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Dragon, ›Zither-Max‹, Mythor, W. K., Hugh, der Bernhardt und der Schelwokat

Teestunde mit Rolf...Moin Rolf, Du kannst es nicht lassen. Jetzt führt Dich der Weg immer noch nicht in die Wüste oder zum Reisebericht, sondern der Start der Artikelserie über "Dragon" lenkt Dich ab. Nun gut. Lass Dich ablenken und erzähl uns was über Deine Erfahrungen mit dem ›Sohn von Atlantis‹. Der Tee ist serviert ...

Dragon, ›Zither-Maxl‹, Mythor, W. K., Hugh, der Bernhardt und der Schelwokat

Bevor wir an der Seite des Propheten und seiner treuen Gefährten durch die Wüste von Mekka nach Medina kommen, muss ich aus aktuellem Anlass etwas zu dem Artikel über die sogenannte ›Fantasy-Heftserie‹ mit dem Titel »DRAGON – Söhne von Atlantis« sagen.

Und das ist wieder mal für einen Kommentar zu umfangreich.

 

Teestunden-Leser erinnern sich, dass ich durch diese Serie zum ersten Mal mit FOLLOW und der Fantasywelt MAGIRA in Kontakt geraten bin, was letztlich zu der jahrzehntelangen Freundschaft mit vielen Leuten aus der Fantasy-Szene geführt hat.

Und damit meine ich nicht nur Hubert ›Hugh Walker‹ Straßl und den heutigen Doktor Helmut Pesch, der es in seiner Dissertation fertig brachte, der ›Fantasy‹ akademische Weihe zu geben, indem er sie in seiner Doktorenarbeit zum Kernpunkt machte. Und es waren nicht nur Betrachtungen über J. R. R. Tolkien, sondern alles, was damals als Fantasy bekannt war.

Damals, in den Siebzigern, war eben jener Helmut Pesch jedoch noch Student - und auch einige Male Titelbildzeicher für »Dragon«. Das in dem Artikel abgebildete Titelbild des letzten Dragon-Romans »Rückkehr nach Atlantis« ist übrigens von ihm. Das erste Tibi, also die erste künstlerisch-kreative Veröffentlichung Helmut Peschs, war das Dragon-Tibi zum Roman »Die Eis-Königin«. Damals war Frank Frazetta für Helmut das absolute Vorbild, und die ›Eiskönigin‹ war einem seiner Bilder nachempfunden. Aber Helmut brauchte nicht lange, um sich von seinem großen Vorbild zu lösen.

Er hatte schon vorher in den Fanzines FOLLOW und MAGIRA wunderschöne Bilder gebracht und das, samt seiner Freundschaft zu Hubert Straßl als Mit-Autor der Serie, mag dazu gedient haben, dass man Helmut Pesch hier die Chance gab, seine Bilder professionell zu veröffentlichen.

Wie sagte seinerzeit Kaiserin Elisabeth von Österreich, besser als Kaiserin Sissi bekannt, die von ihrem Vater, dem ›Zither-Maxl‹ die Liebe zu Pferden, zum Reiten und zum Zirkus geerbt hatte? »Wenn wir keine Prinzen geworden wären, wären wir Zirkusreiter geworden«.

Genau so könnte man sagen, dass Helmut Pesch heute ein weltweit bekannter Maler und Zeichner geworden wäre – wäre er eben nicht ›Doktor der Fantasy‹ ... ahem, nein, eigentlich der Anglistik und dann Lektor bei Bastei und inzwischen bei Lübbe geworden. Eigentlich ist es schade, dass die Bilder, die er auch in seiner Vor-Dragon-Zeit geschaffen hat, heute der ›Nachwelt‹ nicht mehr so ohne Weiteres zur Verfügung stehen. 

Aber ich wollte ja von der Dragon-Serie schreiben – und nur die jetzt im Raum stehende Frage nach dem ›Zither-Maxl‹ muss ich noch beantworten. Elisabeths – also Sissis – Vater war Herzog Maximilian in Bayern. Eine andere Linie der Wittelsbacher, in der das Königtum fortgeführt wurde – und aus der dann meines Wissens der ›Herr Prinzregent Luitpold‹ kam, den der Bayerische Staatsrat Monarch spielen ließ, nachdem Ludwig II., der Märchenkönig, abgesetzt und im Starnberger See ertrunken war, und sein Bruder Otto als unheilbar geisteskrank galt und unter ärztlicher Aufsicht stand.

