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Ringo, Rauchen, Bravo und eine Einstimmung auf das Morgenland

Teestunde mit Rolf...Moin Rolf, da bist Du wieder. Heil und gesund. Nun erzähl uns von der Reise ins Morgenland. Wie wars in Syrien und Jordannien. Erzähl mal, was Du alles erlebt hast... Aber wie ich kenne, werden wir erstmal ans Thema herangeführt. Der Tee ist serviert...

Ringo, Rauchen, Bravo und eine Einstimmung auf das Morgenland

»Im Namen Allahs, des Allerbarmers und Allbarmherzigen... « beginnen die Suren des Korans.

Und so kann auch ich damit meinen Bericht einer ›Reise durch das Morgenland‹ beginnen, weil eine ganze Reihe von Teestundenfreunden etwas über meine Tour kreuz und quer durch Jordanien und Syrien wissen wollen.

 

Gleich von Anfang sei gesagt – wer mehr oder weniger gefährliche Abenteuer erwartet, wie ich sie früher teilweise durch mein manchmal recht leichtsinniges Handeln heraufbeschworen habe, der wird vielleicht etwas enttäuscht sein.

Vor einigen Jahren war ich noch fit und im Langlauf-Training und auch sonst körperlich so auf der Höhe, dass ich auch im Extremfall aus den Situationen wieder heraus gekommen wäre. Leider – das war vor einigen Jahren, als ich den Begriff ›Arzt‹ nur aus dem Lexikon oder diversen TV- und Romanserien kannte und ich meinen letzten ›Hausarzt‹ mit ›Herr Stabsarzt‹ angesprochen habe. Oh, dass mir Zeus zurück gebe, diese vergangenen Jahre.

Wie allgemein bekannt ist, musste ich mich vor sechs Jahren in ärztliche Behandlung geben – und nachdem ich bei meinem jetzigen Hausarzt über den TÜV gegangen war, fand ich mich zwei Wochen später in einer Lungen-Fachklinik wieder. Wie mir der behandelnde Arzt dort dann bei der zweiten Sitzung erklärte, habe seine ganze Kollegenschaft an Hand der Untersuchungsergebnisse sein Urteil bestätigt. Und das lautete: »Wenn nicht sofort ärztliche Hilfe kommt, gehört der Patient in einem halben Jahr der Geschichte an!«

So gerne ich ja als ›geschichtliche Person‹ gelten möchte – aber das musste dann eigentlich nicht sein. Ich habe schließlich Verantwortung für meine Familie, die mich braucht – meine Katzen-Familie nämlich...

Also zwei Wochen Lungen-Klinik mit ›Rundum-Erneuerung‹ und vollem Programm. Und – Ade, ihr ach so geliebten Zigaretten. »Sie können ja ruhig weiter rauchen!« sagte mir der Arzt und setzte etwas sarkastisch hinzu: »Wenn sie dann wissen wollen, ob es den Lieben Gott gibt – in einem halben Jahr wissen Sie es dann.« Also – was bleibt anderes übrig, als dem auch so geliebten Laster zu entsagen.

Allerdings – wenn mir mal ein Arzt sagt: »Junge. Genieß den Sommer und mach dir gar keine Gedanken mehr, wem du Weihnachtskarten schreiben musst!« - dann ist mein erster Weg zum Automaten und die Packung Marlboro fällig.

Das ist zwar eine Art Schleichwerbung – die Marlboro war aber mein Favoritenmarke. Und das lange bevor der Marlboro-Cowboy erfunden wurde. Wie das kam? Na gut, ich erzähle das mal.

Ich war 16, als durch den im Radio gespielten Beatles-Song ›It would be long‹ alle Circus-Tiere und sonstige Kinderspielereien in die Ecke flogen und von einem auf den anderen Moment durch dieses Stück der Beatles ein Kind zum Teenager wurde. Und der wollte nun nicht mehr Dompteur werden, sondern so ein toller Drumer wie Ringo Starr. Ich wurde Beatles-Fan, der immer wieder diese ›wilde Hottentotten-Musik‹ abdudelte und das Zimmer mit Beatles-Bildern aus der BRAVO und ähnlichen Teenager-Verdummungs-Blättchen tapezierte.

