantem Schwung die Wohnung. So perfekt wie sein Äußeres schien auch seine Körperspannung zu sein.

Winston Churchill fauchte einmal kurz auf, als der Fremde auf die Couch zutrat, dann plumpste er auf den Boden und zog sich in eine Ecke des Zimmers zurück.

„Ihr Kater scheint mich nicht zu mögen, Herr Farbauti.“

„Er ist in der Auswahl seiner Gesellschaft sehr wählerisch. Und namenlose Fremde, die seine Abendruhe stören, sind ihm seit jeher suspekt.“

„Oh, entschuldigen sie, Herr Farbauti. Mein Name ist Damael. Den Vorzug eines Nachnamens konnte ich leider nie genießen.“

„Herrje, wie gespreizt sie sich ausdrücken. Man könnte meinen sie wären aus einer anderen Epoche. Wie alt sind Sie, wenn man fragen darf?“

„Oh …“. Der Fremde legte sinnend den Zeige- und Ringerfinger seiner rechten Hand an die Schläfe und schien tatsächlich zu grübeln.

„Ehrlich gesagt, ist Altern eine Wesensform, die meiner Art versagt bleibt. Aber ich kann mich gut daran erinnern, mit ägyptischen Pharaonen gespeist zu haben“. Sein Blick wurde leicht träumerisch, „… was war dies doch für ein eloquentes Zeitalter …“

„Na dafür, haben sie sich prima gehalten, Respekt!“

„Ich sagte doch, dass biologischer Zerfall meinem Wesen nicht eigen ist!“

Damael sah empört aus, diese Tatsache noch einmal vorbringen zu müssen.

„Schön für Sie. Setzen Sie sich. Es macht mich leicht nervös, wenn ein Kerl wie ein Hauklotz mich aus zwei Metern Höhe wie ein verächtliches Insekt betrachtet.“

Jetzt lächelte Damel wieder.

„Was sind Sie eigentlich? Was ich sagen kann ist, dass Sie weder Vampir noch Leichenfresser oder einer dieser anderen schrägen Vögel sind. Ich kann Sie so gar nicht einordnen und wenn ich etwas nicht einordnen kann, dann juckt mir das Zwerchfell und das kann ich gar nicht leiden …“

Damael lächelte noch breiter und setzte sich mit verschränkten Armen auf das Sofa.

„Mit Ihrem begrenzten Auffassungsvermögen würden Sie meine Art wahrscheinlich am ehesten als Engel bezeichnen. Wir selbst verstehen uns als Hüter der Ordnung.“

„Ach du liebes Bisschen! Da brat mir aber einer `nen Storch. Der Tag wird immer besser. Heute Morgen erzählt mir mein alter Herr etwas von Ausgeburten der Hölle und schon am Abend stellt sich mir ein Flügelmännchen vor.“

Die formvollendeten Augen Damaels wurden kalt und seine Lippen bildeten eine harte Linie.

„Sie verwechseln meine Art mit diesen zarten Wesen ihrer Literatur. Wir Hüter sind eine Kriegerkaste, die wenig mit Sanftmut und Harfenspiel zu tun hat. Wir wurden nur zu einem einzigen Zweck geschaffen: Zum Kampf gegen den Unrat des Orkus. Jede Faser unseres Körpers kann todbringend sein.“

„Hui, jetzt haben Sie mich aber erschreckt! Darauf muss ich mir unbedingt noch einen genehmigen. Entschuldigen Sie, wenn ich ihnen keinen anbiete, aber ich fürchte, dass würde Ihrer Form schaden und dann wären Sie weit weniger todbringend.“

„Ach, lassen Sie uns zur Sache kommen. Ich weiß, dass Ihr schlangengleicher Vater Sie dazu anstiften wollte, die Öffnung des Mundus zu verhindern.“

„Na ja, ich sollte zumindest einer von Sieben sein, die sich darum kümmern sollen, dass da nichts von der Dunklen Seite der Macht rüber schwappt …“

„Lassen Sie die Finger davon!“

Torven spürte wie die manipulative Welle seiner Stimme gegen ihn brandete.

„Oha, jetzt bin ich aber neugierig. Warum sollte so ein Heiliger Futzi wie Sie versessen darauf sein, dass das Tor geöffnet wird? Und lassen Sie den Quatsch mit ihrer Opern-Stimme. Der Larifari wirkt nämlich bei mir nicht, verstanden!“

Irritiert kräuselte sich Damaels so edle Stirn und gestattete sich damit einen Ausflug in kurzweilige Hässlichkeit.