›Prinz‹ oder ›Prinzessin‹ ist man ja auch, wenn man durch tausend Kellerlöcher noch eine Verwandtschaft mit dem Herrscherhaus nachweisen kann. Und das war nun mal bei Maximilian und seiner Frau Ludovika der Fall. Er trug den Titel eines Herzogs in Bayern (das „von Bayern“ stand nur dem Zweig der Königsfamilie zu), wohnte im Winter in München und im Sommer meist auf Schloss Possenhofen am Starnberger See und hatte Kinder wie die Orgelpfeifen. Gustav Knuth hat ihn, von der ›Aktenlage‹ her gesehen, in den Sissi-Filmen richtig gut gespielt.

Herzog Maximilian war sehr volksnah und damit beliebt. Er war sich nicht zu schade, sich in einem normalen Wirtshaus mit an den Tisch zu setzen und mit den Leuten Skat zu spielen oder sie direkt nach Possenhofen einzuladen. Ein deftiges Essen und ein Maß Bier mussten immer dabei sein. Und – Musik. Er sang gern und spielte leidenschaftlich Zither – und daher sein Spitzname ›Zither-Maxl‹. Bekannt ist, dass er immer mal zu Reisen aufbrach und seine Zither selbst nach Ägypten mitnahm, um dort ganz oben auf der Cheops-Pyramide bayrische Volksmusik zu spielen. Aus Ägypten brachte er sich dann auch einen ›Mohren‹ mit, den er dort gekauft hatte. Sklaverei war zwar schon damals auch in Ägypten verboten – aber das wurde von den Behörden nicht so eng gesehen. So viel erst mal zum ›Zither-Maxl‹ - aber wir haben ja den DRAGON, über den wir reden wollen.

Wie in dem Artikel ganz richtig geschrieben, machte Günter Maria Schwelwokat das Rennen mit dem Rahmen-Exposé. Durch Gespräche mit Hubert Straßl weiß ich nun etwas mehr. Er hatte auch ein Expo abgegeben, das in etwa so angelegt war, wie es später bei Mythor verwirklicht wurde. Dass auch der Mythor dann nicht so wurde, wie sich Hubert das alles gedacht hatte, ist eine andere Sache. Aber es war einer der Gründe, warum innerhalb der Serie so wenig Hugh-Walker-Romane erschienen.

Hubert gehört nun mal zu den Leuten, die außergewöhnliche Ideen haben und gern komplizierte Charaktere aufbauen, die vom üblichen heftromangerechten ›Schwarz-Weiß-Denken‹ weit entfernt sind. Genau dieses ›Schwarz-Weiß-Denken‹ - also ›Good Guy and Bad Guy‹ ist es, was man bei den Verlagen wünscht, wenn es um Heftromane geht.

»Einfach schreiben!« nennt man das – und so wurde ich zu meiner Zeit immer verbessert, wenn ich sagte, dass ich keine ›primitiven Storys‹ abliefern wollte. Heute sieht man das in den Verlagsetagen etwas anders. Auch Dank des Erfolges, den der ›Zamorra‹ hat, indem hier eben nicht nach Schablone gearbeitet wurde. Zu unserer Zeit nicht – und heute schon mal gar nicht.

Ich kenne die Konzepte Hubert Straßls zum Dragon und zum Mythor. Das war eine Mischung zwischen Action- und High-Fantasy. Auf jeden Fall etwas, das es in dieser Form noch nicht gab.

Im Heft geht man aber auf den Wiedererkennungs-Effekt. Der Leser soll vorgesetzt bekommen, was er ganz oder teilweise kennt – wie eben ›Fritz und Franz‹ aus der letzten Teestunde. Oder dass der Heerführer der Griechen vor Troja nicht, wie bei Homer, Agamemnon hieß (lt. Jason Dark kann sich der Leser das nicht merken) sondern der Name ›Drusus‹ hier angebrachter gewesen wäre. »Das kennt der Leser. Das begreift er. Und das kauft er auch!« waren damals, wie schon bereits in einer früheren Teestunde erzählt, die Worte unseres Zamorra-Redakteurs.