Wobei das mit dem ›Verdummungs-Blättchen‹ bei der BRAVO, was mich betrifft, ja eigentlich nicht stimmt. Die Aufklärung über das Geschlechtsleben des Homo Sapiens, das wir Jungen und sicher auch die Mädchen in groben Zügen auf der Straße erfahren hatten, wurde in der Schule damals noch mit der Biene Maja und dem faulen Willy gebracht... also diese schöne Sache von den Bienen. Fragen konnte man keinen der ›Erwachsenen‹ - am wenigsten die Eltern. Es war vor 1968, die Welt war prüde und über diese Dinge redete man nicht.

Ich bin sicher nicht der Einzige meiner Generation, der durch eine damals bei der ›Gesellschaft‹ Entsetzen auslösenden BRAVO-Serie aufgeklärt wurde. Und zwar mit Worten, die man verstehen konnte und mit Bildern, die keine schematischen Darstellungen waren. Ganz klar, das war der „Doktor Sommer“, den es heute noch gibt und wo Teenies Fragen stellen dürfen, die sie nie zu fragen wagen. Wenngleich heute natürlich in den Schulen im Biologie-Unterricht auch nicht mehr von den Bienen erzählt wird – jedenfalls nicht, wenn es um das Thema ›Fortpflanzung beim Homo sapiens‹ geht.

Damals, so ab 1966, war der ›Doktor Sommer‹ bahnbrechend. Jetzt erst wussten wir Jungen Bescheid – nicht wie man es macht – sondern wie man vermeidet, dass was passiert, dass man ›heiraten muss‹, wie das dann damals hieß. Ich habe damals genug Fälle in meinen näheren Kreisen gehabt, wo man sagen konnte: ›Einmal probiert - schon gekonnt!‹

Aber ich wollte ja von dem Jungen erzählen, der sich in seinen Träumen nicht mehr mit Tigern in der Manege sondern auf der Bühne am Schlagzeug hinter drei Jungs mit Gitarren sah...

In der BRAVO (kann auch die Musik-Parade gewesen sein) sah ich dann ein Bild von Ringo mit einer Marlboro-Schachtel in der Hand – damals haben die Beatles ja alle geraucht. Ganz klar, dass ich als Nachwuchs-Drummer meinem großen Vorbild nicht nur am Schlagzeug sondern auch sonst nacheiferte... wie echte Fans das eben so machen.

Klar, ich war echter ›Fan‹ - sogar ›de Luxe‹ und ›Super-Fan‹ der Beatles. Selbstverständlich trug ich wie Ringo vier Ringe an den Fingern. Das waren mein silberner Siegelring und drei Modeschmuck-Ringe, die einst einem der reichsten Männer der Welt gehört haben – Woolworth... ahem... jedenfalls waren sie aus diesem Geschäft. Und natürlich – wie Ringo auch – eine goldene Armband-Kette. Unnötig zu sagen, was drauf graviert war, oder? Dass ich in den Zeiten von Freunden ›Ringo‹ gerufen wurde, sei hier nur am Rand erwähnt. Ich bin ja in meinem Leben unter so vielen Namen gesegelt...

Was lag also näher, als dann auch ›Marlboro‹ zu rauchen. Die gab es damals noch nicht am Automaten – die holte man noch im Tabakwarenladen. Und als Marlboro-Raucher war ich damals ein echter Individualist. Die anderen rauchten ›HB‹, ›Ernte 23‹ oder ›Peter Stuyvesant‹, für die Mädels gab es ›Lord-extra‹ und später ›Kim‹ mit dem Werbe-Slogan ›Für Männerhände viel zu schick‹. Zigarettenmarken, die der Wind der Geschichte mehr oder weniger davon geweht hat.

Ja – um zum Thema zurück zu kommen, es dürfte sich ziemlich rum gesprochen haben, dass ich neben diversen anderen Sachen schweres Asthma habe. Das ist ein Erbstück meiner Ahnen, die auch alle Luft-Probleme hatten – mein Vater auch und selbst mein Bruder hat sein Sprüh-Fläschchen. Nur mich hat es eben voll erwischt.

