Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

›Dreckfuhler‹, Familiengeschichten und Karl Mays Fehler

Teestunde mit Rolf...Moin Rolf,  bevor Du uns weiter von Deiner Reise erzählst, wirst Du uns bestimmt ein paar Lektionen in Sachen Geschichte und Sprache erteilen. Nur zu. Wir sind gespannt. Der Tee ist serviert ...

›Dreckfuhler‹, Familiengeschichten und
Karl Mays Fehler

Es ist schon interessant, wie viele Kommentare ein einfacher ›Dreckfuhler‹ hervorrufen kann. Alles nur wegen zwei Pünktchen auf dem ›o‹, die einen Begriff völlig verändern. Allerdings, was wären ›Wüsten-Schlösser‹ wenn nicht irgendein ›Wüsten-Schlosser‹ da eine mechanische Verriegelung angebracht hätte – auch wenn man damals zur Omajaden-Zeit sicher eher anstelle einer Tür einen Vorhang und statt eines Schlosses zwei gekreuzte Speere mit den daran hängenden Kriegern hatte.

 

Ja, in der deutschen Sprache lässt sich so vielen Sachen durch das Auswechseln eines einzigen Buchstabens eine neue Bedeutung geben. Nur so ist die Theorie zu erklären, dass die Wüste Gobi durch die wüste Gabi entstanden ist. Und wer die Gabi, an die ich dabei denke, kennt, der wird dies nicht mal in Zweifel ziehen.

Und damit haben wir wieder zur Wüste übergeleitet – die Wüste, in der die schon in vorislamischer Zeit als heilig geltende Stadt Mekka liegt. Und diese Stadt wird beherrscht von der Sippe der Koreischiten. Den Begriff ›Sippe‹ benutze ich anstelle des sonst üblichen ›Familie‹ - etwas wie ›Clan‹ oder sogar ›Stamm‹ würde auch passen.

Denn innerhalb der Koreisch gab es eine Vielzahl von Familien, so dass es eine Wissenschaft für sich ist, zu erkennen, wer hier mit wem verwandt war. Klar ist – und das müssen wir uns merken –: die Haschemiten, also die Familie des Propheten Mohammed, gehörten mit zum Clan der Koreisch. Nicht jedoch – und auch das müssen wir uns merken – die Omajaden. Auch sie waren eine vornehme und einflussreiche Sippe, und es hat ganz gewiss auch Eheschließungen hin und her gegeben – aber dass die ›Omaja-den‹ eben keine ›Koreisch-iten‹ waren, gab schließlich den Ausschlag für den Untergang der Omajaden.

Wir müssen hier zum besseren Verständnis unserer Betrachtung schon mal vorgreifen. Denn die ›Abassiden‹, die dann das Kalifat von Damaskus um 750 n. Chr. nach Bagdad holten, führten ihre Abstammung auf einen Onkel Mohammeds mit Namen ›Abdallah ibn Abbas‹ zurück. Der Führer der Abassiden beim Aufstand gegen die Omajaden war übrigens ihr Scheich Abul Abbas – womit ein gewisser ›Hadschi Halef Omar ibn Hadschi Abul Abbas ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah‹ einen recht prominenten Vater hat.

Karl May hat das damals entweder nicht so eng gesehen oder nicht besser gewusst. Denn die Bücher, die ihm als Sekundär-Literatur zur Verfügung standen, waren damals nicht sonderlich fundiert, wenn es um kleine Details ging. Ich will auch gar nicht an den Arbeiten meines großen Leitbildes beckmessern – nur einen gravierenden Schnitzer in den Orient-Bänden muss ich grade noch aufzeigen, weil sich dieser Begriff durch alle Wüsten-Bände Karl Mays mit Hadschi Halef Omar zieht.

Im Arabischen – und zwar dem sog. ›Hoch-Arabisch‹, also der Sprache des Korans, in der Mohammed gepredigt hat, heißt ›Herr‹ - ›Saijid‹.