Es wird mir ein ewiges Rätsel bleiben, wie beispielsweise ein wirklich gut durchdachtes Konzept wie »Maddrax« auf den Markt kommen konnte, weil es dafür ja auf dem Heft-Markt weder ein Vorbild gab noch wie bei »Dino-Land« eine „Welle“. Aber wie heißt das schöne Lied? »Wunder gibt es immer wieder ...«

Von daher ist es also klar, dass ein Hugh-Walker-Konzept in den Siebzigern keine Chance hatte, Gnade in den Augen der Entscheidungs-Gewaltigen beim Pabel-Verlag zu finden. Denn so wie ich das sehe, war er in einem Verlag, wo alle den Tanz um das ›Goldene Kalb namens Perry Rhodan‹ vollführten, der Einzige, der in etwa wusste, was Fantasy bedeutet. Schelwokat war damals beim Rhodan Cheflektor, und wenn ich das so recht aus Werner Kurt Giesas Erzählungen in Erinnerung habe, ein Kurt Bernhardt der Chef vom Ganzen.

Werner sagte immer, dass er »beim alten Bernhardt« viel gelernt hätte und er dann auf dessen Grab mal einen Strauß Blumen abgelegt hätte. Ich habe die Pabel-Leute von einzelnen Ausnahmen (z. B. Ernst Vlcek, Clark Darlton, Peter Terrid) nicht gekannt und Herrn Schelwokat auf einem Con einmal nur von Weitem gesehen. Also kann ich nur das erzählen, was ich teilweise über ihn gehört oder gelesen habe.

Inzwischen deckt ihn auch schon lange der grüne Rasen und ich denke, man kann über manche Dinge reden, weil sie inzwischen Literaturgeschichte geworden sind.

Wer seinem König die Treue hält, der kann manchmal seinen Freunden die Treue nicht halten. Und der König, das war für ›Ritter Schelwokat‹ der Pabel-Verlag, dem er treu diente.

So muss man das, glaube ich, sehen, was uns unser Freund Kurt Brand über die ›Zusammenarbeit‹ mit Herrn Schelwokat gesagt hat. Im Gedächtnisband für Kurt Brand, vor einigen Jahren vom EDFC herausgegeben, bin ich da ja recht deutlich geworden. Allerdings muss ich sagen, dass ich eben in dieser Sache nur das schreiben konnte, was uns Kurt Brand gesagt hatte. Die Aussagen der anderen Beteiligten an der Problematik ›Ausstieg bzw. Rauswurf Kurt Brand bei Perry Rhodan‹, nämlich Karl Herbert Scheer und G. M. Schelwokat, konnte ich nicht bringen, weil ich sie nicht kannte.

Zeitlebens aber war G. M. Schelwokat für Kurt Brand das, was der Beelzebub für den Herrn Pfarrer ist. »Shel-vo-kath dhu lhump ilporco!« lässt Kurt in einem SF-Roman einen Außerirdischen in der Sprache seines Planeten sagen. Nun, ich denke, nach dem, was eben gesagt wurde, brauche ich da keine Übersetzung mitzuliefern. Auch wenn das letzte Wort eigentlich italienisch ist ...

Als Schelwokat dann vor einigen Jahren starb, rief mich Maria Brand an: »Weißt du schon, dass Schelwokat tot ist?« Im gleichen Moment gab es einen mächtigen Donnerschlag draußen. Und so war mein Kommentar: »Eben ist er angekommen!« Denn genau so musste man es sich vorstellen, wenn man hörte, was sich in Kurt über diesen Mann angestaut hatte.

Immerhin, Schelwokat war beim ›Rhodan‹ der Mann, der die Entscheidungen fällte – und die Kaltstellung brachte Kurt Brand um ein echt lukratives Geschäft. Gute Aufträge mit Neuauflagen samt den höchsten Honoraren der Branche. Allerdings – nur auf diese Art konnte ein »Ren Dhark« entstehen und ein »Raumschiff Promet« fliegen.

Ganz klar, dass Werner und ich erst mal die Abneigung gegen diesen Herrn von unserem Freund Kurt übernahmen. Das war dann der Grund, warum in der ›Straße der Götter‹ bei »Bastei-Fantasy« dann der Gott des Verrats ›Wokat‹ hieß. Ein Gedanke, der übrigens von uns beiden kam. Werner revidierte dann seine Meinung über G. M. Schelwokat, je mehr er geschäftlich bei Pabel mit dabei war. »Dämonenkiller« und »Mythor«, damit hatte er neben dem Zamorra ganz gut zu tun.

Ab Band 200 sollte es dann bei Mythor ein neues Konzept geben, das Werner an zwei Tagen zusammen mit G. M. Schelwokat zusammen erarbeitet hatte. Mythor sollte in einer Art „Wagen“ zwischen verschiedenen Fantasy-Welten hin und her pendeln, so dass die Leser von High-Fantasy genauso wie die Sword and Sorcery-Fans gleichermaßen ›bedient‹ werden konnten.