Das jahrelange Rauchen ist also nicht schuld – hat allerdings auch nicht gerade positiv gewirkt. Dass ich im Jahr 1982 noch Marathon gelaufen bin lag daran, dass die Krankheit eben erst in den letzten Jahren voll zum Ausbruch gekommen ist. Nur so viel für die schlauen Leute der absoluten Nichtraucherfront, die jetzt sagen: »Hättest du nicht geraucht – wärst du jetzt fit!« Mit oder ohne der jahrelangen Frönung meines Lieblings-Lasters – ohne die ärztliche Behandlung und das Schlucken von Medikamenten würde ich längst irgendwo jenseits der Wolken die Harfe zupfen oder mit den Kesselpauken den Donner machen – oder vielleicht auch, was sicher eher zu vermuten ist, beim Asmodis Kohlen schaufeln

Nun muss ich eben jeden Tag Tabletten schlucken, Pulver inhalieren und des Nachts unter einer Atem-Maske schlafen, die von der Optik und auch von den Geräuschen her an Darth Vader erinnert.

Ursprünglich habe ich das mit den Krankheiten alles mehr auf die leichte Schulter genommen – bis es dann irgendwann fast zu spät gewesen wäre. Die Ärzte hatten nicht mal Zeit, von meinem Bruder Peter die schriftliche Genehmigung für einen Luftröhrenschnitt einzuholen. Das war wohl eine ›messerscharfe Rasur‹ und gerade noch so die Kurve gekriegt.

20 % Überlebenschance, drei Wochen Koma, weitere drei Wochen, bis ich wieder halbwegs bei Kräften war und dann drei Wochen REHA. Zwei Jahre später hat mich die Stadt Kassel (als mein Arbeitgeber) vorzeitig in den Ruhestand geschickt. Und dass das nicht ohne Berechtigung war, habe ich schon in den letzten Jahren auf den Touren durch Indien, Kappadokien und Ägypten festgestellt.

Diesmal war mit der Puste alles noch schlimmer – um nicht zu sagen – viel schlimmer. Ich will ja nicht »Nie« sagen – aber es sieht so aus, als wäre es die letzte Reise dieser Art gewesen. Der Rest sind Erinnerungen – und auf dieser Reise habe ich so ziemlich genau die Stationen meiner ›geistigen Pilgerfahrt‹ noch gesehen und erlebt, die mir noch fehlten. Die Sehnsucht-Ziele, an denen man unbedingt noch stehen will.

Aber wenn man so gehandicapt ist, dass schon eine normale Treppe im Haus Atembeschwerden hervor ruft und man schon nach 40 bis 50 Metern durch die antiken Ruinen nach Luft pumpt, dann spiel man nicht mehr Indiana-Jones oder Kara ben Nemsi. Der Geist ist ja willig – aber das Fleisch ist schwach. Man muss sehen, dass man dran bleibt, um die Gruppe nicht aufzuhalten.

Allah sei gepriesen – ich hatte einen Leidensgefährten. Früher dritter deutscher Meister im Zehnkampf und andere sportliche Auszeichnungen – heute macht er nebenher noch Trainer, oder besser gesagt, Betreuer, in einem Fitness-Studio. Aber mit der Puste hatte er genau so Probleme wie ich. Und so kam er dann dazu, in der Felsenstadt Petra zum ersten Mal auf einem Kamel zu reiten, um die recht lange Strecke zu schaffen. Aber das erzähle ich später.

Und auch, wenn es keine kleinen ›Karl-May-Abenteuer‹ gibt, denke ich, doch einige interessante Dinge über diese Reise berichten zu können. Immerhin war es fast eine Fahrt auf den Spuren von Sultan Sala-ed-Din, besser bekannt als Saladin – das Land, in dem der Film »Königreich des Himmels« spielt, der von den Grundzügen her historische Tatsachen entspricht. Zumal der letzte Verteidiger von Jerusalem, dem Saladin dann freien Abzug der Verteidiger abnötigte, tatsächlich ›Balian‹ hieß – wie Orlando Bloom im Film.

Die zweite historische Figur, deren Spur ich auf dieser Reise immer kreuzte, war Thomas Edward Lawrence. Besser bekannt als ›Lawrence von Arabien‹. Der Film ist teilweise an Originalschauplätzen in Wadi Rum gedreht worden und ich werde immer mal drauf zurückkommen. Zumal Lawrence für mich eine faszinierende Gestalt ist, die mit mir so einiges gemein hat.

