Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Spreu, Weizen und eBooks ... - Verlage, eBookshops und ›Selfpublishing‹

Zauberwort - Der Leit(d)artikelSpreu, Weizen und eBooks …
Verlage, eBookshops und ›Selfpublishing‹

Martin Clauß hat in seinem Beitrag »Wird das eBook der neue Heftroman?« viele kluge Gedanken zum Thema Zukunft des Heftes und darüber hinaus auch zum eBook und generell zur Publikation von Büchern/Heften abgeliefert. Diese Gedanken beruhen bei ihm als Autor der Serie »Falkengrund« auf mehr als nur Phantastereien. Ich kann die Lektüre dieses Beitrags - und seine Serie - nur empfehlen.

Und natürlich kann ich es nicht lassen, selbst ein paar Gedanken zu äußern ...

Um es von vornherein klarzustellen: Hier geht es um generelle Überlegungen zum Thema. In diesem Fall ist eine Einzelbetrachtung von Projekten kontraproduktiv und keinesfalls hilfreich. Zu leicht wird eine Diskussion dann aufs Detail reduziert.

Viele der angelaufenen Projekte rund ums eBook spielen sich im Bereich des so genannten ›Special Interest‹ ab, das heißt, sie sprechen – egal ob als eBook, Druckwerk oder was auch immer – nur einen kleinen Teil von Lesern an. Sie wenden sich an Fans, Sammler und Interessierte. Diese Angebote werden sich immer in einer Nische abspielen und einen recht überschaubaren Personenkreis ansprechen.

Das ist per se nichts Schlechtes, sondern dort werden - wie Martin Clauß es formulierte –  »Skurrile Experimente, ungewöhnliche Helden, seltene Genres« reüssieren. Und dies, wie er ebenso klar und richtig feststellte, nicht in den großen Verlagen. Diese wollen und müssen den Mainstream bedienen, denn ihre Ausrichtung geht ganz klar an einen Massengeschmack und haben entsprechend ihrer Ausgaben (Personal, Produktion, Werbung ...) auch Masse und entsprechend Gewinn zu machen. Aber im Bereich des ›Independent‹-Marktes ist Raum, um Interessen jenseits des Mainstream zu bedienen. Die Anzahl der Verkäufe sind so klein, dass sie für die Großen keinerlei Perspektive bieten. Die großen Verlage brauchen auf lange Sicht hohe Verkaufszahlen, um das eBook für sie wirklich interessant zu machen. Dazu muss man was tun ...

Bei »Perry Rhodan« ist man da schon auf einem guten Weg. Die Rastatter sind zweifelsohne Vorbild für andere. Bei Bastei Entertainment hat man im Hintergrund mit Sicherheit den Auftrag, das eBook (mit und ohne multimedialer Ergänzung) zu entwickeln. Dafür hat der Verlag eine 30-Mio.-€-Anleihe aufgelegt. Somit kann Entertainment auch (präzisiert nach Kommentar #2 von User Nelson sollte es ergänzend heißen) mal Geld ›versenken‹ kann, um die Entwicklung voranzutreiben. Man muss nicht aus dem Stand heraus Erfolg haben. Ein guter Weg.

In einem Punkt gebe ich Martin grundsätzlich recht, der eine Themenverengung auf Bestsellerformate vermutet. Er sagt:
"An die Stelle von Heroic oder Epic Fantasy und Grusel werden Genres wie Vampire Romance und Thriller treten. Die Thriller werden hart und kalt sein, voller Sex und Gewalt. Szenen, bei denen vor dreißig Jahren der Jugendschutz aktiv geworden wäre, werden zum Alltag der eBook-Serien gehören. Der Jugendschutz wird sich um die eBooks praktisch nicht kümmern. Horror wird im 21. Jahrhundert nicht von Dämonen ausgehen, sondern von Menschen. Wir werden viele, viele Serienkiller bekommen, viele gefolterte Frauen und Kinder, viele Verschwörungstheorien und drohende Weltuntergänge. Wir werden uns im Vatikan zu Hause fühlen. „Apokalypsis“ ist quasi eine Nachdichtung der Dan Brown-Romane. Je mehr man im technischen Bereich das Lesen revolutionieren will, desto enger wird man sich inhaltlich an das klammern, was in den letzten Jahren ein Bestseller war."
Gleichzeitig hier gilt es aus meiner Sicht Widerspruch zu üben: Ich würde es nicht ›Verengung‹ nennen, sondern die ›Suche nach Erfolgsformaten‹.
 