Dass sich G. M. Schelwokat mit seinem Dragon-Konzept beim Pabel-Verlag durchsetzte, ist schließlich ganz einfach zu erklären. Als Mitarbeiter des Verlages hätte man ihm kein Honorar zahlen müssen. Und warum auch ›fremd einkaufen‹, wenn die Sachen ›zu Hause wachsen‹. Dass Hubert Straßl geschäftlich mit Pabel verbunden war, das war eine Sache. Aber er war auch freier Autor und hätte vielleicht bei Änderungen und Veränderungen seines Konzepts verlangen können, dass ein ›Kunstwerk‹ nicht zerstört würde.

Denn wie ein Gemälde oder eine Statue kann auch das Konzept für ein literarisches Werk im weiteren Sinne als ›Kunstwerk‹ angesehen werden. So ungefähr wie bei Gemälden aus der Werkstatt von Peter Paul Rubens (ja, der mit den wohlgenährten Mädels auf den Bildern). Bei den Werkstatt-Bildern hat der Meister nur bestimmte komplizierte Sachen gemalt und den Rest seinen Lehrlingen und Gesellen überlassen. Doch die konnten sich da nicht ›selbst verwirklichen‹, sondern mussten tun, was der Meister wollte.

Und so ist das mit den Heftroman-Autoren auch – heute wie damals. Wem das nicht passt, der kann gehen. Es gibt ›zehntausend Geiger‹, und jeder Autor ist zu ersetzen. Die Beispiele, dass gute Autoren wegen Differenzen mit der Verlagsleitung aufs Abstellgleis geschoben wurden, sind Legion.

Auf die Fantasy-Konzepte Huberts als ›Kunstwerk‹ umgedeutet, wage ich zu sagen, dass es vielleicht Hanns Kneifel, in etwa auch Peter Ritter (Peter Terrid) geschafft hätte, hier Romane zu schreiben, die gute Fantasy gewesen wären und Huberts Zustimmung gefunden hätten. Aber außer ihnen hatte der Rest der DRAGON-Autoren von Fantasy so viel Ahnung wie ein Ochse vom Kirchenchor.

Das habe ich damals schon gesagt, als die Serie erschien, und das sage ich heute noch. Autoren wie William Voltz oder Clark Darlton waren begnadete SF-Schreiber und ihre Perry-Rhodan-Romane waren echte Highlights. Aber Fantasy ... das war für mich so zu lesen, als das, was rauskäme, sollte ich heute einen Arzt-Roman schreiben, was ich nun wirklich nicht kann.

Und ausgerechnet William Voltz, ein wahrer Großmeister der Perry-Rhodan-Romane, musste den Beginn der Dragon-Serie so ›versauen‹, dass sich danach nichts mehr so recht gerade biegen ließ. Aber – Willi ist eigentlich nicht dran schuld. Nicht mal G. M. Schelwokat. Sondern der bereits genannte Herr Bernhard, den Werner gern als ›Chaoten‹ bezeichnete, der das Chaos zu regieren versteht.

Was nun folgt, ist die Sache mit den ›Griechischen Manuskripten‹, die G. M. Schelwokat in einem Gedächtnisband für William Voltz in einem Beitrag erzählt hat. Wer es nicht glaubt, kann es dort nachlesen.

Hanns Kneifel sollte eigentlich den ersten Dragon-Roman schreiben und hatte das auch getan. Auch die anderen Nachfolge-Romane waren geschrieben. Und dann passierte genau das, was eben bei Verlagen so passiert, wenn einem der hohen Bosse auffällt, dass der Wieder-Erkennungs-Effekt nicht da ist.

»Der Untergang von Atlantis!« dröhnte Herr Bernhard – jedenfalls so ungefähr – im Verlag. »Der Untergang von Atlantis fehlt. Das will der Leser wissen. Das kauft der Leser dann auch. Also, der Untergang von Atlantis muss noch rein. Wie das zu machen ist, Herr Schelwokat, das ist Ihre Sache. Sie kennen den Erscheinungstermin. Und bis dahin muss der Untergang von Atlantis in der Serie sein. Damit muss die Handlung anfangen.«

Nun ja, ein Verlagsgewaltiger hat da einfach was zu sagen – und schwer ist es auszuführen. Es war nämlich gerade Sommer. Und diese Jahreszeit hat es so an sich, dass auch die Roman-Autoren im Urlaub sind. So was wie ›Handys‹ oder das ›Internet‹, wo man sie heute erreichen kann, gab es damals nur bei Perry-Rhodan. Und zu Hause ging keiner an den Apparat, weil keiner da war. Von den Pabel-Autoren, die Schelwokat kannte, war also keiner greifbar.