Aber das alles im Text, bei dem ich immer wieder auf Legende und Wirklichkeit in diesen Filmen zu sprechen komme. Wobei ich davon ausgehe, dass diese beiden Streifen den Teestundenfreunden weitgehend bekannt sind. Vorab sei schon mal, was die geschichtlichen Tatsachen in beiden Filmen betrifft, gesagt: »Im Prinzip – Ja«. Aber es war in Wirklichkeit alles viel komplizierter – in gewisser Weise weniger romantisch und langweiliger.

Wer mehr wissen will, dem empfehle ich das Buch: »Die Kreuzzüge aus moslemischer Sicht« mit Berichten von Zeitzeugen. Dazu das Buch »Die sieben Säulen der Weisheit«, in denen Lawrence von Arabien selbst seine Fassung des arabischen Aufstandes und der selbst erlebten Ereignisse erzählt. Das Buch ist etwas gewöhnungsbedürftig, weil sich Lawrence manchmal durch die Schilderungen von Landschaften ›etwas gehen lässt‹ und es kompliziert ist, den Handlungsfaden richtig zu verfolgen. Dan Shocker nannte das damals ›fahrende Züge aufhalten‹.

Für den Rest genügen meine Teestundenerzählungen – die sicher leichter verdaulich sind.
 
Ich rede zwar immer nur von mir – aber ich habe die Tour nicht alleine gemacht. Der ›Kleine‹ wollte mit. Das ist mein 10 cm größerer aber 14 Jahre jüngerer Bruder, der genau so wie ich an allem, was Geschichte etc. betrifft, stark interessiert ist. Wobei er die Schwerpunkte auf die modernere Geschichte legt und wir uns da immer mit dem Wissen sehr gut ergänzen.

Ich hatte Peter den Reiseprospekt eigentlich gezeigt und vermutet, dass er mir die Sache ausredet. Von wegen »Hast du denn für so was Geld?« und »Denkst du, das kannst du dir noch zutrauen«. Aber – nachdem er dann die Zielpunkte und Highlights der Reise gehört hatte, kam ein kategorisches: »Das interessiert mich auch. Da fahre ich mit!« Und einen Tag später hatte ich die Reise gebucht, um noch einen Platz in der angegebenen ›Billig-Tour‹ zu bekommen. So waren wir also vom 15. bis 25. Februar im Orient.

Damit könnte ich eigentlich beginnen, von der Reise zu erzählen – aber wir sind schon wieder fast am Ende. Und so will ich nur noch rasch was über das Finanzielle sagen, falls jemand an solch einer Tour interessiert ist.

In der Zeit, als wir gefahren sind, bekamen wir die Reise für 1.599 Euro. Dafür waren alle Fahrten und Besichtigungen, außer der Tour mit Jeeps durch die Wüste in Wadi Rum, mit eingeschlossen. Außerdem Frühstück und Abendessen vom reichhaltigen Buffet. Wer sich da morgens eine Grundlage verschafft hat, der konnte es bis zum Abend gut aushalten – und dann in den unzähligen Köstlichkeiten der arabischen Küche schlemmen.

Also, die Fahrt ist ohne weiteres bezahlbar und mein Bruder Peter ist mit ungefähr 150 bis 200 Euro Taschengeld (einschl. Postkarten) ausgekommen. Bei mir waren das etwas mehr – die Artefakte (Replikas) aus dem Nationalmuseum von Damaskus und andere Dinge waren für meine Bücherwand zu verlockend.

Wir sehen uns in der nächsten Woche... Wenn unser Flugzeug in Amman zur Landung ansetzt. Bis dahin also....
 
kTM

Kommentare  

#1 Mikail_the_Bard 2011-03-03 23:37
Also das mit den Köstlichkeiten aus der arabischen Küche hört sich doch mal sehr interessant an. Und bei mir wäre das "Taschengeld" wahrscheinlich auch in diversen Basaren hängen geblieben.
#2 Rolf2 2011-03-04 20:11
Tja, die Puste. Mir (Jg 1947) isz sie auch 2004 weggeblieben. aber erstaunlicherweise einigermassen wiedergekommen. Die 40er Jahrgänge mögen noch lange leben...

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