Nun dürfte bekannt sein, dass dieses Hoch-Arabisch zwar überall verstanden, aber kaum gesprochen wird. Wer sich in Nordafrika (Marokko, Algerien oder Tunesien) in der Landessprache verständigen kann, dem gelingt das in Ägypten schon nicht mehr. Ganz zu schweigen von den Dialekten auf der arabischen Halbinsel oder weiter im Irak und anderswo. Ich habe in Sprachführern Vergleiche gemacht – man hat schon mit den kleinsten Alltagsworten Probleme, sich auf der Straße oder im Basar zu verständigen, wenn man, statt es vernünftigerweise mit Englisch zu versuchen, den großen ›Kara ben Nemsi‹ spielen will wie ... ahem ... alles braucht ihr ja auch nicht zu wissen ...

Das Hoch-Arabisch wird überall verstanden – die Radiosendungen, Fernsehen, Film-Synchronisationen und auch die meisten Zeitungen sind in der Koran- Sprache geschrieben. Aber wie man in Deutschland seit Martin Luther zwar die ›sächsische Kanzleisprache‹ der Bibelübersetzung versteht, so benutzt man doch gern seinen Dialekt, der für manche Leute völlig unverständlich ist. Und da will ich weder den Bayern noch den Leuten von der Küste mit ihren landesbedingten Artikulierungen der deutschen Sprache zu nahetreten – auch die ›kölschen‹ Texte der Rock-Band BAP sind für mich so unverständlich wie eine Fremdsprache, wenn ich sie höre. Die gemeinsame Sprache ist also nicht nur ein Problem der arabisch sprechenden Völker.

Also, im Hocharabischen heißt ›Saijid‹ eben ›Herr‹. Hadschi Halef Omar kommt, wenn man zwischen Karl Mays Zeilen lesen kann, aus dem Maghreb – also vermutlich aus den Bergen von Marokko. Es ist zwar schon einige Jahre her, dass ich dort war, aber dort wurde ich – wie alle Fremden übrigens – als ›Sid‹ angeredet. Das ist eben die nordafrikanische Form von ›Saijid‹ - und damit ist jetzt auch der Begriff ›El Cid‹ völlig klar. Für die damaligen Mauren eine ganz einfache Höflichkeit, Rodrigo Diaz de Bivar ›Cid‹ zu nennen – die Spanier nannten ihn ›El Campeador‹ - der ›Kämpfer‹.

Aber Halef redet Kara ben Nemsi ja mit Sihdi an. Und da hat mein illustres Vorbild in Sachen ›Schreibe‹ nicht aufgepasst. Und ich habe das auch erst vor Ort in Marokko erfahren, als ich mich in Fez mit einem Ulema unterhielt, der gut Deutsch sprach. Ein ›Ulema‹ ist ein ›Gelehrter‹, speziell was den Koran und die Sunna, die Überlieferung (dazu kommen wir noch) betrifft. Dieser Ulema, von dem ich sehr viel über den Islam gelernt habe, war in Mekka gewesen - und der hätte auch Anspruch auf die Bezeichnung ›Sihdi‹.

Ein ›Sihdi‹ ist nämlich auf jeden Fall jemand, der etwas mit islamischer Religion zu tun hat. Das kann ein Immam (Vorbeter in der Moschee) sein, ein Ulema oder auch ein Marabut, d. h. ein Heiliger Mann, vergleichbar mit unseren Einsiedlern. Auf gar keinen Fall aber hätte ein fanatischer Moslem, wie es Hadschi Halef Omar am Anfang der ›Wüsten-Bände‹ war, einem ›Giaur‹ einem ›Ungläubigen‹ trotz aller Gelehrsamkeit niemals diesen Ehrentitel verliehen. Also wundert euch nicht, wenn ihr in Nordafrika nur mit ›Sid‹ angesprochen werdet. In Ägypten hat sich das auch von Karl May bekannte ›Effendi‹ durchgesetzt, was allerdings Türkisch ist.