Aber Schelwokat hatte das Glück, dass Willi „William“ Voltz mit seiner Familie im Auto in Richtung Griechenland fuhr und noch persönlich ein Rhodan-Manuskript abliefern wollte. Schelwokats Privathaus lag auf der Strecke und auf diese Art konnte man dort eine Pause einlegen.

Damals war die Fahrt mit dem eigenen Wagen in den Urlaub nach Italien oder Spanien billiger, als heute pauschale Flugreisen – heute macht sich keiner mehr den Stress, durch die Schluchten des Balkan nach Hellas zu fahren. Aber wir reden ja hier von den 70ern, die viele der Teestunden-Freunde nur aus den Geschichtsbüchern kennen oder im Sandkasten erlebt haben.

Ich weiß nicht, wie lange Schelwokat reden musste und wie es ihm gelungen ist, Inge Voltz zu überzeugen, dass sie öfter mal alleine im Meer baden und am Strand liegen würde. Willi hatte die Schreibmaschine im Auto – das hatten die Autoren damals fast alle immer. Und sei es bloß, um eine Idee festzuhalten.

Ja, und dann fuhr Familie Voltz weiter nach Griechenland und blieb dort drei Wochen. Inge Voltz genoss das blaue Wasser der Ägäis und tummelte sich in den Fluten wie Leukothea oder die heilige Thetis. Willi saß in Badehose auf einer Klippe und hämmerte in die Tasten seiner Schreibmaschine, die auf dem Camping-Klapptisch stand. Schriftstellerische Urlaubs-Idylle pur. Aber so ist das, wenn man von der Schreibe lebt. Dann muss man sehen, was man bekommt.

Als die Familie Voltz zurückkam, machten sie wieder im Haus Schelwokat Station. Und dann wurden die sogenannten ›Griechischen Manuskripte‹ abgeliefert – zu lesen als die drei ersten Bände der Dragon-Serie. Gewisse Sachen aus diesen Romanen mussten dann in die späteren Bände mit eingearbeitet werden, weil sie im Rahmen-Exposé gar nicht vorhanden waren.

Ja, und weil Willi Voltz eben als SF-Autor dachte, hat er drei recht gute SF-Romane mit Fantasy-Begriffen hingelegt. Ich vermute, er hat sich schon bei Schelwokat Begriffe wie ›Riesen, Trolle, Drachen, Vampire‹ und solche Sachen aufgeschrieben, weil er die ja schließlich mit einbauen musste.

Für einen an Conan und Gor geschulten Fantasy-Fan, der sich gerade durch den ›Herrn der Ringe‹ kämpfte, war das, was da als ›Fantasy‹ serviert wurde, wie eine Serie Ohrfeigen. So, als würde anstelle eines bestellten sechsgängigen französischen Menüs ein ›Happy-Meal‹ von McDonalds serviert – das kennen die Leute – und das kaufen sie auch ... ahem ...

Alles in Allem wollte ich damals nach dem dritten Dragon-Band eigentlich schon aufhören, die Serie zu lesen. Aber der vierte Band von Hanns Kneifel „Der Schrein des schlafenden Gottes“ war dann doch mehr auf Fantasy. Und so blieb ich dabei bis zum Ende. Einige Romane wie z. B. Hanns Kneifels »Ritter der Wüste« waren so spannend, dass ich sie nicht weglegen konnte. Andere dagegen wurden von SF-lastigen Autoren regelrecht kaputt geschrieben. Aber man musste die Serie damals kaufen – schon alleine, um ›Fantasy‹ zu unterstützen. Und nach einer ›Gurke‹ wurde dann schon wieder ein ›Hugh-Walker‹-Band angekündigt, der mit der Figur des Ubali, einer Mischung zwischen Mensch und Panther, ein echtes Highlight der Fantasy geschaffen hat.