Und es gibt in allen Medien viele dieser erfolgreichen Formate. Das geht weit über die Bestseller im Buchbereich hinaus. Erst recht, wenn man das eBook als ›Erben‹ des Heftes begreift, bietet es sich, an Erfolgsformate aus allen Richtungen zu adaptieren (und nicht blind 1:1 zu übernehmen). Da liegt Potential.
 
Das ist eher das Konzentrieren auf Erfolgreiches denn eine (zu zögerliche) Verengung auf wenige inhaltliche Bereiche. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, dass es über das Spektrum des Thrillers hinaus Formate geben wird. Denn sich nur darauf zu konzentrieren, wäre definitiv ein Fehler, und das nicht nur ars wirtschaftlicher Sicht. Dazu hat man Geld beschafft, um herauszufinden, was adaptierbar ist. Denn nur, wer schon jetzt über den Tellerrand hinaus denkt, der wird sich auf lange Sicht halten - und aus einer Position der Stärke heraus erfolgreich (multimedial) verlegen können.

Doch für den »Special Interest« bieten die neuen Techniken gute Chancen. Ich gehe mit Martin Clauß konform, wenn er sagt:
Allerdings wird es neben den großen Häusern immer mehr kleine Verlage und unabhängige Autoren geben, die sich stärker aufs eBook verlagern. Die überwiegende Mehrheit davon wird abgeschlossene Werke veröffentlichen, einige aber werden sich an Serien versuchen, sei es, weil sie Serien mögen, sei es, weil sie auf langfristige Leserbindung hoffen.
Das wird auf unterschiedliche Art und Weise geschehen. In der Form der existierenden und (vielleicht) noch zu gründenden (Klein-)Verlage. Da werden Amateurangebote als Verleger auftreten und auch – gerade (wieder) ganz groß im Kommen – der Selbstverlag (neudeutsch ›Self Publishing‹). Das Angebot wird dabei gerade durch die verbilligte Technik, preiswerten Webspace und den Drang der Leute, gerade ihre Erzeugnisse publizieren zu wollen (dabei reicht die Motivation der Autoren von blanker Selbstüberschätzung bis hin dazu tatsächliche außergewöhnliche Schriften, die unters Volk gebracht werden).

Dadurch wird das Angebot unübersichtlich werden. Ich hoffe, dass der Leser sich dann auf etablierte, aber vernünftig aufgearbeitete Stoffe aus den großen und kleinen Verlagen konzentrieren wird.

Martin Clauß sieht das etwas anders:
In welcher Liga diese „kleinen Serien“ spielen können, zeigt ein Blick auf die Science Fiction-Sparte von Amazons Kindle-Shop: Zwar werden die vordersten Ränge in weiten Teilen von „Perry Rhodan Neo“ und „Perry Rhodan“ dominiert, doch unter den Top 100 finden sich zahlreiche Ausgaben der Serien „Nebular“ von Thomas Rabenstein und „Rettungskreuzer Ikarus“ von Dirk van den Boom und seinem Team. Besonders „Nebular“ platziert sich dauerhaft hoch in den Charts und verweist Romane aus dem Star Trek- oder Star Wars-Universum auf die hinteren Plätze. Mit den Großen zu konkurrieren – das wäre auf dem Buchmarkt oder am Kiosk so nie möglich. Das funktioniert nur durch die Struktur der eBook-Shops und durch die Möglichkeit, auch für kleine Auflagen niedrige Preise anzusetzen.
Wenn es ein Autor oder ein Autorenteam versteht, dauerhaft guten Stoff zu liefern, braucht es heute keinen Verlag mehr. Das eBook macht Werbung für sich selbst, indem es einfach in den eBook-Shops erhältlich ist.
Es gibt eine Schwierigkeit, wenn ein einzelner Autor ein Amateur-Angebot oder ein Verlag ohne Infrastruktur einen Text als eBook (dies gilt ebenso für die Druckwerke) veröffentlicht. Es fehlt eine entscheidende Komponente: das Lektorat.