Übrigens – der Begriff ›Giaur‹ ist nicht nur auf Christen beschränkt – Giaurs sind alle Nicht-Moslems – weil sie eben die Lehre des Propheten nicht glauben. Bei den Juden klingt das Wort für Nicht-Juden ähnlich. ›Goijim‹ sind alle, die nicht dem ›Auserwählten Volk‹ angehören - ›Goi‹ ist die Einzahl. Beide Worte wird man heute allerdings kaum zu hören bekommen.

Kommen wir zurück zu den Sippen und Familien – über denen die Stammesverbände stehen. Im arabischen Raum gibt es seit den Zeiten lange vor Mohammed zwei große verfeindete arabische Hauptgruppen aus mehreren Stämmen, denen auch die gemeinsame Religion kein Bindeglied wurde. Aber in ihnen liegen Probleme, die sich vermutlich über zwei Jahrtausende bis in unsere Zeit hinziehen.

Im Süden und Osten leben die ›Kaij‹, die Wölfe – die nördlichen und westlichen Völker sind die ›Chelbs‹, die Hunde. Während die Kaij echte Männer der Wüste sind, haben die Chelbs die Zivilisation von Byzanz und dem alten Persien aufgenommen. Also im Süden die ›Barbaren‹ und im Norden die ›Zivilisation‹. Diese Spaltung wird sich dann auch durch die späteren Reiche in Nordafrika und Spanien ziehen und soll hier eigentlich nur der Form halber erwähnt werden, weil wir ja versuchen wollen, die Grundlagen der arabischen Zwietracht zu erkennen. Die Wurzeln liegen hier – denn es sind die Wurzeln, in denen sich einige Zeit nach dem Tod Mohammeds die Schiiten von den Sunniten abspalten werden.  

Die Familie ist also in Arabien sehr wichtig, weil sie Schutz und Geborgenheit bedeutet. Da die Insel Sizilien seit 831 (Eroberung von Palermo) lange Zeit von den moslemischen Sarazenen beherrscht wurde und ihr geistiger Einfluss bis in die Zeit des Stauferkaisers Friedrich II. nachgewiesen werden kann, ist davon auszugehen, dass sich seit dieser Zeit ganz besonders hier die ›Familienbande‹ so entwickelt haben wie bei den Arabern. Ich denke, mehr brauche ich beim Begriff ›Familie‹ in Verbindung mit Sizilien nicht zu sagen.

Dieser Hinweis auf den Schutz der Familie bzw. deren Oberhäupter ist nämlich sehr wichtig für die Betrachtung, warum ein religiöser Revolutionär nicht einfach in der Anfangszeit von den ›großen Bossen‹ der Koreisch beiseitegeschafft wurde, wie es heute sicher üblich wäre. Immerhin gehörte Mohammed der eigenen Familie an – wir erinnern uns, die Haschemiten waren eine Unter-Familie der Koreischiten -, und es wäre dann das Blut eines ›Verwandten‹ geflossen.

Aber nicht nur diese ›Sünde‹ wäre ein Problem gewesen, sondern die daraus erwachsende ›Tharr‹, die Blutrache. Abu Talib, einer von Mohammeds Onkeln, der in den ersten Jahren sein ›Beschützer‹ war, war sicher in Mekka so mächtig, dass er notfalls die in den Mord verwickelten Kaufleute wirtschaftlich ruinieren konnte – wenn man mal von der normalen Blutrache absieht, die Mekka wahrscheinlich fast entvölkert hätte. Als Abu Talib dann starb, hatte Mohammed schon genügend Anhänger um sich versammelt, die für ihn eine Art Security bildeten.

Die bekanntesten Männer unter ihnen tragen Namen, die wir immer wieder hören werden. Da wäre Ali, der spätere Schwiegersohn Mohammeds, der dessen Lieblingstochter Fatima heiratete – die Ursprünge der Ali-iden und Fati-miden. Ali war nicht nur einer der ersten, der an die Lehre Mohammeds glaubte, sondern auch einer jener jungen Männer, die einer anständigen Prügelei nie aus dem Weg gehen.