Ja, warum wollte man bei Pabel diese SF in der Handlung einer Fantasy-Serie haben? Ganz einfach – das kennt der Leser und das kauft er auch. Der Begriff ›Fantasy‹ war Anfang bis Mitte der 70er in Deutschland völlig neu. Bei Heyne waren die ›Conan‹-Storys erschienen und die ›Schwerter‹-Bände von Fritz Leiber samt der berühmt-berüchtigten ›Gor‹-Serie. »Der Herr der Ringe« sprach eine völlig andere Leserschaft an. Mehr gab es bisher nicht in Sachen Fantasy. Und deshalb ging man im Pabel-Verlag davon aus, dass man den SF-gewohnten Leser zur Fantasy langsam ›anfüttern‹ müsse. So dachte man eben damals in den Verlags-Etagen – und so denkt man bei anderen Serien teilweise heute noch.

Als Hubert Straßl dann im Auftrag des Weltbild-Verlages den Dragon für die Herausgabe im Hard-Cover vorbereitete, habe ich ihm geraten, die drei ersten Romane völlig rauszuwerfen oder fantasy-mäßig umzuschreiben. Aber Hubert war der Meinung, man müsse es jetzt so erhalten.

Das Ende von Dragon traf alle Fantasy-Freunde überraschend. Ich war damals ja bei FOLLOW und also etwas aus der Szene, um das sagen zu können. Und ich weiß heute von Hubert, wie abrupt es endete.

Hubert war im ersten Drittel des Romans, als der Anruf vom Verlag kam, die Sache so gut wie möglich zum Abschluss zu bringen, weil man die Serie ›aus kalkulatorischen Gründen‹ einstellen müsse. Und das ist Hubert sehr gut gelungen – klar, er war ja von den Autoren auch der einzige ›richtige Fantasy-Autor‹. Sogar das letzte wirklich sehr schöne Titelbild von Helmut Pesch wurde in die Handlung mit eingearbeitet.

Aus der ›Konkursmasse‹ von »Dragon« kam dann die Taschenbuch-Serie »Terra-Fantasy«, bei der Hubert Straßl als Herausgeber fungierte und neben seinem immer mal wieder eingeschobenen Romanen aus der Welt Magira ein wahres Kaleidoskop der damaligen Fantasy brachte. Es begann mit ›Brak, dem Barbaren‹ von John Jakes, der uns besser durch seine Südstaaten-Trilogie »Fackeln im Sturm« bekannt ist. Aber innerhalb von Terra-Fantasy wurde auch so einiges des Fantasy-Werks und darüber hinaus von Robert E. Howard außerhalb von Conan erstmalig in deutscher Sprache veröffentlicht.

Bevor Mythor kam, hat Pabel übrigens noch mal mit ›Atlan – König von Atlantis‹ versucht, ein Fantasy-Projekt zu starten. Es wurde das, was SF-Autoren eben als Fantasy bezeichnen. Nach dem dritten oder vierten Band habe ich das Zeug in die Ecke geschleudert.

Es war einfach nur grausam, jedenfalls für einen Fantasy-Freund, was da so zu lesen war und selten hat der Spruch »Denn sie wissen nicht, was sie tun ...« so gut gepasst. Aber – wie es nichts gibt, was ein deutscher Soldat nicht kann, gab es damals auch nichts, was ein Pabel-Autor nicht schreiben konnte – oder eben schreiben musste. Dass man dann W. K. Giesa mit der Weiterführung der Mythor-Serie nach Band 200 betrauen wollte, zeigt mir, dass spätestens in dieser Zeit ein Umdenken eingesetzt hat.

Huch, jetzt sind wieder jede Menge Erinnerungen bei mir rausgeflossen – und so müssen wir uns, was die Geschichte des Islam angeht, noch etwas in der Wüste aufhalten. Aber wenn ich diese Dinge dann nicht sofort impulsiv niederschreibe, während es hochkocht, vergesse ich das alles wieder.

Also, in die Wüste geht’s in einer Woche wieder – es sei denn, es käme – inch Allah – wieder ein Beitrag im Zauberspiegel, der alte Erinnerungen wachruft.

Kommentare  

#1 Kerstin 2011-07-09 22:38
Vom Zither-Maxl habe ich auch mal eine Anekdote gelesen:

Er saß wie ein braver Normal-Bürger im Zug und hatte auch seinen Koffer selber getragen. Im Abteil saß noch ein zweiter älterer Herr. Sie kamen ins Gespräch und stellten fest, dass beide auf dem Weg nach Wien waren, um ihre dort verheirateten Töchter zu besuchen. Der andere fing gleich an, mächtig mit seinem Schwiegersohn zu prahlen, der als Pferdehändler zu Geld gekommen war. Der Herzog meinte erst mal nur, sein Schwiegersoch wäre auch keine schlechte Partie gewesen. "Na, was wird der schon sein?" höhnte der andere. Maxl: "Kaiser von Österreich ist er. Und König von Ungarn auch."