„Sind Sie so dumm oder tun Sie nur so? Wir Hüter sind Kämpfer ohnegleichen. In dieser zerbrechlichen Hemisphäre haben wir keine wahrhaften Gegner. Wenn die Tore des Mundus geöffnet werden und die Heerscharen der Finsternis einen Weg in diese Welt finden, werden uns endlich Kontrahenten zugeführt, die unserer würdig sind.“

„Was? Ihr wollt die abartigsten Alpträume auf die Menschheit loslassen, nur um euch ordentlich prügeln zu können? Und was ist mit uns armen, zerbrechlichen Menschlein, die vielleicht so ganz nebenbei abgeschlachtet, vergewaltigt und versklavt werden?“

„Es tut mir leid, dass der Schauplatz dessen epochalen Erlebnisses diese zarte Welt ist, aber es ist unsere ureigene Bestimmung die Horden des Unten zu bekriegen.“

„Tz, was seid ihr nur für selbstsüchtige Bastarde! Wo bleibt denn da die Mär vom gütigen und barmherzigen Gott? Ist euer Chef nicht die wandelnde Liebe in Person?“

Der Engel zeigte Torven wieder seine ebenmäßigen Zähne und fuhr sich mit seiner Zunge über dieselben.

„Lesen Sie lieber ein bisschen im Alten Testament. Dort werden Sie die wahre Natur des Allmächtigen erkennen.“

„Verstehe. Sie sind nur ein alttestamentarischer Fleischwolf mit Fönwelle, ohne jeglichen eigenen Willen, abgerichtet zum Schlachten und Aufplustern. Stimmts, Dämel oder wie immer du heißt …“

Der Engel richtete sich blitzschnell vom Sofa auf. Seine Bewegung verdichete die Luft um ihn herum, und mit einem Donnern knallte diese als Kraftwelle gegen Torven Farbauti, der von den Füßen gerissen wurde und wie ein nasses Blatt gegen die Wand klatschte.

Torven spürte wie einige seiner Rippen brachen und prallte von der Wand auf den Boden. Der Putz rieselte von Decke und Wand und umhüllte seinen schlaffen Körper mit einer Wolke.

Die Wucht des Aufpralls hatte seinen Brustkorb malträtiert und es fiel ihm schwer zu sprechen. Trotzdem hustete er schmerzerfüllt Worte hervor.

„War … war … hust … das alles, was du … du … hust… auf dem Ka … Kasten hast? Das ist ja . uuuh … lächerlich.“

„Letzte Warnung, Farbauti: Mischen Sie sich nicht ein, sonst werden Sie sehen, was passiert, wenn ich nicht nur aufstehe, sondern dann meine Hände einsetze!“

Der Engel wandte sich um und ging.

„Mei … mein schönes Beistelltischchen … ha … hat er zertrümmert … au. Da … das wird Konsequenzen haben … auauauaaah. Sieh nur Winston Churchill, dieser überkandidelte Harfenschwinger ha … hat sogar meine Stereoanlage ruiniert!“

Winston Churchill kam hinter dem Sofa hervor und fauchte eine Drohung in Richtung Appartmenttür.

Torven rappelt sich unter allerlei Stöhnen hoch und taumelte durch den Schutt seiner Wohnungseinrichtung ins Bad, wo er seinen Kopf unter den Wasserhahn hielt.

Er wusste, warum er noch lebte. Sein Vater war zwar ein Nichtsnutz und intriganter Halunke, aber er war auch ein machtvoller Asengott, der sicherlich einem Engel Paroli bieten konnte … und vielleicht … ja vielleicht hätte er es dem Engel übel genommen, wenn er Torven zu Brei geprügelt hätte.

Allerdings begann Torven auch zu ahnen, wer den Asen Uller auf dem Hohen Meissner über die Klinge hatte springen lassen.

***

In dieser Nacht träumte Torven Farbauti von der Schlacht der Engel gegen die Dämonenscharen, die millionenfach aus dem Mundus strömten.

Die Engel waren nackt und hatten silbern glänzende Flügel, die sie wie Raketen in den Mahlstrom aus Teufelsleibern katapultierten. Mit Schwertern aus pulsierender Lava hieben sie auf den Dämonenunrat ein. Jeder Hieb mit diesen Schwertern ließ die Dämonen regelrecht platzen. Die Engel vernichteten Tausende dieser Kreaturen, aber schließlich wurden sie von der schieren Masse des Dämonenpacks überschwemmt, gefressen und als blutiger Federmatsch wieder ausgespien.