Das Lektorat solcher Bücher wird den ›Casus Knacktus‹ solcher Projekte darstellen, die (insbesondere) in Eigenregie der Autoren entstehen. Kein Autor sollte sich meiner Meinung nach einbilden, er könne sich selbst lektorieren. Das ist ein weit verbreiteter Irrtum. Vorrangig aus Geldmangel werden gerade kleine Verlage auf ein entsprechend qualifiziertes Lektorat verzichten. Die Folgen sind es, die den Lesespaß deutlich verringern. Auch ist es ein Irrtum, dass ein Autor das druckreife Skript fertig stellen könnte. Jedes Manuskript kann durch ein Lektorat verbessert werden. Dazu bedarf es beim Lektor aber einer gewissen Qualität. Leider kann sich jeder dahergelaufene Volldepp grundsätzlich Lektor nennen. Die blanke Fähigkeit des Lesens reicht aus. Aber nicht jeder dahergelaufene Volldepp ist dann auch das, was er vorgibt zu sein …

Jeder Autor, der den Selbstverlag plant und sich eines freien Lektorats bedienen möchte, sollte sich nicht jedem Typen anvertrauen, der sich hinter der Bezeichnung Lektor verbirgt. Der Lektor/die Lektorin sollte Referenzen vorweisen können, die nachweisen, dass sich eine erfahrene Kraft des Manuskripts annehmen wird. Hier und da mal was gemacht zu haben reicht nicht.

Ein Lektor muss ja nicht nur die Rechtschreibung bearbeiten. Das ist lediglich eine seiner Aufgaben. Das Skript muss durchgearbeitet werden. Autoren neigen dazu, ihre Texte zu lieben, sich manchmal zu vergaloppieren und in Beschreibungen zu verlieren. Jedenfalls gilt es für den Lektor, nun genügend Rückgrat zu besitzen, um möglicherweise gegen den Autor notwendige Änderungen durchzusetzen. Da bedarf es einer gewissen Qualität und Erfahrung - des Schreibens und des Marktes. Diese verleihen dem Lektor dann auch Autorität. Darüber verfügt nicht jeder, der sich Lektor oder Lektorin zu nennen glauben muss.

Daher: Es ist immer hilfreich, nach Referenzen zu fragen und sich diese anzusehen.

Der Lektor muss – gerade wenn der Autor nicht bei einem Verlag vorstellig wird – durch Leistung überzeugen und nicht durch eine Machtposition, weil der Autor ja sein Buch loswerden will. Daher ein Rat an die Autoren: Schlägt ein Lektor etwas vor, sollte man es zumindest prüfen.

Ich will das nicht weiter vertiefen. Das ist ein sehr umfangreiches Thema, dem man sich später einmal widmen sollte. Dennoch der Rat an alle Jungautoren: Nicht jeder, der sich Lektor schimpft, ist auch einer. Aber ohne einen Vertreter dieser Art kommt ihr nicht aus, wenn ihr Geld für einen Roman haben wollt, den ihr in einem eBook-Shop oder bei euch selbst für Geld zum Download anbietet.