Keine Ahnung, ob die Geschichte wahr ist. Man stelle sich so eine Bescheidenheit nur mal bei den heutigen Regierenden und ihren Angehörigen vor!
#2 Torshavn 2011-07-14 10:31
Köstlich. Deine Erinnerungen zu lesen ist immer die reinste Freude.

Was ich allerdings nicht verstehe: Warum ist bis heute nie wieder versucht worden eine FantasyHeftRomanSerie zu etablieren?
Es gibt eine Heerscharr von guten bis sehr guten Fantasyautoren. Das Genre boomt.
Na ja. Wahrscheinlich probiert man in den heutigen Zeiten weniger aus.
#3 Remis Blanchard 2011-07-14 14:59
Du brauchst zuerst einmal eine gute Idee um eine Heft Fantasy Roman Serie zu starten. Dann brauchst du einen Verlag der bereit ist, das Risiko einzugehen diese Heftserie herauszubringen und drittens brauchst du natürlich gute Autoren um so etwas zu verwirklichen.
Fangen wir mal mit der Idee an. Gute Ideen sind leicht zu finden, das dürfte kein Problem sein. Einen Verlag zu finden, der bereitt ist, genau diese Idee in Form eines wöchentlichen oder zweiwöchentlich erscheinenen Romans herausbringen, ist sehr schwer. Pabel hat genug mit Perry Rhodan zu tun, der fällt aus. Bastei hat sich vor allem auf Grusel Serien spezialisiert und ist schon einmal mit einer Fantasy Heftserie gescheitert. Wird also daraus seine Lehre gezogen haben und sich nicht mit dem Thema befassen. Kelter kann man ganz vergessen, vor allem, nach dem zweimaligen Scheitern des Abenteuer Romans wird Kelter kein neues Experiment starten. Damit wären die grossen Verlage durch. Die kleinen Verlage bringen keine Heftromanserien heraus sondern nur noch Paberbacks oder Hardcover. Wahrscheinlich hängt das mit dem Preis zusammen. Grosse Verlage können anders kalkulieren als kleine Verlage. Und sollte man trotzdem einen Verlag finden, welche Autoren sollen an solche einer Serie mitschreiben? Die meisten Autoren sind schon bei anderen Serien unter Vertrag und haben wahrscheinlich keine Zeit sich noch mehr aufzulasten. Oder sie schreiben ihr eigenes dickes Fantasy Taschenbuch. Abwarten ob Volker Ferklau es noch dieses Jahr schafft eine Fortsetzung von Mythenland herauszubringen.
#4 MHR 2011-07-17 22:05
Kleine Erklärung zu: »Shel fokat, dul ump e por ko! E por ko! E por ko!« Das steht in Astro-SF Band 37 mit dem Titel »Out« (= Raumschiff PROMET-Heft 27). Zuletzt erschien das als PROMET Classics Buch 7 im Blitz Verlag.

Zu Schelwokat hatte Werner auch später noch eine sehr negative Meinung. Ich hatte mich oft mit WKG über Mythor unterhalten.
#5 Larandil 2011-07-18 06:45
zitiere Torshavn:
Köstlich. Deine Erinnerungen zu lesen ist immer die reinste Freude.

Was ich allerdings nicht verstehe: Warum ist bis heute nie wieder versucht worden eine FantasyHeftRomanSerie zu etablieren?
Es gibt eine Heerscharr von guten bis sehr guten Fantasyautoren. Das Genre boomt.

Es könnte vielleicht damit zusammenhängen, daß so ziemlich alle Fantasyautoren heute nur noch Ziegelsteinformat schreiben. Vergleiche nur mal "Mythenland" mit "Roberta Lee" oder "David Johnson". Sich kurz zu fassen lernt man heute kaum noch. Mit den Worten eines anderen Schriftstellers, der einen Beitrag zu einer Anthologie schreiben sollte mit maximal 10.000 Worten: "10.000 Worte - das sind ja gerade mal zwei Kapitel!?"
#6 Kerstin 2011-07-18 14:47
Das ist wohl auch ein besonderes Problem bei Fantasy: Man muss ja dem Leser erst mal die Welt zeigen, in der das ganze spielt. Bei einem Text, der in heutiger Zeit in Deutschland spielt, muss man ja nicht so viel erklären, weil der Leser diese Welt kennt. Solche Beschreibungen kurz zu fassen und doch verständlich rüber zu bringen, das ist schon eine Kunst.