Dann wäre da noch Omar zu nennen, welcher als der zweite Kalif den ersten Heiligen Krieg, den Dschihad, ausrief, um die Flamme des Islam zu verbreiten. Omar soll der stärkste Mann in Mekka gewesen sein, der natürlich den Propheten mit seinem Körper schützte. Eine moslemische Legende erzählt, dass er im Auftrag der Koreisch den Propheten erschlagen wollte - doch als er in Mohammeds Augen blickte, wurde er so gläubig wie Paulus von Tarsus nach seinem Reitunfall vor dem Tor von Damaskus, als er auf dem Boden liegend in die Sonne starrte.

Dass Omar ein gewaltiger Krieger war, lässt schon sein Schwert erkennen, das man im Topkapi-Sarray in Istanbul sehen kann. Eine gewaltige Klinge, wie sie Conan von Cimmeria schwingen würde. Die beiden Schwerter Mohammeds dagegen, die dort auch zu sehen sind, sind zwar auch Langschwerter (der Krummsäbel kam erst zur Türkenzeit auf) – aber die beiden Klingen des Propheten sind dünn wie Rapiere.

Der dritte starke Mann, den Mohammed ständig in seiner Nähe hatte, war der Neger Bilal. Ein ehemaliger Sklave, der später der erste Gebetsrufer auf der ersten Moschee von Medina werden würde. Und auch die anderen Männer in der nächsten Umgebung des Propheten haben sicher gut zulangen können.

Sie sind ungefähr vergleichbar mit den zwölf Aposteln, die Jesus immer um sich hatte. Außer dem Finanzier Judas Ischariot und dem Schreiber Matthäus waren die anderen Apostel Fischer und sonstige Handwerker, die schon mal zulangen und ihre Fäuste zu gebrauchen wussten. Mit ›Simon, dem Kanaaniter‹, in der katholischen Fassung ›Simon, der Eiferer‹ genannt, hatte Jesus sogar einen – heute würden wir sagen – rechtsradikalen Terroristen in seinem Gefolge. Natürlich geht die Kirche davon aus, dass dieser ›Simon Zelotes‹, wie er im Original heißt, sich vorher von der Gewalt zur Lehre der Nächstenliebe bekannt hat. Nur steht das nirgends geschrieben – nicht mal in den Apokryphen.

Und die Zeloten (Eiferer) oder auch Sicarier genannt (nach der Sica, dem halbgekrümmten Dolchmesser), waren damals im römisch besetzten Palästina die Terroristen – und die späteren Vorbilder der ›Irgun‹, die vor der Gründung des Staates Israel auf ihre Art einen ›Freiheitskampf‹ der Gewalt führten. Vielleicht standen auch noch andere Apostel den Zeloten nahe – immerhin hatten sie ja zwei Schwerter beim letzten Abendmahl dabei – eins davon wurde ja von Petrus dann auch richtig benutzt.

Es gab sicher genauso viele Situationen, aus denen man Jesus ›heraushauen‹ musste – wenn er den Tempel auf seine Art ›reinigte‹ oder vor dem Volk im Tempel erklärte: »Bevor Abraham ward, war ich« - genauso wie in Mekka, wenn der Geist über Mohammed kam und er in der Öffentlichkeit vor der Kaaba predigte.

Und somit wären wir bei der Thematik angelangt, die eigentlich der Kernpunkt der heutigen Teestunde sein sollte. Leben und Werk des Propheten Mohammed – von seiner Berufung bis zu seinem Tod.

Doch das muss bis zum nächsten Mal warten, weil ich dieses komplexe Thema am Stück behandeln möchte, damit die komplizierten Zusammenhänge klar erkennbar sind.

Alsdann – Allah sei mit euch – bis in einer Woche ...

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.