Daher denke ich, dass der Leser auf Dauer wieder auf die Angebote zurückgreifen wird, die seriös aufbereitet wurden und jene, die durch Qualität zu überzeugen wissen. Die meisten von ihnen werden in seriös geführten großen und/oder kleinen Verlagen präsentiert werden. Größe des Verlages, Dicke und Aufwand der Kataloge oder Größe des Standes bei Messen oder Cons werden hierfür nicht Ausschlag gebend sein - allenfalls hinsichtlich der Aufmerksamkeit, die sie erzeugen.
 
Die eBook-Shops werden reagieren und die von Ihnen online gestellten Inhalte prüfen müssen. Das hängt natürlich auch von der Menge der publizierten Bücher ab. Aber auch innerhalb dieser Shops wird auf lange Sicht eine Bereinigung stattfinden. Jene Bücher (egal ob ›Mainstream‹ und/oder ›Special Interest‹) werden dort im Rahmen ihrer Möglichkeit erfolgreich sein. Jene, die mehr vom Enthusiasmus, guten Glauben, Selbstüberschätzung oder Hoffnung getragen werden, mutieren zu Datenmüll und Ladenhütern.

Es ist publikationstechnisch eine spannende Zeit. Gerade Sammler, Jäger und Fans werden ihren Spaß haben, die wahrscheinlich besser mit Texten versorgt werden als jemals zu vor. Doch auch hier wird der Leser die Spreu vom Weizen scheiden. Aber immerhin können sich die Stoffe abseits des Mainstreams wesentlich besser behaupten. Erfreulich, oder?

Diese Entwicklung sollte gerade für jene, die Nischenangeboten zuneigen, ein wichtiger Anreiz sein, sich mit eBooks und eReader auseinanderzusetzen. Wer allerdings weitere Aufgüsse der Heftserien aus den 50igern bis 80igern will, dem wird damit auch nicht geholfen sein, denn da ist nicht mehr viel zu holen …

Auf ein spannendes 2012 und die Folgejahre …
 

Kommentare  

#31 Larandil 2012-01-12 17:17
zitiere Kerstin:
Tja, wenn erst alle Texte elektronisch übertragen werden, kann man misslungene oder ungeliebte Werke nicht mal mehr diesem Zweitnutzen zuführen. :P

Ha! Da schreib' ich mal eben eine Reißwolfapp, die das Geschriebene auf dem Bildschirm in kleine, winzig kleine Fragmente schreddert ...
#32 Laurin 2012-01-12 18:36
Also sollte man sich den Lektor/die Lektorin auch genauer ansehen bevor man sich etwas verstümmeln läßt. :o
Drastische Szenen haben ja z.B. nichts mit Geschmackssache zu tun. Die Geschmackssache beginnt dort, ob ich ein solches Buch (oder auch eBook) lesen will oder nicht. Man sollte also Geschmack nicht mit Zensur verwechseln. Und da liegt dann wie ich herauslese der Knackpunkt in Sachen Lektorat. Und wie gesagt, ich hab schon Sachen zu lesen gehabt, wo der "wichtige" Lektor wohl eher eine gelbe Armbinde mit drei schwarzen Punkten getragen haben muß - was dann wiederum Geschmackssache sein kann. :lol:
#33 Johanna 2012-01-19 13:50
Ich finde Self Publishing ist eine super Sache! Natürlich muss jeder Autor selbst auf hohe Qualität achten wenn er veröffentlichen möchte. Um ein Lektorat kommt man da wohl nicht drum rum! Aber auf Self Publishing Portalen wie triboox.de etc. kann man ja nicht nur sein Buch veröffentlichen sondern oftmals auch professionelle Lektorate buchen. Das würd ich auf jeden Fall machen!
#34 Alfred Wallon 2012-01-19 14:59
Selfpublishing ist in meinen Augen der letzte Ausweg für diejenigen, die bei einem normalen Verlag nicht unterkommen. Und dann auch noch für Lektorate bezahlen!
Bei einem normalen Verlag kostet es den Autor nichts, und es gibt Honorar!

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.