Bei einer Heftserie hat man dann zwar den Vorteil, dass der Leser das meiste schon aus den vorherigen Heften kennt. Allerdings muss man dann auch in diesem Rahmen bleiben, der dem einzelnen Autor vielleicht nicht ganz behagt. Der eine mag einer Magier mit diesen oder jenen Fähigkeiten ausstatten, der andere will davon lieber nichts wissen usw.

Anthologie Fantasy: Wenn ich eine zusammenstellen sollte, würde ich vorweg eine Beschreibung der besgten Welt voranstellen, die dann auch im Buch vor den Geschichten stehen soll, und die allen potenziellen Autoren zur Verfügung stellen. Dann sollten sie mal loslegen und sich Storys ausdenken, die in dieser Welt spielen. Dabei kann man dann die Länge begrenzen, weil der Leser diese Welt ja schon aus dem Epilog kennt. Aber gibt es sowas? Ich habe solch einen Aufbau bisher bei keiner Anthologie gesehen.
#7 Larandil 2011-07-18 15:57
zitiere Kerstin:
Das ist wohl auch ein besonderes Problem bei Fantasy: Man muss ja dem Leser erst mal die Welt zeigen, in der das ganze spielt.

Muss man? Muss der Leser so viel mehr wissen als die Hauptfigur der Erzählung? Muss der Blick bis weit über den Horizont reichen, räumlich ebenso wie zeitlich?
zitiere Kerstin:

Anthologie Fantasy: Wenn ich eine zusammenstellen sollte, würde ich vorweg eine Beschreibung der besgten Welt voranstellen, die dann auch im Buch vor den Geschichten stehen soll, und die allen potenziellen Autoren zur Verfügung stellen. Dann sollten sie mal loslegen und sich Storys ausdenken, die in dieser Welt spielen. Dabei kann man dann die Länge begrenzen, weil der Leser diese Welt ja schon aus dem Epilog kennt. Aber gibt es sowas? Ich habe solch einen Aufbau bisher bei keiner Anthologie gesehen.

Die Freistatt-Reihe lieferte als Hintergrund eine Stadt. Das reichte vollkommen aus. Alles, was darüber hinaus ging, wurde im Rahmen kurz angedeutet - ein Kaiser, der seinen jüngeren Bruder als Statthalter in das frisch besetzte Land im Süden schickt, Reibereien zwischen den Einheimischen und den Besatzern, auch zwischen der ansässigen Priesterschaft und den Neuen mit ihren Göttern.
Mehr brauchte es gar nicht! Keine Karte der ganzen Welt, keine Zeitleiste ab "Am Anfang schuf XYZ die Welt, wie wir sie kennen" - und es hat trotzdem funktioniert.
#8 Kerstin 2011-07-18 16:25
Freistatt: Kenne ich zwar nicht, aber das scheint das zu treffen, was ich meine.

Natürlich muss der Leser nicht alles wissen, was man sich maximal zu einer Fantasy-Welt ausdenken kann. Besonders, wenn es nicht wesentlich zur Handlung beiträgt, ist das schon verzichtbar. Allerdings sind solche Infos natürlich auch ein Mittel, den Leser gut zu unterhalten und Atmosphäre zu schaffen - in einem Roman.

Ein Teil von dieser Welt kann gut aus der Handlung erkennbar sein, besonders, wenn Kürze angesagt ist. Und der Aha-Effekt für den Leser ist auch nicht zu unterschätzen, wenn ihm selber die Erkenntnis kommt, dass dies so und so abläuft, weil jenes so und so ist. Quasi hat der Leser sich die Erkenntnis erarbeitet und freut sich drüber. Natürlich will man ihn aber auch nicht nur fordern und ein paar maßgebliche Infos müssen einfach sein. Das allein rechtfertigt dann aber auch nicht unzählige Seiten für eine eher magere Handlung.

Fantasy ist ja auch nicht gleich Fantasy. Da gibt es ja auch die unterschiedlichen Sparten mit unterschiedlichem Erklärungsbedarf. Bei der modernen Urban-Fantasy kommt man sicher mit weniger aus als bei High Fantasy.

Aber eigentlich entscheidet ja der Leser, indem er entweder ein Heft kauft oder ein dickes Buch.

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