Die tausendgesichtigen Monster kamen auf Torven zu. Vielarmig, mit gezückten Klauen. Bestückt mit grotesken eregierten Geschlechtsorganen. Lechzend. Geifernd. Brüllend.

***

Torven erwachte mit irren Kopfschmerzen, die größtenteils wohl auf eine mittelschwere Gehirnerschütterung zurückzuführen war, aber auch auf den grässlichen Alptraum.

Er duschte ausgiebig und versuchte hinterher die Kopfschmerzen mit einer Kanne dampfenden Kaffees zu vertreiben, was natürlich nicht fruchtete.

Wahrscheinlich dachte Damael, dass seine kraftstrotzende Demonstration Torven als zitterndes Elend zurück gelassen hatte, aber hier sollte er schwer irren.

Torven hatte eigentlich vorgehabt Lokis Auftritt zu ignorieren und den Dingen ihren Lauf zu lassen, aber er war auch ein sturer und eigensinniger Bursche, der nichts mehr hasste, als wenn ihm jemand Vorschriften machen wollte.

***

„Himmel und Hölle, Engel & Dämonen – nein, Mann, das sind Konzepte aus der Mottenkiste. Was mir Angst macht, sind Steuerprüfungen, langweilige Fernseh-Soaps und gepanschte Blut-Cocktails.“

„Mein Vater ist eine nordische Gottheit und du bist ein Vampir – zugegeben, ein ziemlich schlapper Vertreter dieser Zunft, nichtsdestotrotz ein Blutsauger, der übernatürliche Fähigkeit besitzt …“, sagte Torven.

„Das mit deinem Vater stelle ich auch mal in Zweifel. Sicher, du bist kein Otto-Normal-Dödel und hast einige ziemlich seltsame Tricks drauf, aber an Götter glaube ich nicht. Weder an die noch an Engel. Mann … ENGEL … ! Wie schwul ist das denn?!“

Alex Kurtz war ein Sun-Junkie. Einer jener Vampire, die sich zwar höllisch vor Sonnenlicht in Acht nehmen mussten, aber nichts auf der Welt verlockender fanden, sich bis zu einem gewissen Grad von ihm verbrennen zu lassen.

Die verschmorten Wunden, die sie bei diesem Spielchen erlitten, trugen sie wie Orden am untoten Körper.

„Ich weiß nicht, was für ein sonderbares Wesen dieser Kerl ist, jedenfalls stellte er sich mir als Engel vor. Und ich kann Dir sagen, Alex: So einem sonderbaren und mächtigen Mistkerl bin ich noch nie begegnet, und ich habe schon alles gesehen, was auf diesem verkommenen Planeten herum kreucht, vom Werleoparden zum Öko-Magier. Dieser Hüter hat eine Kraft-Aura, die einer magischen Atombombe entspricht. Das kannst du mir glauben.“

Der Vampir schüttelte den Kopf, so dass seine ausgebleichten, dünnen, weißen Haare vor seinem Kopf wirbelten.

„Und diese lahme Story von einem Tor zur Hölle … Warum taucht das Tor denn gerade jetzt auf? Und warum an einem Hang am Hohen Meissner? Ich meine, wenn etwas so GROSSES passiert … würde es nicht an einem besonderen Zeitpunkt, an einem ganz besonderen Ort geschehen, oder? Warum platzt der ganze Höllenscheiß nicht am Unabhängigkeitstag aus dem Klo des amerikanischen Präsidenten raus?“

„Eh, das würde dir gefallen, was?“

„Naja, das wäre nicht ohne …“

„Mann, Alex, egal wie hanebüchen sich das Ganze anhören mag, ich glaube es ist die Wahrheit. Dieser Engel und mein Vater waren verdammt überzeugend!“

„Und warum erzählst du mir den ganzen Kladderradatsch?“

„Weil du mir dabei helfen musst, am Leben zu bleiben, während ich ein Stück altes Holz suchen werde, das den Untergang der Welt aufhalten soll.“

„Wow – ein Stück altes Holz – wie kann ich da bei einer solchen spektakulären Ansage noch Nein sagen?“, kicherte Alex Kurtz und genehmigte sich aus einer kleinen Ampulle, die er entstöpselte einen Roten Snack.

Kommentare  

#1 Pisanelli 2013-11-07 10:31
Das hat hier bisher den humorigsten Einschlag von allen, erinnert mich von der Schreibe ein bißchen an Ronald M. Hahn. Schräg, direkt und irgendwie erdig, in der Kombi aber dann nix für mich. Sprachlich nix dran auszusetzen.

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